Wie es ihr Name verrät, sind Island-Pferde in Island beheimatet. Dort sind sie seit Jahrhunderten die einzig existente Pferderasse. Der besondere Charakter der Tiere spiegelt sich auch in dem der Isländer wider. Bei einem Besuch auf der Insel wird die einzigartige Beziehung zwischen Mensch und Tier spürbar.
Sleipnir konnte rennen wie der Wind – kein Pferd soll je schneller gewesen sein als der graue Hengst des Gottes Odin. Das Tier aus der nordischen Mythologie wird als achtbeiniges Pferd dargestellt. Sleipnir war unermüdlich, er trug seinen Reiter überall hin – wenn es sein musste auch in die Unterwelt. Nur einmal soll er ausgerutscht sein, fing sich und setzte seinen Huf auf Island.
Eine Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde kann ein Island-Pferd erreichen. Der Rennpass, die fünfte Gangart, die nur diese Pferderasse erlernen kann, ermöglicht es den Tieren, so schnell zu sein. Beobachtet man die Pferde beim Passen, muss man zweimal hinschauen, um sicher zu gehen, dass nicht acht, sondern vier Beine über den Boden pesen.
Atemberaubende Natur aus besonderer Perspektive
Die ersten Island-Pferde kamen mit den Wikingern um 870 nach Christus auf die Insel. Da sie robust waren und sich gut für das unwegsame Gelände in der isländischen Natur eigneten, beschloss man, keine weiteren Pferderassen dorthin zu bringen. So entwickelte sich eine Reinrasse, die seit 1000 Jahren auf Island gezüchtet wird.
„Island-Pferde sind freundlich und charakterstark. Sie haben einen engen Familienverbund und lernen sie fremde Pferde kennen, öffnen sie auch für sie ihr Herz. Man könnte sagen, dass trifft auch auf die Isländer zu“, sagt Tabea Zimmermann. Die 20-jährige Deutsche lebt seit zwei Jahren auf der Insel und arbeitet als Pferdepflegerin und Touren-Guide im Reitstall IS Hestar in der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Dort hat sie sich ihren Traum erfüllt: Arbeiten mit Pferden, umgeben von atemberaubender Natur. Kein Wunder, dass sie Urlaubern – ob Reitanfänger oder Pferdekenner – ihre Wahlheimat am liebsten hoch zu Ross präsentiert.
Im Tölt – ebenfalls eine Gangart, die neben wenigen anderen Rassen nur Island-Pferde beherrschen – verschmelzen Pferd und Reiter. Während die Beine von Isländer „Magni“ im 4/4-Takt rhythmisch über den Boden fliegen, rutscht der Körper noch tiefer in den Sattel – ein bisschen wie auf Wolken fühlt es sich an, wenn das Pferd seine Vorderbeine nach oben zieht – die Aussicht vom Rücken des Tieres aus trägt ihr Übriges zu diesem Eindruck bei.
Islands Landschaft wurde geprägt und geformt durch jahrtausendelange Vulkantätigkeit, extreme Wetterverhältnisse und das Wirken mächtiger Gletscher. Die Kontraste brachten der Insel daher den Beinamen „Land von Feuer und Eis“ ein. Rund viertausend Jahre alt ist das Lavafeld, an dem „Magni“ vorbei töltet. Es ist bemoost und im Sommer sprießen lila Lupinen aus dem Boden – kleine Farbtupfer in der weiten Landschaft, die sowohl einen Blick aufs blaue Meer als auch grüne Hügel, Berge und Vulkane freigibt.
1,45 Meter hoch sind Island-Pferde, doch sie als Pony zu bezeichnen, wäre sträflich – zumindest verstehen die Isländer, was das betrifft, keinen Spaß. „Man ist hier sehr stolz auf die Pferde, sie haben einen besonderen Stellenwert. Auf etwa 380000 Einwohner kommen 92000 Pferde. Man verhätschelt sie hier nicht so, denn sie sind nicht nur zum Reiten da, sondern werden auch als Nutztiere gehalten“, erzählt Tabea.
