SEK-Beamter verletzt

Schüsse bei Reichsbürger-Razzia in Reutlingen - Auch Durchsuchungen in Oberbayern

22.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:39 Uhr

Einsatzkräfte stehen in Reutlingen an Einsatzfahrzeugen. Bei einer Durchsuchung im Auftrag der Bundesanwaltschaft ist im baden-württembergischen Reutlingen ein Beamter eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) durch einen Schuss verletzt worden. −Foto: Marijan Murat/dpa

Bundesweit lässt die Bundesanwaltschaft erneut Objekte in der „Reichsbürger“-Szene durchsuchen. In Reutlingen wurde dabei geschossen, ein SEK-Beamter verletzt. Auch im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd fanden Durchsuchungen statt.



Bei Durchsuchungen im „Reichsbürger“-Milieu ist ein Polizist durch einen Schuss verletzt worden. Der Beamte eines Spezialeinsatzkommandos erlitt einen Durchschuss am Arm, sein Zustand ist nach dpa-Informationen stabil. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Schützen unter anderem wegen des Verdachts des versuchten Mordes. Nach dpa-Informationen ist der Mann Sportschütze und besaß eine Erlaubnis zum Besitz von Waffen.

Schusswechsel zwischen Polizei und Verdächtigem



Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe teilte mit, die Einsatzkräfte hätten sich bei der Durchsuchung im baden-württembergischen Reutlingen am Mittwochmorgen durch lautes Rufen als Polizisten zu erkennen gegeben. Als sie schließlich das Wohnzimmer betraten hätten, habe der bis dahin als Zeuge geführte Mann eine großkalibrige Schusswaffe auf die Beamten gerichtet. „Der wiederholten Aufforderung, die Waffe wegzulegen, folgte er nicht“, hieß es in der Mitteilung. Es sei daraufhin zu einem Schusswechsel zwischen den Einsatzkräften und dem Mann gekommen, wobei ein Polizist von dem Beschuldigten in den Arm getroffen worden sei. Der Mann habe sich schlussendlich ergeben und sei vorläufig festgenommen worden. Er sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.

Zusammenhang mit Groß-Razzia im Dezember



Die Durchsuchungen am Mittwoch standen im Zusammenhang mit einer Groß-Razzia Anfang Dezember, die sich unter anderem gegen einen Adeligen als mutmaßlichen Rädelsführer richtete. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gibt es nun fünf weitere Beschuldigte. Gegen sie bestehe der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Aktionen gab es insgesamt in acht Bundesländern und in der Schweiz.

Lesen Sie auch: Polizei durchsucht Häuser bei Reichsbürger-Razzia im Kreis Freyung-Grafenau

Die fünf neuen Beschuldigten kommen aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und der Schweiz. Daneben wurden die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen durchsucht, die nicht als verdächtig gelten. Unter ihnen sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen ein Polizist und ein Angehöriger der Bundeswehr. Weitere Festnahmen gab es laut Bundesanwaltschaft nicht.

Durchsuchung auch im Landkreis Mühldorf am Inn



Nach Informationen der Mediengruppe Bayern kam es unter anderem im Bereich Oberbayern Süd zu einer Aktion im Landkreis Mühldorf am Inn. Näheres konnte das Polizeipräsidium mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen der Bundesanwaltschaft nicht sagen. Insgesamt wurden in Bayern offenbar sechs Objekte im Bereich der Polizeipräsidien Oberbayern Süd, München und Unterfranken durchsucht.

Dem Vernehmen nach waren außer Bayern noch die Bundesländer Niedersachsen, Sachsen, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen von der Razzia betroffen. Laut Bundesanwaltschaft waren Beamte des Bundeskriminalamts und Spezialeinheiten des Bundes und der Länder im Einsatz.

Anfang Dezember hatte es eine großangelegte Anti-Terror-Razzia gegen „Reichsbürger“ in mehreren Bundesländern, Österreich und Italien gegeben. Damals waren 25 Männer und Frauen festgenommen worden. In diesem Verfahren ermittelte die Bundesanwaltschaft außerdem gegen 30 weitere Menschen. Es hatte immer geheißen, es sei nicht ausgeschlossen, dass im Laufe der Zeit mehr Beschuldigte hinzukommen. Die neuen Durchsuchungen stehen damit im Zusammenhang.

Unterschriebene Verschwiegenheitserklärungen wohl Ausgangspunkt



Wie die dpa erfuhr, waren unterschriebene Verschwiegenheitserklärungen, die bei der ersten Razzia entdeckt wurden, ein wichtiger Ausgangspunkt für den Einsatz am Mittwoch. Zu den Unterzeichnern gehörten nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden mehrere Waffenbesitzer.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Wir müssen diese Extremisten konsequent entwaffnen. Dafür brauchen wir dringend die Verschärfungen des Waffenrechts, die ich vorgeschlagen habe.“ Mit Blick auf die Durchsuchungen erklärte sie am Mittwoch in Washington laut einer Mitteilung ihres Ministeriums weiter: „Wir setzen diese harte Gangart fort, bis wir diese Strukturen vollständig offengelegt und zerschlagen haben.“ Keiner in dieser extremistischen Szene solle sich sicher fühlen.

„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Menschen zu, 2000 mehr als im Vorjahr.

− hr/lai/dpa

URL: https://www.pnp.de/lokales/landkreis-muehldorf/bei-reichsbuerger-razzia-in-reutlingen-fallen-offenbar-schuesse-10787258
© 2024 PNP.de