In Flims Laax braucht es fürs Surfer-Feeling kein Meer

06.01.2023 | Stand 17.09.2023, 6:09 Uhr

Was die Könner unter den Freestylern zeigen, lässt dem 08/15-Skifahrer schon beim Zuschauen den Atem stocken. −Foto: Philipp Ruggli

Von Katrin Detzel

Keine Partyhits zum Mitgrölen, kein exzessives Après Ski, keine Schickimickis in Champagnerlaune. Laax ist anders. Das Publikum ist jung, international und cool. Das Dorf im Schweizer Kanton Graubünden gilt als Mekka der Freestyle-Szene. Und die Freestyler haben ihren ganz eigenen Lifestyle.

Surfen ist ein Menschenrecht“, davon ist Reto Poltera überzeugt. Dumm nur: „Es hat halt nicht überall ein Meer.“ Davon kann er als gebürtiger Züricher ein Lied singen. Als Kind war er jedes Wochenende in den Bergen, liebte den Winter und wuchs auf den Skiern auf. Wenn er heute ganz normal Ski fährt, ist ihm nach einer Stunde stinklangweilig.

Das Lebensgefühl, das alles änderte, lernte der 52-Jährige kennen, als er nach dem Studium nach Kalifornien ging, um Bindungen für Snowboards zu entwickeln. „Skateboarden, Surfen und Snowboarden – das ist Kalifornien“, schwelgt Poltera in Erinnerungen. Wann immer der junge Reto damals frei hatte, stand er auf einem Brett. Die Faszination, die Wellen unter sich zu spüren, ließ ihn nicht mehr los. Das nötige Startkapital, um dieses Gefühl in seine Heimat mitzunehmen und zu etablieren, lieferte eine Ratsche für Snowboardbindungen. Er erfand das Ding, verkaufte das Patent und eröffnete Anfang der 90er Jahre mit dem Geld zusammen mit einem Freund eine Snowboardschule in Laax.

Weil er auf den breiten Pisten wenig Spaß hatte, baute er sich kurzerhand seine Wellen in den Schnee. An der ersten Halfpipe wurde damals eine Woche per Handarbeit und Bagger gearbeitet. Heute erledigen die Maschinen das binnen zwei Stunden. Bis zum Freestyle-Eldorado in Laax war es noch ein weiter Weg, doch der Anfang war gemacht. Untertags arbeitete Poltera in der Skischule, nachts baute der gelernte Karosseriebauer die Rails für den Snowpark. Zwischendurch nahm er als Profi-Snowboarder an Wettkämpfen in aller Welt teil. Mit Erfolg, Ende der 90er stand er sogar mal auf Platz sechs der Weltrangliste. „Wir waren so infiziert, da war alles andere egal“, erinnert er sich an die Zeit, als die Subkultur Snowboard allmählich die breite Masse eroberte.

17 Shaper halten die Snowparks in Schuss

Über zwei Jahrzehnte ist das her. Aus den ersten Wellen im Schnee hat sich eine amtliche Spielwiese entwickelt. Vier Showparks mit über 90 Hindernissen gibt es heute im Areal unterhalb des Crap Sogn Gion. Ein Team von 17 „Shapern“ ist im Schichtbetrieb sogar nachts damit beschäftigt, diese in Form zu halten und stetig umzubauen, damit die Saison über Abwechslung geboten ist. Bei genug Schnee gibt es drei Halfpipes verschiedener Größen. Eine soll mit 200 Metern Länge, 22 Metern Breite und 6,90 Metern Höhe gar die größte der Welt sein. Wer sich in „The Beast“ traut, der kann’s.

Das Café „No name“ ist eine Art Basislager der Freestyler. Früher war das Gebäude eine Kläranlage, jetzt ist es berühmt für seinen guten Kaffee. Während er auf der Terrasse den Nachwuchs bei den Tricks beobachtet, erzählt Poltera von dem Skandal als vor rund 15 Jahren der Snowpark entstand.

