Passau
Korn und "Troad" − so unterschiedlich wie die Regionen

26.11.2012 | Stand 26.11.2012, 10:49 Uhr

Was bedeutet "Korn"? Jeder Bairisch-Sprecher wird spontan antworten "Roggen", ebenso verhält es sich auch in der Mitte Deutschlands. In Norddeutschland bedeutet "Korn" Getreide allgemein; spricht man im Schwäbischen vom "Korn", ist Dinkel gemeint. In Amerika bedeutet der englische Ausdruck "corn" Mais, in Irland und Schottland ist damit Hafer gemeint, im Süden Englands Weizen und in Schweden Gerste.

Das reinste Sprachchaos, möchte man auf den ersten Blick meinen. Bei genauerer Betrachtung ist dies jedoch leicht zu entwirren. Im Mittelhochdeutschen steht "Korn" für "Getreidekörner" als Sammelbegriff. Je nachdem, welche Getreidesorte in einer Gegend überwiegend angebaut wurde, fand in der jeweiligen Region dafür der Ausdruck "Korn" Verwendung. Da etwa in Altbayern vorherrschend Roggen angebaut wurde, trat dafür die Kollektivbezeichnung "Korn" ein.

Diese sprachliche Entwicklung fand im 13. Jahrhundert statt. In späterer Zeit übernahm "Getreide" diese Funktion. "Getreide" hat sich aus mittelhochdeutsch "Getregede" entwickelt und bedeutete ursprünglich "alles, was getragen wird", also zum Beispiel auch Kleidung, Last, Gepäck. In der heutigen eingeschränkten Bedeutung wurde es erst mit der Ausbildung der Standardsprache gebräuchlich, fand aber natürlich auch Eingang in die Mundarten. So wird in unserem niederbayerischen Sprachgebiet "Troad/Troed" als Sammelbezeichnung für die körnertragenden Feldfrüchte verwendet. Daneben hat sich der Ausdruck "Korn" für die Getreideart Roggen weitgehend erhalten.

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 Die Autorin gehört zum Projekt-Team zur ostbairischen Sprachraumforschung an der Universität Passau (Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft, Prof. Dr. Rüdiger Harnisch).