Dominica − die Wellness-Insel in der Karibik

02.10.2015 | Stand 02.10.2015, 14:44 Uhr

Im Natur-Spa gibt es unter dem Schatten von Palmen eine verzweigte Outdoor-Badelandschaft mit drei großen Becken und unterschiedlichen Wassertemperaturen. Das Wasser ist durch den hohen Schwefelgehalt leicht milchig. − Fotos: Claudius Lüder

Riesige Farne und Bambusstämme säumen den Pfad, unterbrochen durch gewaltige Brettwurzelbäume, in deren Wipfeln sich Papageien ein schrilles Wortgefecht liefern. Plötzlich scheint der Weg zu enden − ein umgestürzter Baum liegt quer. Wirbelsturm "Erika", der Ende August über die Insel gefegt ist, hat gewaltige Schäden auf Dominica hinterlassen. Doch entmutigen lassen sich Menschen wie Allan John davon nicht. Mit sicheren Macheten-Hieben bricht er die Äste weg und befördert den Stamm an die Seite. "Auch das ist mein Job", sagt der 55-jährige Ranger, der auf dem Waitikubuli National Trail für Ordnung sorgt.

Der Trail ist eine Wanderstrecke, die sich über ganz Dominica in verschiedenen Segmenten und unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen erstreckt. Allan ist im Segment 10 unterwegs, und das nicht rein zufällig. "Früher war das hier mein Schulweg", erzählt er lachend. "Als es die Uferstraße noch nicht gab, mussten wir über die Berge von Colihaut nach Portsmouth zur Schule laufen."

Benannt nach dem Tag der Entdeckung

Dominica, nicht zu verwechseln mit der Dominikanischen Republik, gehört zu den kleinen Antillen und ist eine grüne Insel in der östlichen Karibik – gelegen zwischen Guadeloupe im Norden und Martinique im Süden. Der Inselstaat ist seit 1978 unabhängig und gehörte zuvor zu Großbritannien. Auch Frankreich kontrollierte die Insel im 18. Jahrhundert für einige Jahre. Ein Mix aus englischen und französischen Ortsnamen erinnert noch heute an die Kolonialzeit. Entdeckt wurde die 45 Kilometer lange und 25 Kilometer breite Insel am 3. November 1493 von Christoph Kolumbus, der sie nach dem Wochentag der Entdeckung benannte: dem Sonntag, auf Spanisch Domingo.

Charakteristisch für die Insel vulkanischen Ursprungs sind ihre Fruchtbarkeit und ihr Reichtum an Flüssen, Seen, Bergen, Bäumen und Früchten. Der Mont Diablotin ist mit 1450 Metern der höchste Berg der Insel, daneben kommen Trekkingfreunde in dem urwüchsigen Gelände bei zahlreichen Touren auf ihre Kosten. Wer mit Ranger Allan John unterwegs ist, kommt immer mit einem ganzen Obstkorb im Rucksack zurück. Denn verschiedenste Zitrusfrüchte wachsen ebenso wild wie Papayas, Bananen, Erdbeeren, Avocados und sogar Kohl. "Wir haben acht Orangensorten und drei verschiedene Grapefruits", erzählt Allan, während er das Blatt einer farnartigen Pflanze abschneidet, dessen Innenseite mit vielen feinen weichen Härchen besetzt ist. "Diese Pflanze heißt Crecre, ihre Blätter wurden früher als Toilettenpapier benutzt", sagt der Ranger grinsend. "Und aus diesen Blättern machen wir einen krampflösenden Tee", deutet er auf das Grün einer wilden Erdbeerpflanze. Es gibt kaum eine Pflanze auf Dominica, die für die Bewohner nicht mehr als einen Zweck erfüllt.

Rund 70000 Menschen leben auf Dominica, die meisten in der Hauptstadt Roseau im Süden der Westküste und in Portsmouth im Norden. In der Hauptsaison zwischen Dezember und April macht etwa alle zwei Tage ein Kreuzfahrtschiff in Roseau fest und bringt Tagesgäste mit, die den graphitschwarzen Sandstrand von Méro besuchen oder in der Champagner Bay schnorcheln. Letztere macht ihrem Namen an manchen Tagen alle Ehre, wenn die zahllosen Schwefel-Bläschen aus den Felsritzen am Meeresboden das Wasser wie in einem Champagnerglas aussehen lassen.

Noch deutlich intensiver macht sich der vulkanische Ursprung der Insel jedoch im Landesinnern bemerkbar. Wer sich auf die anspruchsvolle Klettertour zum Boiling Lake aufmacht, kommt an zahlreichen heißen Quellen vorbei, die durch ihren hohen Schwefelgehalt die Bachläufe weiß erstrahlen lassen. Der Boiling Lake liegt auf 800 Metern im Morne-Trois-Pitons-Nationalpark und ist mit einem Durchmesser von 60 Metern die zweitgrößte Thermalquelle der Welt. In der Mitte des Sees blubbert das Wasser wie in einem Kochtopf, selbst am Rand liegt die Temperatur immer noch zwischen 80 und 90 Grad. An ein Bad ist hier also nicht zu denken.

Wellness pur gibt es dafür in den Natur-Spas in dem Dorf Wotten Waven, wo das Wasser der heißen Quellen zum Beispiel im Screw’s in drei unterschiedlich heißen Becken aufgestaut wird. Vor allem nach langen Wanderungen wirkt das Thermalbad unter Palmen und freiem Himmel erholsam und entspannend. Wer mag, kann das Ganze auch noch mit einer Schwefel-Schlammpackung kombinieren.