„Das war ein Konflikt der Generationen, weil wir den Skifahrern vier Kilometer Piste ,geklaut’ haben. Da haben sie sogar bei euch im deutschen Fernsehen berichtet.“ Für Laax als Freestyle-Destination war es der Durchbruch. Und die Skifahrer, die beruhigten sich auch wieder. Bei 224 Pistenkilometern kommt es auf vier mehr oder weniger nicht an.

Zwei Millionen Euro kostet der Unterhalt dieser Spielwiese der Sprünge und Hindernisse im Jahr. „Eine Investition, die sich lohnt, weil das die Jugend auf dem Schnee hält“, ist Poltera überzeugt. „Die Kids sollen Spaß haben“, das ist ihm oberstes Ziel. Wobei die „Kids“, die er da meint, nicht unbedingt jung sein müssen. Denn Freestyle ist keine Frage des Alters, sondern der Einstellung. Das weiß der Ü50-Pionier der Szene wohl selbst am besten.
Ein paar Meter oberhalb, vom „Galaaxy“ aus, ist der Blick auf den Showpark am besten. Nomen ist Omen, die Bergstation mit Restaurant, Kino und Coworking-Space auf 2252 Höhenmetern wurde 2017 unter dem Motto „Raumschiff“ renoviert. Der Besuch fühlt sich an, als sei das „Traumschiff Surprise“ versehentlich auf der Piste aufgeschlagen. Die rosafarbene Sahne auf der heißen Schokolade wäre sicher voll nach dem Geschmack von Mr. Spuck, Käpt‘n Kork und Schrotty.

Doch an diesem Tag gibt es Wichtigeres als das Ambiente. Es sind nämlich die Schweizer Meisterschaften der Freestyler, und die Halfpipe liegt direkt unterhalb der großen Panoramafenster des Restaurants. Die Sprünge, die die Könner hier zeigen, treiben dem 08/15-Pistenfahrer schon beim Zuschauen den Puls in die Höhe. Es bleibt nur eins: schweigend staunen.

Für die eigenen zögerlichen Versuche tut es der „Beginner“-Snowpark vollauf. Unspektakulär sehen die Hindernisse hier aus. Gerade mal zehn Zentimeter ragt eine grüne Box aus dem Schnee. Über sie geht es als Erstes. Anfahren, drehen, seitlich drüberrutschen, weiterfahren. Läuft. Zwar nicht schnell, aber sturzfrei. Darauf lässt sich aufbauen. „Wenn man es richtig macht, ist es ganz einfach. Aber…“, ist der Satz, der in den nächsten zwei Stunden am häufigsten fällt. Doch der Freestyle-Lehrer hat es drauf. Auch wenn seine Anfänger an diesem Tag ein paar Jahrzehnte älter sind als gewohnt. Die Herausforderungen bleiben zwar im Miniformat, doch sie machen ein bisschen stolz und ganz arg hungrig.

Zum Mittagessen geht es rüber auf die Flimser Seite. Dort ist es ursprünglicher, traditioneller. Weniger Coolness, mehr Gemütlichkeit. In der „Stalla Alpe Nagens“ kommt der Käse fürs Raclette direkt aus der Käserei nebenan. Am offenen Feuer schmelzen die großen Laibe vor sich hin, bis wieder eine Schicht zähflüssiger Käse abgeschabt wird. Die Hitze und der würzige Duft ziehen über die rustikalen Tische. Leichte Küche sieht anders aus, aber wer wird sich schon in Graubünden dem Käse verweigern? Unbedingt probieren sollte man auch die Capuns, eine regionale Spezialität aus Spätzleteig, der mit kleingeschnittenem Bündnerfleisch vermischt, zu Rollen geformt, mit Mangold umwickelt, angebraten und mit Käse überbacken wird. So ein Tag auf der Piste verbrennt ja auch ein paar Kalorien.

