Krisenmanagerin sorgt für Sicherheit im Urlaub

07.02.2014 | Stand 07.02.2014, 15:00 Uhr

Urlauber evakuieren? Umbuchen? Abwarten? Darüber entscheidet Krisenmanagerin Melanie Gerhardt.  − Foto: J. Jahns

Wenn sich irgendwo auf der Welt eine Großdemonstration ankündigt, wenn ein Hurrikan droht oder eine Airline streiken möchte, dann ist sie eine der ersten Personen, die das erfährt: Melanie Gerhardt (43). Sie ist Abteilungsleiterin des Krisen- und Sicherheitsmanagements bei der DER-Touristik aus Frankfurt und damit zuständig für das Wohl der Urlauber rund um den Globus.

Sie und ihre Mitarbeiter agieren in der Regel im Hintergrund, selten erlangt man als Außenstehender Einblicke in die Arbeit des Krisenmanagements. Und doch ist es ein außerordentlich wichtiger Baustein im großen Konstrukt der Reisebranche. Was nämlich geschieht, wenn plötzlich ein Hurrikan über ein Tourismusgebiet hereinzubrechen droht? Was passiert dann mit den Urlaubern, die sich in dieser Region befinden? Und wohin könnte man diese notfalls evakuieren? Das sind Fragen, die sich Melanie Gerhardt und ihr Team in solch einem Fall stellen müssen. Damit die Krisenmanagerin quasi sekündlich auf dem aktuellen Stand ist, ist ihr Satellitentelefon mit 32 weltweit agierenden Informationsportalen verknüpft, welche alle eventuellen Risiken rund um den Globus einfangen.

Touren umgebucht, Flüge verschobenKündigt sich beispielsweise eine Demo in Bangkok an, geht sofort ein entsprechender Hinweis beim Krisenmanagement ein. Dann nehmen Melanie Gerhardt und ihre Mitarbeiter erst mal Kontakt zu einem Mitarbeiter vor Ort auf, um den Hinweis durchzusprechen. "Stellt sich der Verdacht als zutreffend heraus und als mögliches Risiko für unsere Urlauber, überlegen wir sofort, welche Schritte als Nächstes nötig sind", sagt die studierte Wirtschaftsjuristin Gerhardt. So würden in diesem Fall beispielsweise gebuchte Stadttouren verschoben oder bei großer Gefahr auch gestrichen und stattdessen ein anderes Programm vorgeschlagen werden. Sollten DER-Touristik-Urlauber gar in einem Hotel inmitten der Demos untergebracht sein, müsste man zudem über eine Evakuierung in andere Hotels nachdenken − dann wiederum gelte es schnellstmöglich abzuklären, welche Hotels frei wären und wie der Transfer dorthin zu bewerkstelligen ist.

Eigentlich vergeht auch kein Tag, an dem bei Melanie Gerhardt keine aktuelle Krise eintrudelt − irgendwo auf dem Globus ist immer etwas los. Als die Passauer Neue Presse die Krisenmanagerin diese Woche noch einmal erreichen wollte, mussten das Interview beispielsweise vom Handy aufs Festnetz verlagert werden− "ich möchte das Handy freihalten für Mauritius", erklärte Melanie Gerhardt. Damit meinte sie den Zyklon Edilson, der am Mittwochabend an der Ostküste der Insel im Indischen Ozean eintreffen sollte. Wegen des Wirbelsturms musste das Krisenmanagement-Team den Urlaubern vor Ort mitteilen, in den Hotels zu bleiben. Auch der Flughafen wurde für zwölf Stunden gesperrt. Melanie Gerhardt und ihr Team hatten in aller Kürze organisiert, dass Urlaubsgäste aufgrund der Flugverschiebungen länger in ihren Hotels verbleiben konnten.

Auch rund um die Olympischen Spiele in Sotschi ist das Krisenmanagement eng eingebunden − Experten gehen davon aus, dass rund 3000 Gäste aus Deutschland dort sein werden. Reisenden dorthin wurden beispielsweise noch einmal bestimmte Verhaltensregeln, die auch das Auswärtige Amt herausgegeben hat, mitgeteilt.

Verhaltensregeln für Reisen nach SotschiSo wurde darauf hingewiesen, dass es in Russland immer wieder Übergriffe auf homosexuelle Paare gegeben habe und man daher von einem offenen Zeigen einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft absehen solle. Auch über die Gefahr von Diebstahl, Kriminalität und erhöhter Terrorgefahr bei diesem Sport-Großereignis wurden die Urlauber informiert.

"Zwar gibt es bei uns bestimmte Checklisten, was im Falle eines Falles zu tun ist. Aber es gibt Vorkommnisse, die kann man einfach nicht planen", sagt Melanie Gerhardt, "dann sind Mut und Kreativität gefragt." So war es beispielsweise beim Vulkan Eyjafjallajökull auf Island oder als der Hurrikan Wilma 2005 über Mexiko hinwegfegte. Bei Letzterem waren auch die Halbinsel Yucatan mit dem Touristenort Cancun und damit auch zahlreiche DER-Touristik-Urlauber betroffen. Dieses Problems verlangte auch der geübten Krisenmanagerin so einiges ab − und dennoch stemmte das Team mit viel Geschick diesen Fall. So war es beispielsweise eine riesige Herausforderung, die Urlauber überhaupt zu kontaktieren und sie dann durch das verwüstete Gebiet zu einem Flughafen zu bringen, um sie in die Heimat zu fliegen. Wie sich nämlich herausstellte, war auch der Flughafen in Cancun beschädigt. Als Alternative mussten die Urlauber nach Merida gebracht und von dort ausgeflogen werden. Auch der Check-in für diese Flüge verlief äußerst ungewöhnlich: DER-Touristik-Mitarbeiter Andres Burgart hatte kurzerhand einen Satelliten-Laptop inmitten des großen Chaos unter freiem Himmel aufgebaut und checkte damit die DER-Touristik-Passagiere ein. Bei diesem Fall war Melanie Gerhardt nicht selbst vor Ort. Die meisten Einsätze koordiniert sie von Deutschland aus.

Aber nicht nur "in der Krise", sondern auch im Vorfeld ist das Krisenmanagement tätig. So informieren Melanie Gerhardt und ihre Mitarbeiter beispielsweise rechtzeitig die Reisebüros, wenn eine Airline etwa einen Streik angekündigt hat. Somit können Urlauber auf andere Airlines gebucht werden.

Präventiv geht das Krisenmanagement aber auch generell in der Auswahl der Zielländer vor, die in den Reisekatalogen aufgeführt sind. So komme es beispielsweise vor, dass ein Produktmanager eine ausgefallene Idee für eine Rundreise hat , also etwa eine Tour durch eine zwar landschaftlich schöne, aber politisch sehr unsichere Gegend. Solche Vorschläge werden dann beim Krisenmanagement durchgecheckt − und bei eventuellem Risiko für den Urlauber abgelehnt.

Keine Chance für den handzahmen TigerDas Krisenmanagement bei DER-Touristik arbeitet unabhängig, so Gerhardt, deshalb stünde stets das Wohl der Urlauber im Vordergrund und nicht etwa finanzielle Interessen oder ein möglichst abenteuerliches Programm. Daher schaffte es beispielsweise auch der Rundreise-Haltepunkt in Thailand "Besuch bei einem handzahmen Tiger" nicht in den Reisekatalog.

Jennifer Jahns ist Redakteurin der Passauer Neuen Presse und traf Melanie Gerhardt während der DER-Touristik-Programmvorstellung auf Malta.