Rüffel für Macron

Von Wolfgang Weber

10.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:39 Uhr

Es ist höchst ungewöhnlich, dass die Bundesregierung einem ausländischen Staatsoberhaupt zu seinem Besuch in Berlin öffentlich bescheinigt, er habe in einer zentralen Frage keine Ahnung.

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas genau das im Fall der Nato- Kritik Emmanuel Macrons getan haben, zeigt, dass der französische Präsident einen äußerst empfindlichen Punkt getroffen hat, als er dem Militärbündnis den "Hirntod" bescheinigte.

Macron begründete den heftigen Befund damit, dass die dominierende Macht des Bündnisses, die USA, unter Präsident Donald Trump strategische Entscheidungen ohne jede Absprache mit den europäischen Partnern trifft. Auch dann, wenn dadurch die Sicherheit dieser Partner gefährdet wird.

Macron sprach besonders das US-Vorgehen in Syrien an, das der Türkei erst ihren Einmarsch ermöglichte. Er hätte auch Washingtons Kündigung des Iran-Abkommens anführen können oder das Ende des INF-Vertrages. Wer möchte da bestreiten, dass die US-Außenpolitik derzeit sprunghaft, unberechenbar und damit brandgefährlich ist.

Merkel und Maas aber glauben, den Franzosen belehren zu müssen, dass die Nato - inklusive der amerikanischen Führung darin - absolut unverzichtbar ist. Allenfalls könnten und sollten die Europäer künftig mehr tun für die Sicherheit, sprich aufrüsten, aber selbstverständlich nur als Ergänzung, niemals als Versuch, sich von Washington abzunabeln.

Anders als in Paris scheint in Berlin nach wie vor die simple Kalte-Kriegs-Vorstellung zu herrschen, dass alles Übel aus Moskau kommt, und nur die Amerikaner die Russen in Schach halten können. Dieses Schwarz-Weiß-Bild hat allerdings noch nie gestimmt und tut es auch heute nicht, wo offensichtlichen in allen möglichen Weltgegenden Bedrohungen sitzen. Also wäre es höchste Zeit, dass sich auch die Nato, die sich ja als Garant von Sicherheit versteht, von ihrer Anti-Russland-Fixierung verabschiedet.

Trump selbst hat übrigens schon einmal das Bündnis als obsolet bezeichnet. Später aber gab er sich versöhnlich und versicherte gegenüber Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der stets jedes kritische Wort über die USA vermeidet, die Nato sei doch nicht obsolet.