Wer zum reinen Badeurlaub ans Meer will, der ist auf der Wattenmeerinsel Fanö an der Westküste Dänemarks fehl am Platz. Die langen Strände bieten viel mehr und sind ein Entdeckerparadies – gerade für Familien.
Es ist ein kühler Tag Anfang September auf Fanö. Helen Dörte Mähler räumt am Strand von Sonderho Kescher, Eimer und Ferngläser aus ihrem Auto. Vor ihr steht eine Gruppe deutscher Urlauber in warmen Jacken, kurzen Hosen und Badelatschen. Sie alle hoffen darauf, bei der Wattwanderung Robben zu sehen. „Die Schuhe könnt ihr da lassen“, sagt Mähler. „Die braucht ihr nicht, schließlich wollen wir nachher tanzen.“ Was sie damit meint, wird den Teilnehmern erst später im Watt klar.
Helen Dörte Mähler steuert ein Wasserloch an. Obwohl Ebbe ist, hat sich hier ein kleiner Teich gebildet. Als sich die Gruppe nähert, fliegen viele Möwen kreischend weg. Die Vögel waren gerade beim Muschel-Frühstück und fühlen sich nun hörbar gestört. „Besonders schmecken ihnen die Herzmuscheln“, sagt Mähler und fischt ein Exemplar aus dem Wasser.
Wie die Vögel an diese Köstlichkeit kommen, zeigt sie den staunenden Touristen. Sie stellt sich ins Wasser und trippelt mit beiden Füßen auf der Stelle. Die Gruppe macht es ihr nach und beginnt zu tanzen wie es die Möwen tun. Nach wenigen Sekunden verschwindet der Wattboden und jeder kann unter den nackten Füßen Muscheln spüren. „Und nun bin ich gespannt, wer die größte Herzmuschel ausbuddelt“, sagt sie schmunzelnd.
Hamburgerin hat ihr Herz an Fanö verloren
Die 42-Jährige ist ein Profi, wenn es um das Watt geht. Sie weiß, dass ein Wattwurm 20 Kilogramm Sand pro Jahr reinigen kann, dass die Alge namens „Meeressalat“ zwar salzig schmeckt, aber tatsächlich essbar ist, und wie man das Geschlecht einer Krabbe erkennt. Dieses Wissen gibt die gebürtige Hamburgerin mehrmals pro Woche bei Führungen an Urlauber weiter. Jahrelang kam sie selbst als Touristin auf die Insel. Seit neun Jahren lebt und arbeitet sie hier.
Fanö ist die nordöstlichste Wattenmeerinsel Dänemarks. Von Esbjerg aus gelangt man in zwölf Minuten mit der Fähre nach Nordby, neben Sonderhö ist das die zweite Stadt auf der Insel. Während das Gesicht der Westseite von haushohen Dünen und breiten Stränden geprägt ist, findet man in der Mitte der Insel Kiefernwälder und auf der Ostseite einen Streifen Marschland mit Salzwiesen. Wer ausreichend Kondition hat, kann alle Facetten an einem Tag mit dem Rad entdecken. Geprägt ist die Insel von vielen kleinen Ferienhäuschen. Die Einwohner sind herzlich und gastfreundlich. Ein Flair, dass es Helen Dörte Mähler angetan hat.
Die jungen Robben sind besonders neugierig
Die Naturführerin marschiert weiter, bis die Gruppe das Wasser erreicht. Auf einer nur hundert Meter entfernten Sandbank sind dann tatsächlich die Tiere zu sehen, auf die sich an dem Tag alle gefreut haben: An die 50 Kegelrobben und Seelöwen. Mähler geht ein paar Schritte ins Meer und macht mit lauten Rufen auf sich aufmerksam. „Die jungen Robben sind meistens sehr neugierig und kommen oft nah ans Ufer“, erzählt sie. Es dauert nicht lange, bis plötzlich zwei Tiere zehn Meter von der Gruppe entfernt ihre Köpfe aus dem Wasser strecken. Ein Erlebnis, mit dem an diesem Tag wohl niemand gerechnet hätte.
