Sie lebt fast wie vor 100 Jahren – ohne fließendes Wasser und ohne Heizung. Das braucht sie nicht. Doch das Leben der 88-jährigen Anni Sigl ist dennoch reich. Sie ist umgeben von Pflanzen, die sie hegt und pflegt. Als Baumveredlerin ist sie in ganz Bayern eine gefragte Expertin. Zufriedenheit und Ruhe sind ihr das höchste Gut in ihrem alten Anwesen in Hilgenreith, hoch über Innernzell im Landkreis Freyung-Grafenau. Die Zeit scheint hier ein Weilchen stillgestanden zu haben.
Anni Sigl tritt aus der Haustür ihres Bauernhauses und schlüpft in die alten blauen Plastik-Clogs. Sie schirmt mit der rechten Hand die Augen ab und blickt auf ihren Obstgarten. Zufrieden nickt sie. Die Äpfel-, Birnen- und Zwetschenbäume tragen eine schwere Last, die Ernte ist wieder gut, und auf ihrem alten Holzofen lässt Anni Sigl Marmelade vor sich hinköcheln, die dann in große Gläser abgefüllt wird. Die Bäuerin geht zu „ihrem“ Baum: Er trägt die Apfelsorte, die ihren Namen hat – „Anni Sigl“. Dafür hat sie Topaz und Rubinola miteinander gekreuzt. Heraus kam eine Frucht, die robust und säuerlich ist: Eine Frühwintersorte, die mit dem Klima im Bayerischen Wald gut zurechtkommt. Viel Lob und Anerkennung hat sie dafür bekommen. Auch dieser Baum trägt schon viele Früchte, die geerntet werden können, sobald sie rote Backen bekommen.
Genau 99 Bäume stehen auf dem Grundstück. Sie tragen insgesamt 171 Sorten. Doch das reicht Anni Sigl nicht, sie braucht noch mehr Grün um sich herum. Sie wendet sich vom Obstgarten ab und geht mit zügigen Schritten zum Gemüsegarten. Das hölzerne Türchen schwingt auf, und die Bäuerin zeigt stolz das, was sie gesät hat. Salat in Reih und Glied, von Schnecken verschont, gelbe Rüben, deren Kraut grün aus der Erde sprießt, und buschige Petersilie. Auch Exotisches befindet sich in ihrem Gartl. Zum Beispiel eine Johannisbeersorte aus Tschechien und andere Gewächse von weiter her.
Die Pflanzen aus aller Herren Länder sind ziemlich die einzige Extravaganz, die sich die Witwe gönnt. Ansonsten lebt sie karg, aber glücklich. Der alte Flur führt rechts in eine große Stube. Hier schläft Anni Sigl in einem fein säuberlich aufgeschüttelten Federbett. Darüber hängt der Abrisskalender, immer auf dem neusten Stand − den Tag und seine kommenden Pflichten schon um 5 Uhr morgens im Blick, wenn sie die stets griffbereite Taschenlampe einschaltet. Der Kalender verdeckt ein Stück alte, grün-weiße Tapete. Im anderen Eck der Stube wohnt sie. Ein Tisch bietet auch Besuchern Platz, das alte Porzellan ist poliert und ohne Makel, und auf dem Fenstersims steht die Kaffeemaschine – denn ohne Strom muss und möchte Anni Sigl trotz aller Bescheidenheit nicht auskommen. Doch ihr Herd wird mit Holz beheizt. Er macht das alte Bauernhaus warm, auf ihm wird gekocht. Eine Zentralheizung ist nicht vorhanden, auch kein fließendes Wasser.
Den ausführlichen Bericht lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Altbayerischen Heimatpost
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