Mutter und Kind allein in New York

31.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:33 Uhr

Die Brooklyn Bridge sollte man bei Tag als auch bei Nacht erleben. Ein besonderer Blickwinkel eröffnet sich vom Wasser aus. −Fotos: Isolde Stöcker-Gietl

Von Isolde Stöcker-Gietl

Die Stadt, die niemals schläft, bietet an jeder Ecke kostspielige Versuchungen. Aber wer will, kann die Metropole auch mit wenig Geld erstaunlich gut erkunden.

Es wirkt wie ein schrilles Pop-Art-Kunstwerk aus Zucker. In blau, grün, rot, gelb, violett türmen sich die Schokolinsen in meterlangen Plastikrohren. Ein Farbrausch auf drei Stockwerken. Meine 14-jährige Tochter Johanna und ich stehen in der M&M-World am Times Square in New York. Nicht zum ersten Mal. Der Laden ist ein Touristen-Magnet. Der größte seiner Art weltweit. Dennoch frage ich mich, warum diese mit Zuckerguss umhüllte Schokolade, die zwar effektvoll ausgestellt wird, aber kein bisschen besser schmeckt als aus der Tüte, so unverschämt teuer sein kann. Acht Dollar und 50 Cent für ein halbes Pfund. Dennoch verlässt kaum jemand den Laden ohne Tüte. Es ist nicht leicht, den allgegenwärtigen Verführungen in New York zu widerstehen. Umso wichtiger ist es für Familien, auch Plätze zu kennen, an denen der Nachwuchs ohne zusätzliche Kosten seinen Spaß haben kann.

Die wichtigste Regel dafür lautet: das Drehkreuz Times Square so gut es geht meiden. Freilich nicht ohne zuvor ein paar Schnappschüsse mit den bunten Leuchtreklamen im Hintergrund gemacht zu haben. Wer ein Broadway-Stück besuchen möchte, findet hier die Verkaufsstände für vergünstigte Restkontingente. Auch der „Naked Cowboy“ – ein spärlich bekleideter Mann mit Gitarre und Cowboyhut – dreht am Times Square seine Runden und ist ein beliebtes Fotomotiv. Und im Zugang zur Metro spielen täglich tolle Musiker Gratiskonzerte. Dorthin schiebe ich meine Tochter, bevor der Tag noch zwischen Süßkram und Bekleidungsketten endet.

Wir fahren in den Financial District. Schon die Ankunft ist besonders. Als ich das letzte Mal hier war, standen noch die Türme des World Trade Centers. Jetzt breitet das Oculus, die neue Halle über den Gleisen, seine symbolträchtigen und an eine Friedenstaube erinnernden Stahlflügel aus. Es ist mit vier Milliarden US-Dollar Baukosten der teuerste Bahnhof der Welt. Hier reiht sich wieder Shop an Shop. Also schnell weiter. Wie so viele Menschen verharren wir danach lange an den beiden Wasserbecken, an denen mehr als 3300 Namen eingraviert sind: die Toten der Anschläge des 11. Septembers 2001.



Instagram-Bulle und kostenlose Fähre


Weil wir bereits vor unserer zehntägige Reise den New York City Pass besorgt haben, besuchen wir auch das 9/11 Memorial and Museum – eine der im Preis enthaltenen Attraktionen. Während Erwachsene sich hier stundenlang in die Bilder und Geschichten der Opfer der Anschläge vertiefen können, tun sich Kinder schwer, diesen historischen Tag nachzuvollziehen und verlieren leider schnell das Interesse.

Über die Wallstreet – die lange Schlange am goldenen Bullen, einem beliebten Instagram-Motiv, meiden wir – geht es weiter in den Battery Park. Hier können sich kleinere Kinder auf dem Spielplatz austoben, bevor es auf die für Metro-Card-Besitzer kostenlose Fähre nach Staten Island geht. Die Fahrt bietet einen erstklassigen Blick auf die Freiheitsstatue. Auf Staten Island gibt es ein Outlet. Wer sparen will, nimmt gleich die Fähre zurück.

Der nächste Tag beginnt mit einem Besuch im American Museum of Natural History. Auch dieser Eintritt ist im New York City Pass enthalten. Vor allem kleinere Kinder werden von den Dinosaurier-Modellen oder dem mächtigen Blauwal begeistert sein. Wir durchqueren den Central Park zum Metropolitan Museum of Art (kurz MET) an der Fifth Avenue (Eintritt für Erwachsene 30 Dollar, Kinder bis 12 Jahre frei). Hier befindet sich eine der bedeutendsten kunsthistorischen Sammlungen der Welt. Darunter der ägyptische Tempel von Dendur, der immer wieder als Filmkulisse dient, zum Beispiel in „I am Legend“ oder „Harry and Sally“. Im MET unbedingt einen Abstecher auf die Dachterrasse machen! Von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf den Central Park! Und dort lassen wir den Tag auch ausklingen: am Strawberry Field, der Gedenkplatte für den nur wenige Meter entfernt vor dem Dakota-Building erschossenen Musiker John Lennon. Was hier und an vielen anderen Orten in New York unangenehm auffällt, sind die Social-Media-Fotografen. Sie wälzen sich auf der Gedenkstätte für einen ermordeten Menschen, um die perfekte Pose für viele „Likes“ zu finden. Wie viele sich von ihnen wohl schon mit John Lennons Werk und seiner Biografie auseinandergesetzt haben?

