Deggendorf/Dingolfing/Trostberg
Referendum in der Türkei: Das sagen Türken in der Region dazu

13.04.2017 | Stand 18.09.2023, 1:52 Uhr
Christina Fleischmann

Dass sich die Wähler mit ihrer Haltung zum geplanten Präsidialsystem in der Türkei bedeckt halten, ist für Christoph K. Neumann, Professor für Türkische Studien an der LMU München, verständlich. "Unter Türken ist bekannt, dass Oppositionelle an der Einreise gehindert werden", sagt er. − Foto: dpa

Evet oder Hayir? Ja oder nein? Am Sonntag wird in der Türkei darüber abgestimmt, ob Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sein Präsidialsystem durchsetzen wird oder nicht. Auch Türken, die in Deutschland leben, durften bis vergangenen Sonntag ihre Stimme abgeben. Wer in Nieder- und Oberbayern volljährig ist und einen türkischen Pass hat, konnte in den Wahllokalen des türkischen Generalkonsulats in München votieren. Für was und warum – darüber redet man nicht gerne. Heikel sei das Thema, hört man immer wieder. Darüber sprechen? Lieber nicht. Und wenn doch, dann anonym.

"Mir wäre das egal, aber ich habe eine Familie", sagt ein 52-jähriger Mann aus Dingolfing. Mit seiner Frau und seinen volljährigen Kindern ist er nach München gefahren und hat für Nein gestimmt. Seine Familie und Verwandten, die hier leben, hätten alle mit Nein gestimmt, aber im Freundeskreis gebe es auch einige Ja-Vertreter. Doch ihre Meinung öffentlich kundtun wollen die wenigsten. "Die Leute haben Angst", sagt der Dingolfinger. Weil er eventuelle Konsequenzen für seine Familie fürchtet, möchte der Niederbayer seinen Namen nicht öffentlich nennen.

Bei zahlreichen Nachfragen im Verbreitungsgebiet, etwa bei türkischstämmigen Politikern, Engagierten in der Integrationsarbeit oder Vertretern türkisch-islamischer Vereine, will sich kaum jemand zum Thema äußern. Man möchte neutral bleiben, sich nicht auf eine Seite schlagen, in Ruhe gelassen werden mit dem Rummel ums Referendum.

Das von Erdogan angestrebte Präsidialsystem sei undemokratisch, sagt eine 19-jährige Deggendorferin, die ihren Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen möchte. Auch sie hat abgestimmt – mit Nein, "weil ich die Idee sehr gefährlich finde, dass ein Staatspräsident die völlige Macht über ein Land hat".

Anders sieht das hingegen Hamza Gönenci aus Tacherting (Landkreis Traunstein). In den vergangenen Jahrzehnten habe sich die Türkei stark verändert, habe Fortschritte gemacht, was Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur angehe, sagt der 44-Jährige, der Vorstandsmitglied des türkisch-islamischen Kulturvereins Ditib in Trostberg ist. Das überzeuge viele, vor allem Ältere. Weil er nur einen deutschen Pass hat, darf Gönenci selbst nicht abstimmen. Könnte er es, würde er mit Ja stimmen – so wie die meisten in seinem Umfeld.
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