Auf Tuchfühlung kann man mit Kegelrobben und Seelöwen auch auf dem Festland gehen – im Fischerei- und Seefahrtsmuseum in Esbjerg. Neben Ausstellungen, die von der Geschichte der Fischerei in Dänemark erzählen, gibt es auch ein Aquarium sowie ein Robbenarium mit vier Kegelrobben und Seelöwen. Zweimal pro Tag werden die Tiere vor Publikum gefüttert. Dass sie auch Tricks können, wie sich schwimmend auf Kommando zu drehen oder mit den Flossen auf der Wasseroberfläche zu klatschen, sorgt vor allem bei Kindern für Begeisterung.
Auch das Wattenmeerzentrum bei Ribe ist auf den Besuch von Familien ausgerichtet. Das architektonisch markante Gebäude liegt an einem Naturgebiet, das 2010 zum Nationalpark erklärt wurde. Gleichzeitig ist das Wattenmeer in Dänemark auch UNESCO-Weltnaturerbe. Eine Hauptrolle spielen hier die Zugvögel, die das Gebiet zu einem einzigartigen Lebensraum machen.
Imposante Show: Das Ballett der Stare
Genau damit beschäftigt sich die 1000 Quadratmeter große, interaktive Ausstellung im Wattenmeerzentrum. Bei Nationalpark-Führungen können Besucher die Vögel in ihren Lebensräumen auch hautnah erleben, wie bei einer Tour mit Emil Vesterager. Der Biologe ist für die Führung „Schwarze Sonne“ zuständig. Dabei bringt er Besucher zu den Übernachtungsplätzen der Stare, um die Vögel beim Einflug beobachten zu können. „An einem stillen, trockenen Abend mit vielen Greifvögeln kreisen ihre Formationen stundenlang am Himmel“, erzählt er. Manchmal sind an die 400 000 Vögel auf einmal zu sehen, die vor der untergehenden Sonne „ein Ballett aufführen“, wie Emil Vesterager sagt. An diesem Tag ist es eher unspektakulär. Die Greifvögel haben anscheinend keinen Hunger und die Stare kommen nach ihrem Einflug schnell zu Ruhe.
Kleinstadtflair und das Meer in seiner ganzen Schönheit
Der Ausflug in diese Ecke an der dänischem Westküste lohnt sich aber dennoch, gerade wenn man noch einen Besuch von Ribe einplant, der ältesten Stadt Dänemarks. Wenn man durch den Stadtkern mit seinen historischen Gebäuden und dem imposanten Dom spaziert, fühlt man sich nach wenigen Minuten ins Mittelalter zurückversetzt. Und wer noch mehr über die Geschichte Dänemarks erfahren will, kann auch dem Wikingermuseum noch einen Besuch abstatten.
Doch so schön die Städte Esbjerg und Ribe mit ihren vielen Ausflugsmöglichkeiten auch sind – wer sein Herz an die Strände auf der Insel Fanö verloren hat, der braucht letztlich kein großes Programm. Das Meer zeigt jeden Tag ein anderes Gesicht und bringt ständig Neues zum Vorschein. Und so wird stundenlanges Wandern und Radfahren entlang dem Wasser, Drachen steigen lassen oder einfach nur den Blick in die Ferne schweifen lassen selbst nach einer Woche Urlaub nicht langweilig.
INFORMATIONEN
Die Wattenmeerinsel Fanö liegt in der Nordsee westlich der dänischen Region Jütland – etwa 50 Kilometer von Sylt entfernt.
ANREISEN
Mit dem Auto quer durch Deutschland und bei Flensburg über die dänische Grenze bis nach Esbjerg. Von dort verkehren im 20-Minuten-Takt Fähren nach Nordby.
ÜBERNACHTEN
Die Insel Fanö ist geprägt von vielen kleinen Ferienhäusern – angefangen von einfacher Ausstattung bis hin zum Luxushäuschen. In einigen von ihnen sind sogar Hunde erlaubt. Vermietet werden diese von verschiedenen Agenturen, beispielsweise von Admiral Strand. Übernachtungen sind auch auf zwei Campingplätzen möglich.
TIPPS
Viele Aktivitäten, wie die Robbensafari oder Blokart-Fahren am Strand, bietet Club Fanö. Fahrräder können vielerorts ausgeliehen werden, wie etwa bei Fanö-Bikes.
www.visit-denmark.de
Redakteur Andreas Nigl recherchierte auf Einladung von VisitDenmark auf der Insel Fanö.
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