Der Central Park, die grüne Lunge Manhattans, ist wegen der zutraulichen Eichhörnchen und des bunt gemischten Vogelchors regelmäßiger Rastplatz während unserer Reise. Hier gibt es Kletterfelsen, Spielplätze, Rad- und Bootsverleih und sogar einen kleinen Zoo, um etwas auszuspannen und die Eindrücke zu verarbeiten.

Eine Seilbahn in New York? Ja, auch das gibt es. Sie führt allerdings nicht auf einen Berg, sondern über den East River. Das Erlebnis ist mit Metro-Wochenkarte kostenlos. Zwar dauert die Fahrt nach Roosevelt Island nur wenige Minuten, aber sie bietet einen tollen Blick auf Manhattan. Diese Attraktion war übrigens auch schon Filmkulisse: Im ersten „Spider-Man“ mit Tobey Maguire. Apropos Film: Im Stadtteil Tribeca liegt die Feuerwache Ladder 8, in der „Ghostbusters“ gedreht wurden. Sie ist einen Abstecher wert und auch nicht zu übersehen!

Die Qual der Wahl mit den Aussichtsplattformen

Wer nach New York reist, der will, nein, der muss die Stadt einmal, vielleicht auch zwei oder dreimal von oben sehen. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Aussichtsplattformen, die Manhattan aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigen. Wir haben mit Top of the Rock (am Rockefeller Center mit dem besten Blick auf Empire State Building und Central Park) sowie dem Klassiker Empire State Building (unterhaltsame Mitmach-Stationen in der Schlange zu den Aufzügen) zwei Optionen im New York City Pass. Beim Instagram-Publikum ist wegen optischer Spielereien und der barrierefreien Sicht Summit One Vanderbilt sehr beliebt. Hier gibt es auch einen gläsernen Außenaufzug (gegen Aufpreis). „The Edge“ liegt im neuen In-Viertel Hudson Yards und das One World Observatory bietet den besten Blick auf die Freiheitsstatue.

Zu einer New York-Reise gehört ebenso ein Spaziergang über die Brooklyn Bridge. Die schönste Perspektive eröffnet sich, wenn man von Brooklyn aus losläuft. Wir wählen als Ausgangspunkt Borough Hall und bummeln noch durchs Viertel Dumbo. Dort wird in der Brooklyn Icecream Factory das angeblich beste Eis der Stadt verkauft. Mit der süßen Bestechung ist auch Kindern der Weg über die Brücke nicht zu lang.

Eine weitere Perspektive auf die Stadt bietet das Wasser: der Hudson und der East River. Wer zu abendlicher Stunde auf die Astoria Line von Pier 11 (Wallstreet) nach Roosevelt Island hochfährt, durchquert die Brooklyn Bridge und hat einen fantastischen Blick auf die beleuchtete Metropole – und das für einen unschlagbaren Preis von vier Dollar. Wir haben die zweistündige Habour Lights Tour mit Circle Line gebucht, die ebenfalls im New York City Pass enthalten ist. Die Freiheitsstatue im Sonnenuntergang oder die Brooklyn Bridge im goldenen Lichterglanz gehören zu den Höhepunkten unserer Reise.

Darf es auch ein bisschen Meer sein? Die Halbinsel Coney Island liegt an der Südspitze von Brooklyn. Das erfrischende Bad im Atlantik ist kostenlos. Die Fahrgeschäfte in den benachbarten Vergnügungsparks sind allerdings in die Jahre gekommen. Mit einer Ausnahme: Cyclone, eine Holzachterbahn von 1927, genießt trotz ihres Alters Kultstatus. Pro Fahrt sind zehn Dollar fällig.

Eine weitere Tour führt uns ins westliche Manhattan. The Vessel, ein imposantes Kunstwerk, ist Beginn der High Line. Bevor es auf den 2,5 Kilometer langen Park auf einer früheren Güterzugtrasse geht, will mein Teenager noch ins angrenzende Einkaufszentrum. New York ist eben auch für seine Shopping-Meilen berühmt. Übrigens: Unsere letzten Dollar haben wir vor dem Abflug in bunte, überteuerte Schokolinsen investiert.


Redakteurin Isolde Stöcker-Gietl reiste privat mit ihrer 14-jährigen Tochter Johanna nach New York.


New York, die größte Stadt der USA, liegt an der Atlantik-Küste und ist von München aus in knapp neun Stunden mit dem Flugzeug zu erreichen.

ANREISE
Von München aus gibt es Direktflüge mit Lufthansa. Die Preise variieren je nach Reisemonat stark. Einfache Flüge kosten ab 351 Euro bis 732 Euro zur Ferienzeit.

EINREISE
Für die Einreise benötigt man einen noch sechs Monate gültigen Reisepass und die ESTA (21 Dollar p. P.), eine befristete Einreiseerlaubnis, die vorab beantragt werden muss. Die Einreisekontrollen sind streng.

ÜBERNACHTEN
In New York gibt es vom billigen Hostel bis zur Luxusherberge ein riesiges Angebot. Bewertungsportale bieten einen guten Überblick.

VERKEHR
Drei Häuserecken sind in New York schnell 10000 Schritte. Deshalb ist es ratsam, eine Wochenkarte für die Metro zu kaufen.

EINTRITTE
Eintritte gehen ins Geld. Deshalb lohnt sich vor der Reise die Anschaffung eines New York City Passes. Darin enthalten sind acht Attraktionen aus denen fünf ausgewählt werden können (darunter Empire State Building, Top of the Rock Observation Deck und verschiedene Schiffstouren). Preis für einen Erwachsenen und ein Kind: 255 Euro. Einige Museen bieten „Pay what you will“, zahl was du willst, an.

https://esta.cbp.dhs.gov/

www.citypass.com

www.newyork.de