Es ist das laute Schnauben der Pferde, ihr sichtbarer Atem in der kalten Luft, ihre Unruhe, der Rauch der brennenden Wachsfackeln und die Männer und Buben in ihren orientalischen Gewändern, die seit fast einem Jahrhundert am Vorabend des 6. Januar in Töging faszinieren. Der ehemalige Industriestandort galt Jahrzehnte als jüngste Stadt Bayerns. Ursprünglich bestand sie aus einer Handvoll Bauernhöfe, einer Schmiede, einer Kramerei und einer ehemals bedeutenden Kirche des Meisters von Burghausen. Das Dorf war jahrhundertelang mehr oder minder ein Anhängsel des Schul- und Kirchensitzes Erharting. Mitte der 1920er Jahre hatte sich die Einwohnerzahl Tögings innerhalb von vier Jahren fast verzehnfacht, dank der Gründung der Innwerke. Aus dem verschlafenen, unbedeutenden Bauerndorf war über Nacht ein moderner Industrieort geworden, mit starken sozialen, religiösen und politischen Spannungen sowie einem nicht enden wollenden Zuzug von Menschen aus den ärmsten ländlichen Regionen Bayerns, der Pfalz, Schwabens und Österreichs. Sie alle suchten Arbeit und die Chance auf ein besseres Leben.
Werksdirektor und Lehrer, Kaufleute und Handwerker, Arbeiter und Handlanger − sie alle verband, dass sie ihre Heimat verlassen, ihr altes Leben aufgegeben und ihre Familienbande gekappt hatten, um in einer neuen Heimat neu anzufangen. Gemeinschaft und Verbundenheit mussten also zunächst künstlich geschaffen werden, indem Vereine gegründet und Bräuche im Jahreslauf etabliert wurden. Sich ein Stück Heimat zu schaffen, das mag auch Irgl Reichenbach bewegt haben, als er sich an Weihnachten 1927 mit der Idee, ein Dreikönigssingen durchzuführen, an drei, ebenfalls neu nach Töging zugezogene sangeskräftige Männer, wandte. Georg Carl Reichenbach, der seinen Adelstitel abgelegt hatte und nur als Irgl angesprochen werden wollte, war ein Nachkomme des gleichnamigen Erfinders. Der gebürtige Münchner arbeitete seit 1925 in seiner neuen Heimat als Kutscher. An sein früheres Leben als richtungsweisender Jugendstildesigner und Innenarchitekt, als persönlicher Freund von Thoma, an den polyglotten und weitgereisten Lebemann erinnerte in Töging nichts mehr. Reichenbach kannte aus Ettal, wo sein Bruder Konstantin eine Gastwirtschaft betrieb und die Musikantenszene stark förderte, das Ettaler Sternlied. Es handelt sich dabei um eine fromme volkstümliche Weise, die Mitte des 19. Jahrhunderts vom dortigen Dorflehrer Cyriakus Geisler komponiert und getextet wurde. Aufgeführt wird es am Ursprungsort am Silvestertag. Eine Musikkapelle zieht abends zusammen mit einer Sängergruppe und einem Sternträger durchs Ammergauer Dorf. Am 5. Januar 1928 war es dann auch am Inn so weit, ab sieben Uhr abends stapften zum ersten Mal drei Sänger als Heilige Drei Könige mit ihrem Sternträger zu Fuß durch das verschneite Töging. Sie trugen vor den Häusern der Honoratioren und den Höfen der großen Bauern das Ettaler Sternlied vor, mit kleinen Textunterschieden zum Original und in vierstimmigem Satz.
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