Hupen für die Freundlichkeit

Wie überhaupt die ganze Insel eine Art Wellness-Tempel ist. Angenehme Temperaturen zwischen 25 und 28 Grad mit einem lauen Lüftchen tragen zum Wohlbefinden ebenso bei wie die überaus freundlichen Menschen. Selbst stressgeplagte Großstädter werden hier zwangsläufig entschleunigt. Wer etwa mit dem Auto unterwegs ist, muss lernen, dass das Hupen auf Dominica eine ganz andere Bedeutung hat. "Wir hupen ständig, meist zweimal kurz", erklärt Oris, der mit seinem Minibus immer zwischen Roseau und Portsmouth pendelt. Im Gegensatz zum deutschen Straßenverkehr hat das Hupen hier allerdings eine äußerst freundliche Funktion. "Wir sagen damit eher: ‚Alles okay, ich hab dich gesehen.‘" Nicht nur seine Landsleute fährt Oris derzeit über die Insel, sondern vor allem auch Baumaterial für die vielen Häuser, die nach dem Wirbelsturm neu aufgebaut werden müssen. Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft sind groß. "Wir schaffen das", sagt Oris. "Erika" war nicht der erste Wirbelsturm.

Kilometerlange Sandstrände gibt es auf Dominica nicht. Doch die vielen kleinen Strände und versteckten Buchten, speziell an der Ostküste, machen diesen vermeintlichen Nachteil mehr als wett. Wer einmal am Batibou Beach in Calibishi war und an der kleinen Strandbar einen frischen Fisch vom Grill auf einem Bananenblatt genießen durfte, kann sich kaum einen schöneren Platz vorstellen. Auch das ist Wellness pur. Viele kleine Riffs laden zum Tauchen und Schnorcheln ein und der ansonsten mitunter wilde Atlantik präsentiert sich hier deutlich milder.

Nur eine Bucht weiter, in der Hampstead Bay, zeigt Dominica ein ganz anderes Gesicht. Der Number One Beach mit seinem graphitschwarz glänzenden Sand war einer der Schauplätze für Teil zwei und drei des Hollywood-Kassenschlagers "Fluch der Karibik". Der Strand liegt direkt an der Einmündung des gewaltigen Hampstead River, der sich durch den Dschungel schlängelt und hier sein schwefel-milchiges Wasser in den Atlantik kippt. An die Dreharbeiten selbst erinnert auf der Insel heute kaum noch etwas, gleichwohl der Film für den Tourismus nach wie vor ein Zugpferd ist. Die Dominicaner profitieren noch aus einem anderen Grund von dem Kinofilm: Eine Bedingung für die damaligen Dreharbeiten war ein lückenloses, schnelles Breitbandnetz auf der Insel. Seither surfen die Dominicaner dank eines modernen Glasfasernetzes schneller im Internet als so manche deutsche Kleinstadt.

"Na ja, lückenlos ist das Netz nicht", lacht Ranger Allan John, während er sein Handy auf der Suche nach einem Netz Richtung Himmel streckt. Für den Notfall wisse er aber schon sehr gut, wo er auch auf dem National Trail Empfang habe. "Aber hier draußen ist das auch nicht so wichtig, hier will ich die Natur genießen", sagt er, während er sich eine Orange pflückt und einem Sisserou-Papagei nachschaut, dem Nationalvogel Dominicas.

INFO

Dominica ist als Reiseziel für einen Strandurlaub wie für Wanderungen geeignet. Gefahrloses Baden ist an der Westküste möglich, etwa im schönen Scott’s Head ganz im Süden oder in Méro, in der Mitte der Insel. Die Ostküste ist ursprünglicher, allerdings ist das Baden im Atlantik meist nur in Buchten möglich. Wandermöglichkeiten gibt es auf der gesamten Insel mit Bergen bis 1400 Metern. Sehenswert ist der Nationalpark Moren Trois Piton im Süden der Insel, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört (www.discoverdominica.com).

ANREISEN

Zum Beispiel mit Air France (www.airfrance.de) über Paris nach Saint Martin, weiter mit Winair (www.fly-winair.sx) nach Dominica, ab etwa 800 Euro. Oder Flug über Paris nach Guadeloupe und weiter mit der Fähre (www.jeansforfreedom.com) nach Roseau.

REISEZEIT

Trotz hoher Temperaturen ist es durch regelmäßige Niederschläge und den frischen Wind angenehm. Die beste Reisezeit ist zwischen Dezember und Februar. Bis Mai/Juni steigen die Temperaturen an, im Juli beginnt die Regenzeit und es muss mit Hurricans gerechnet werden.

ÜBERNACHTEN

Westküste:

Fort Young Hotel in Roseau. Zentral gelegen, Einzelzimmer ab 100 Euro, www.fortyounghotel.com.

Ostküste:

Rosalie Bay Resort. Großzügiges Eco-Resort mit Strandlage, Einzelzimmer mit Frühstück ab 170 Euro, www.rosaliebay.com.

AUSFLUGSTIPPS

Whale Watching: Unter anderem das Anchorage Hotel bietet Fahrten in Walgründe an, die drei bis vier Stunden dauern, www.anchoragehotel.dm.

Kalinago Territory: Auf Dominica leben die einzig verbliebenen Ureinwohner der Karibik, die Kalinago. An der Ostküste gibt es ein Modelldorf, www.kalinagobaranaaute.dm.

Claudius Lüder ist freier Reisejournalist aus Stade. Er wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt von Dominica.