Die „Indy-Bar“ als abendlicher Treffpunkt

Zurück im „Rocks Resort“, wo auch die Talstation ist, liegt alles nur ein paar Schritte voneinander entfernt. Einige Kilometer außerhalb des Dorfes Laax ist hier ab 2009 eine kleine Welt für sich entstanden. Untergebracht in elf grauen Gebäude-Würfeln, gibt es Restaurants, Geschäfte, Skiverleih, Apartments und Hotels. Um eine Art Piazza herum ist alles angesiedelt, was es braucht.

Sogar ein Museum, wenn auch kein offizielles. Die „Indy“-Bar ist abendlicher Treffpunkt der Snowboarder. Sie ist mit Oma-Couch und skurrilen Dekostücken gemütlich und kultig zugleich. Eigentliche Attraktion sind die Wände. Sie erzählen in über 300 Fotos die Geschichte des Snow- und Skateboardens sowie Surfens und zeigen die Entwicklung hin zu dem Laax, das es heute ist. Reto Poltera ist im „Indy“ omnipräsent. Es sind seine Surfbretter, die an den Wänden hängen. Und auch viele der Fotos zeigen ihn. Auf dem aktuellsten trägt er eine dicke Pelzkappe und ist zu Besuch in Peking, wo er für die olympischen Spiele die Halfpipe planen durfte.

Ins „Indy“ kommt der 52-Jährige gerne. „Auf ein, zwei gemütliche Drinks. Denn Après Ski, das ausartet, machen wir hier nicht“, erklärt er. Viel wichtiger seien der Austausch, die Begegnung. Wenn Wettkämpfe sind – der berühmteste ist das Laax Open – dann kommt die Weltelite der Freestyler in die Bar. „Die sitzen dann hier bei einem Bier, und sprechen mit jedem. Abgehoben ist da keiner.“

Die Weltelite ist an diesem Abend nicht da. Aber viele andere, die den Tag im Schnee bei chilliger Rockmusik ausklingen lassen, eine Runde Tischkicker spielen oder sich im Baumstamm-Nageln versuchen. Keine fiese Partymucke, keine lallende Anmache. Schließlich gilt es, morgen fit zu sein. Man könnte sich gewöhnen an diesen Laaxer Lifestyle.


Redakteurin Katrin Detzel reiste auf Einladung der Weiße Arena Gruppe, die zuständig ist für die Vermarktung der Destination Flims Laax Falera.


Das Skigebiet Films Laax Falera liegt im Schweizer Kanton Graubünden und verfügt über 224 Pistenkilometer. Es gilt als schneesicher, da 70 Prozent des Skigebiets zwischen 2000 und 3000 Höhenmetern liegen.

ÜBERNACHTEN
Im „Rocks Resort“ gibt es Apartments und Hotels verschiedener Kategorien. Etwa das puristische „Riders Hotel“ mit vegetarischem Restaurant, „Zero Waste“-Konzept und für die Schweiz moderaten Preisen. www.ridershotel.com.

WISSENSWERTES
Die Inside Laax App ist ein Begleiter durch die Destination – von der Wartezeit am Lift über Wetterbericht und Webcam bis zur Tischreservierung und dem Ticketshop.

GREENSTYLE
Neben Lifestyle und Freestyle eines der drei Marketing-Schlagworte. Ehrgeiziges Ziel ist es, mit Hilfe eines Umwelt- und Klimakonzeptes den Energiebedarf der Destination künftig zu 100 Prozent aus klimafreundlichen, regionalen Quellen zu decken. Es gibt einen eigenen Klimaschutzmanager und viele Projekte. Zum Beispiel den „Last Day Pass“ auf dem Vorab-Gletscher, das Ticket für den Tag, der hoffentlich niemand kommt. Mit dem Kauf unterstützt man Klimaschutzprojekte, um die Gletscherschmelze zu verlangsamen.

ABSEITS DER PISTE
Freestyle Academy: Schlechtwetter-Alternative zum Üben von Sprüngen und Tricks, www.freestyleacademy.com.
Baumwipfelpfad: im Juli 2021 eröffnet, auf eineinhalb Kilometern Länge, animierte Figuren sensibilisieren für Flora und Fauna.

www.flimslaax.com