Wandern und Schlemmen auf dem Salzburger Almenweg

15.10.2022 | Stand 22.09.2023, 3:37 Uhr

Morgenwäsche auf der Alm: Die Zähne werden am Brunnen geputzt. Die Steinmannhütte liegt auf 1778 Metern am Fuße des Draugsteins.

Von Marion Koller

Anspruchsvolle Wandertouren und ursprüngliches Flair – dafür steht Großarl, eine von vielen Stationen auf dem Salzburger Almenweg.

Den Tisch hat Elisabeth Aichhorn längst gedeckt, als sich ihre 15 Übernachtungsgäste zum Frühstück niederlassen. Es gibt hausgemachte Butter und Heidelbeermarmelade. Elisabeth (Liesi) zerstößt in einer Pfanne Mehl, Butterschmalz und heißes Wasser zu Klümpchen. Das ist das Holzknecht-Muas, das mit der Marmelade zu einer bodenständigen Süßspeise gemischt wird. Während die Gäste kosten, erzählt Liesi vom Almleben. Zusammen mit ihrem jüngsten Sohn und dessen Freunden verbringt sie ihren siebten Sommer auf der Schrambachhütte oberhalb von Großarl. Die 45-Jährige strahlt Zufriedenheit aus. Morgens versorgt sie die drei Schweine, die Kühe, Schafe und Hühner, die tagsüber frei herumstreifen. Mit ihrer Helferin Jasmin produziert sie Käse, stellt Aufstriche her und bäckt Brot. Jasmin arbeitet hauptberuflich als Krankenschwester im niederbayerischen Deggendorf. Für die Alm hat sie sich beurlauben lassen.

„Ein arbeitsreiches, aber ein schönes Leben“

Die Gäste, die nach der Nacht im Stockbett und mit etlichen schnarchenden Fremden im Zimmer steinmüde sind, putzen sich am Brunnen die Zähne, genießen dabei das einzigartige Panorama und brechen dann auf.

Den Wanderern, die tagsüber anklopfen, servieren die Sennerinnen Jausen mit den selbst hergestellten Spezialitäten, vom Speck bis zum Käse. „Es ist ein arbeitsreiches, aber schönes Leben“, sagt Liesi. „Man hat keine Termine. Das ist für den Kopf gut. Und vor allem wachsen meine drei Söhne damit auf.“ Die Schrambachhütte, eine der beiden Draugsteinalmen auf 1800 Metern, gehört zum Hof der fünfköpfigen Familie im Bergsteigerdorf Hüttschlag.

Elisabeth Aichhorn trägt mit dem Almsommer zum Familieneinkommen bei. Für die Übernachtung mit Frühstück verlangt sie 21 Euro. 30 Kilometer lang ist das Salzburger Großarltal. Wegen seiner beinahe 40 bewirtschafteten Hütten wird es „Tal der Almen“ genannt. Seit dem Sommer 2022 servieren die Hüttenwirte Wanderern und Mountainbikern typische Schmankerl. „Jede Hütte hat ein besonderes Gericht“, sagt Thomas Wirnsperger, Geschäftsführer von Großarltal Tourismus. Dazu zählt auch Liesis Jause.

Die Wandergruppe ist am Tag zuvor fünf Stunden lang einen durchaus anspruchsvollen Weg hochmarschiert. Ausgangspunkt ist der Parkplatz Hallmoosalm auf 1350 Metern. Nach einer halben Stunde wird es einem Wanderer zu steil. Er gibt auf und verpasst den Blick vom Kreuzeck (2200 Meter) auf die Hohen Tauern. Unterwegs kann man sich Blaubeeren auf der Zunge zergehen lassen und muss immer wieder Kühen ausweichen, die auf dem Weg ruhen. Das Pfeifen der Murmeltiere ist zu hören. Und wer genau hinschaut, sieht einen Steinadler über dem Tal schweben.

Bei der Mittagsrast auf der Tappenkarseehütte fällt die Wahl schwer. Heidelbeer- oder Kaiserschmarrn? Oder doch lieber einen Strudel? Auch Sennerin Andrea Höller bewirtschaftet die Alm von Juni bis September. „Weil die Natur es vorgibt“, sagt sie. Wegen der Lawinengefahr und des in der kalten Jahreszeit riskanten Zustiegs sei die Hütte aus der Nachbarregion von Großarl acht Monate lang geschlossen. Den Vorgängerbau überrollte 1948 eine Lawine. Dabei kam die damalige Wirtin ums Leben. Ein Schneerutsch im Jahr 2000 ging glimpflich aus. Oft kellnert Tochter Alina Höller, und auch Sohn Samuel hilft, wo er kann.