Größe, Charakter und Gangarten – Island-Pferde sind einzigartig und das nicht nur in den Augen der Inselbewohner. Diese präsentieren ihre besten Tiere alle zwei Jahre bei einem besonderen Event: Landsmót Hestamanna – zu deutsch: das Landestreffen für Pferdeleute. 2024 findet das Turnier im Juli in Reykjavik statt. Schritt, Trab und Galopp – neben den drei üblichen Gangarten von Pferden werden auf Landsmót auch der Tölt und der Rennpass gezeigt und in mehreren Wettbewerben eine Woche lang die Pferde gesucht, die die Gangarten am saubersten, schnellsten und beeindruckendsten präsentieren.
Für Island-Pferde gibt es kein Zurück
Auch viele deutsche Züchter und Pferde-Fans zieht es in diesen Tagen nach Reykjavik. Immerhin leben rund 70000 Island-Pferde in Deutschland und werden dort auch gezüchtet. Und nicht selten finden Interessierte auf dem Turnier gute Adressen von Reitställen, die Pferde verkaufen und nach Deutschland exportieren.
Auf Landsmót mit dabei sind auch Jóhanna Margrét Snorradóttir und ihr Lebensgefährte Gústaf Ásgeir Hinriksson. In der Viergang-Prüfung sichert sich der Isländer in diesem Jahr den begehrten ersten Platz auf dem Turnier. Jóhanna wird Fünftplatzierte. Mit ihrem Pferd Bárður gewann sie 2023 die Weltmeisterschaft für Islandpferde im niederländischen Eindhoven. Doch für ihren Sieg zahlte die 27-Jährige einen hohen Preis: Einmal ins Ausland gebracht, dürfen Pferde nicht zurück nach Island – zum Schutz der Rasse vor Krankheiten. „Es fiel mir unglaublich schwer, ihn dazulassen, obwohl ich weiß, dass es ihm in der Schweiz, wo er bei seinem neuen Besitzer lebt, sehr gut geht. Die Regeln sind für uns hart, aber es ist der einzige Weg, um zur WM zu kommen“, erzählt die Profireiterin.
„Reiten ist kein Sport, man sitzt ja nur auf dem Pferd“ – es gibt wohl keinen Reiter, der diesen Satz noch nicht gehört hat. Dass dabei jede Menge Muskeln beansprucht werden, zeigt sich auch nach einem Austritt durch Islands Natur. So bequem der Tölt auch ist – spätestens am nächsten Tag meldet sich der Muskelkater. Glücklicherweise gibt es in Island viele Möglichkeiten zum Erholen. Das Land ist reich an heißen Quellen, was man sich bei der Energieversorgung gerne zunutze macht.
Direkt im Hauptstadtgebiet liegt eines der vielen öffentlichen Thermalbäder Islands, die Sky Lagoon. Dort ist Nomen gleich Omen, denn die geothermische Lagune wurde wie ein Infinity-Pool gestaltet. Im 40-Grad warmen Wasser entspannen sich geschundene Muskeln. Und dann ist da noch der Blick auf die Weite des Nordatlantiks und die nicht untergehen wollende Sonne am Abendhimmel. Dabei schweifen die Gedanken ab – ein Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit stellt sich ein, ähnlich spürbar sonst nur auf dem schwingenden Rücken der Pferde.
Island ist ein nordischer Inselstaat, dessen Natur von Vulkanen, Geysiren, Thermalquellen und Lavafeldern geprägt ist. Die Hauptstadt Reykjavik, an der Küste gelegen, ist mit 140000 Einwohnern die größte Stadt des Landes.
ANREISEN
Per Direktflug von München mit Air Iceland oder Lufthansa nach Reykjavik in knapp vier Stunden.
ÜBERNACHTEN
Das modern gestaltete Exeter Hotel in der Gegend des alten Hafens von Reykjavik ist ein zentraler Ausgangspunkt, um die Hauptstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten wie die schon von Weitem sichtbare Kathedrale Hallgrímskirkja zu Fuß zu erkunden.
www.iceland.de
www.landsmot.is
www.horsesoficeland.is/de
Redakteurin Sarah Woipich recherchierte vor Ort auf Einladung von Horses of Iceland und Business of Iceland.
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