Plattling
Der Mann mit dem Durchblick: Wie Helmut Kappenberger sein Leben als Sehbehinderter meistert

03.11.2017 | Stand 18.09.2023, 2:20 Uhr

Der Man in Black unter den Schachspielern ist Helmut Kappenberger. Mit einem speziellen Schachbrett für Blinde kann der Sehbehinderte seinem Kindheitshobby weiter nachgehen. Auch sonst lässt sich der Student nicht unterkriegen. − Foto: Cavar

Für seine Mitschüler war Helmut Kappenberger schon immer der Streber, der Erbsenzähler. Ein "Erste-Reihe-Sitzer" wie er im Buche steht. "Da war die beste Akustik", sagt der heute 20-Jährige. Die Sprüche der anderen kümmern ihn nicht. Er ist pragmatisch, ein Mann der Logik. Im Plattlinger Schachclub stellt er das seit über zehn Jahren unter Beweis. Als Student an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern bereitet er eine Karriere beim Finanzamt vor – auch wenn er fast blind ist. Eine Genmutation raubt ihm nach und nach das Augenlicht. "Irgendwann werde ich wohl gar nichts mehr sehen", sagt er nüchtern. Warum sich über etwas aufregen, was er nicht ändern kann? Er sagt aber auch: "Wegen meiner Augen musste ich schon bei einigem zurückstecken. Aber ich lasse mir nicht alles nehmen."

Auf seinem linken Auge hat Kappenberger lediglich zehn Prozent Sehvermögen, auf dem rechten sind es sogar nur fünf. Unterwegs nutzt er daher einen Blindenstock. Im kleinen Haus am Leitenweg, in dem er mit seiner Mutter wohnt, braucht er ihn nicht. Hier kennt er jeden Winkel. Nur seine Kantenfilterbrille mit den orangefarbenen Gläsern lässt er auf der Nase. Sie schützt seine empfindlichen Augen vor UV-Strahlen. Helmut Kappenberger verstummt, als er seinem Gast ein Glas Wasser einschenkt. Er beugt sich tief über die Küchentheke, versucht zu erkennen, wie viel er noch einschütten kann. Seine Hände zittern leicht. Aber: Kein Tropfen geht daneben.

Tief über einen Tisch gebeugt und konzentriert sitzt Kappenberger auch am Abend beim Treffen des Plattlinger Schachclubs. Die Konturen der Spielfiguren direkt vor seinen Augen erkennt er noch, Farben sieht er schon seit seiner Kindheit nicht mehr. Markierungen an den Oberseiten verraten ihm, welche seine schwarzen Figuren sind. Kappenberger ist deswegen der einzige, der die Figuren nach Belieben anfassen darf. Das ist kein Vorteil. Dafür liegt der Großteil des Schachbretts immer außerhalb seines Sichtfelds. Er muss seinen Kopf über die einzelnen Felder gleiten lassen – oder sich die Position der einzelnen Figuren merken. "Manchmal übersehe ich eine und verliere", gibt er zu. Als Ausrede für eine schlechte Partie schiebt er seine Sehbehinderung aber nicht vor. "Schach ist einer der Sportarten, in denen man Inklusion am besten ausleben kann", sagt er. Zu den Spitzenspielern des Clubs zählt er sich trotzdem nicht, um sein Team bei Mannschaftsturnieren in der Kreisklasse Ost zu unterstützen, reicht sein Talent aber allemal.
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