Grundstücke gibt es nur für Einheimische


Großarl mit seinen 3800 Einwohnern und Hotels für alle Ansprüche war früher bettelarm und dann ein reiner Wintersport-Ort. Heute reisen 54 Prozent der Urlauber zum Skifahren an und 46 Prozent im Sommer. Hauptsächlich Deutsche und Österreicher schätzen die Gegend. Großarl wirbt mit den Almen und der Ursprünglichkeit, den Trendsportarten hat es widerstanden. Etliche Gäste würden dort gerne ein Ferienhaus kaufen, doch weil der Grund äußerst knapp ist, kommen nur Einheimische zum Zug.

Die Tour am nächsten Tag, nach der Nacht in der Schrambachhütte, nimmt mehr Rücksicht auf die Wanderer, die nicht ganz so stramm marschieren möchten. Es geht zum Filzmoossattel auf mehr als 2000 Metern. Von dort steigt die Gruppe ab zur gleichnamigen Alm. Zirben säumen den Weg. Sennerin Christl Prommegger führt der Gruppe vor, wie sie Brot bäckt.

Tochter Bettina Huber serviert Jause und das selbst hergestellte Heidelbeereis. Sie erklärt, warum die Almwirtschaft in Zeiten des Klimawandels besonders schützenswert ist. „Wir sind kleine Betriebe an Steilhängen und arbeiten extensiv. Wir tun etwas für das Tierwohl.“ Das verteidigt auch Sennerin Elisabeth Aichhorn auf der Schrambachhütte. Dass derzeit über den Almabtrieb diskutiert wird, versteht sie nicht. „Es ist doch das Schönste, wenn im Herbst Mensch und Tier wieder gesund nach Hause gehen.“


Autorin Marion Koller recherchierte mit Unterstützung von Großarltal Tourismus und wird auf jeden Fall wieder von Alm zu Alm wandern.


Das Großarltal liegt in den Salzburger Alpen. Zum Gebiet gehören 40 Almhütten, 400 Kilometer Wanderwege und 160 Kilometer Mountainbikerouten. Jede Alm serviert seit 2022 eine Spezialität, von Kaspressknödeln bis zu Heidelbeernocken.

ANREISEN
Mit dem Auto reist man über die Tauernautobahn A10 Richtung Villach und ab Bischofshofen auf der Bundesstraße 311 bis St. Johann/Pongau. Dann biegt man ab auf die Großarler Landesstraße und erreicht nach 16 Kilometern Großarl. Mit dem Zug rollt man bis nach St. Johann im Pongau und von dort mit dem Bus oder per Taxi nach Großarl. Hotels organisieren gerne einen Transfer.

DER ALMENWEG
Der 350 Kilometer lange Salzburger Almenweg bietet Weitwandern in mittlerer Höhenlage. Er ist einer der schönsten Weitwanderwege in den Alpen. Auf 25 Etappen laden rund 120 Almen im Salzburger Pongau zur gemütlichen Einkehr und zur Stärkung mit herzhaften Spezialitäten ein. Erforderlich ist eine Vorreservierung der Hütten vor allem für Gruppen. Ansonsten reicht eine telefonische Anmeldung am Vortag des Eintreffens auf der Alm oder Hütte. Sollte eine Hütte bereits ausgebucht sein, helfen die Almbauern bei der Suche nach einer Unterkunft.

ÜBERNACHTEN
Großarl bietet Übernachtungsmöglichkeiten für jeden Geschmack und Geldbeutel – von Hütten bis hin zu Hotels aller Kategorien, etwa im Vier-Sterne-Haus Tauernhof. Das Hotelrestaurant Schatzarei wurde im Falstaff Restaurant- & Gasthausguide 2022 mit zwei Gabeln (87 Punkten) ausgezeichnet. Küchenchef Andreas Gratz serviert regionale Köstlichkeiten wie Großarler Hirsch, Butternuss-Kürbis oder Hüttschlager Forelle.

www.großarltal.info

www.salzburgerland.com