Traditionell und modern

17.06.2024 |

Der sorbische Friedhof in Ralbitz: Alle Gräber sind gleich. Auf jedem steht ein weißes Holzkreuz mit dem Korpus des Gekreuzigten. Die Botschaft: Vor Gott sind alle gleich. − Foto: Büker

Es ist eine Zeitreise. Zurück an den Mittagstisch der eigenen Großeltern. Drei Generationen haben Platz genommen: Sebastian und Bettina Wessela, Ignac und Anna-Rosina Wjesela und deren zweijährige Tochter Jasna-Róža. Sie bekreuzigen sich. Sprechen auf Sorbisch ein Gebet. Bekreuzigen sich erneut, bevor sie sich Schnitzel, Spargel, Bohnengemüse und Kartoffeln vom eigenen Hof schmecken lassen. Keine mehlige Sorte. Die, hat Landwirt Sebastian Wessela (60) festgestellt, mögen nämlich nur die Deutschen. Die Sorben, weiß er, bevorzugen harte, feste Kartoffeln.

Die Wjeselas (Wessela ist die deutsche Schreibweise) sind Biolandwirte. Auf 120 Hektar bauen sie neben Kartoffeln auch Getreide und Leguminosen, also Hülsenfrüchte, an. Ihr Hof liegt in Crostwitz im katholischen Teil der Lausitz zwischen Bautzen und Kamenz. Sorbisches Kernland, das seit mindestens dem sechsten Jahrhundert von den Sorben – dem kleinsten slawischen Volk – besiedelt ist. Und damit weit vor der Gründung einer deutschen Nation. Auf diesen schönen Flecken Erde mit Kreuzen und Betsäulen alle paar Meter, mit seiner kulturellen Andersartigkeit, den kinderreichen Familien und der ausgeprägt konservativen Lebensart hat Anna-Rosina Wjesela eingeheiratet. Ihre Familie väterlicherseits stammt aus dem niederbayerischen Geiselhöring, wo ihr Vater Willi Selmer groß geworden ist; er gründete später in Laasow in der brandenburgischen Niederlausitz eine Familie. In Deggendorf lebt Anna-Rosinas Oma.

Anna-Rosina war 18, als sie Ignac kennenlernte. Evangelisch. Jurastudentin. Mittlerweile hat sie drei Praktika an Gerichten gemacht und ist bis auf die Examensprüfungen mit dem Studium fertig. Mit 24 ist sie Ehefrau, ab September zweifache Mutter und Bäuerin mit viel Ahnung vom Steuerrecht. Für rückständig hält sie dieses Leben nicht: „Mir ist die Umstellung leicht gefallen, denn die Landwirtschaft hat mir immer schon Spaß gemacht. Ich will nicht um 7 Uhr aufstehen und den ganzen Tag vor Gericht oder in einer Kanzlei verbringen. Das hier ist ein vollwertiger Job und ich kann mit meiner Familie sein.“ Ihre „Geschichte“ sei „super modern und feministisch“. Eine evangelische Braut hätte vor nicht allzu langer Zeit wohl noch konvertieren müssen. Bis Anna-Rosina eine Wjesela wurde, wusste sie wenig über die Sorben. Nicht einmal, dass sie eine von ihnen ist. Das erklärt auch, warum nicht klar ist, wie viele von ihnen es tatsächlich gibt. Von 60000 liest man, aber auch von einer Million. Als 18-Jährige sprach sie die Sprache nicht, obwohl es eigentlich auch die ihrer Vorfahren mütterlicherseits ist. Dass ihr Opa „Penunse“ zu Geld sagte, fiel ihr zwar auf. Dass das ein sorbisches Wort ist, wusste sie nicht. Auch nicht, dass ihre Ur-Großmutter noch täglich Tracht trug und eine Wendin war, wie die Sorben in der Niederlausitz genannt werden. Alles ist zweisprachig:Ein Viertel der Sorben sind Katholiken, drei Viertel Protestanten.

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