Oldtimer, Opern, Olivenöl – Brescia hat alles zu bieten, was man von einer Stadt in Norditalien erwartet. Der Trumpf der Provinzhauptstadt ist die lange Historie, die die Brescianer jährlich zum Leben erwecken.
Mit einem Schild steht Francesca Morandi in der Halle „Arrivi“ des Flughafens in Mailand. Die Brescianerin fährt für einen Shuttle-Service, und zeigt Touristen gerne, wo sie lebt und arbeitet. „Ich liebe meine Stadt“, schwärmt sie, „und will, dass jeder ihre Schönheit sieht“. Noch ist Brescia unter Italien-Urlauber ein Geheimtipp. Die Stadt selbst will zeigen, dass sie durchaus mit dem Metropolen Mailand und Venedig oder dem Gardasee in unmittelbarer Nähe mithalten kann.
In Brescia fühlt man sich in Italien wie aus dem Bilderbuch, soweit das Auge reicht und die Füße tragen. Eine Tour durch die Stadt gleicht einer Reise durch die Geschichte. Nahezu lückenlos werden 2000 Jahre Vergangenheit anhand von Piazza, Tempel und Kathedralen greifbar.
So lassen es sich an der Piazza Paolo VI (Domplatz) – wo ein Cappuccino zwei Euro kostet – die Brescianer gut gehen. Benannt ist der Treffpunkt nach Papst Paul VI., der aus Brescia stammte. Ab dem Vormittag sind die Sonnenschirme aufgespannt und die Stühle darunter teils schon besetzt. Zum Aperitif samt Oliven, Käse und Gebäck ist laut Stadtführerin Luisa Botticini das Bestaunen anderer Leute Brauch – „wir sagen dazu: Auf alte Tanten machen“, erklärt sie. So werden diejenigen begutachtet, die zwischen den beiden Brunnen hin und her schlendern.
Grande Finale im Kulturerbe
Auf nur wenigen Metern erstreckt sich hier Geschichte vom 12. bis 20. Jahrhundert. Zwar nicht in historischer, dafür in örtlicher Reihenfolge beginnt die Führung beim Broletto-Palast, der Keimzelle freier Bürgerschaft. „Hier hat früher auf dem Markt das soziale Leben stattgefunden“, erklärt Luisa Botticini.
Dahinter thront der Neue Dom, der im Barock-Stil ab 1604 erbaut wurde. Fertig gestellt wurde die Kathedrale mit Italiens dritthöchster Kuppel 1825. Daran angrenzend liegt der Alte Dom, ein romanischer Rundtempel, der ab dem Jahr 1100 errichtet wurde. Noch vor dem Eingangstor kann man erkennen, dass die Stadt mit der Zeit um mehrere Meter in die Höhe gewachsen ist.
Besonders stark ist der Höhenunterschied am größten archäologischen Park Norditaliens: Tempio Capitolino und Piazza del Foro. Bis 1823 wurden Fragmente der antiken Römerstadt Brixia freigelegt. Ein Blick von der Via Musei nach unten zeigt, dass Brixia rund fünf Meter tiefer gelegen haben muss. Reste des Forums, Theaterränge und Säulengänge sind noch zu erkennen.
Angrenzend an das antike Forum wird die Siedlungsgeschichte, von den Kelten über die Römer zu den Lombarden, im Museum Santa Giulia präsentiert. Auch dort sind im Kellergeschoss Grundrisse alter römischer Häuser freigelegt und die Muster römischer Tavernenböden Mosaikstein für Mosaikstein im Original an den Museumswänden frisch zusammengesetzt worden.
Das Forum ist Schauplatz des Grande Finale beim jährlichen Festival „Festa dell’ Opera“. Kurz vor Mitternacht werden die Marmorsäulen in buntes Licht getaucht, Sinfonieorchester und Opernsänger postieren sich dazwischen. Arien von Puccini und Verdi hallen über das antike Theater hinweg. „Das Ein-Tages-Festival ist ein Geschenk für die ganze Stadt“, erklärt Barbara Bino, Projektmanagerin von Visit Brescia. So wird die ganze Stadt an einem Tag im Jahr zur Opernbühne.
Auch das Wahrzeichen der Stadt, die Burg von Brescia auf dem Hausberg Cidneo, wird für diesen Anlass zweckentfremdet. Während Streicher, Harfe und Flügel sanfte Töne anschlagen, sitzen die Zuhörer im Innenhof der Burg unter Bäumen, lauschen Musik und Vogelgezwitscher. Ihnen zu Füßen liegt die Stadt im 360-Grad-Panorama.
Großgeschrieben wird in Brescia auch die Ess- und Trinkkultur. Diese ist strikt getaktet: „Frühstück in Italien geht schnell, erst beim Mittagessen lassen wir uns Zeit“, erklärt Stadtführerin Luisa Botticini. So werden im Drei-Gänge-Menü Pasta, Hauptspeise und Dolci zelebriert. Danach wird „Café“, also Espresso, bestellt. Eine regionale Spezialität sind die typisch lombardischen Nudeltaschen Casoncelli. Bei der Zubereitung punkten die Brescianer mit Einfachheit: geschmolzene Butter, Salbei und Grana Padano als Topping. Serviert werden dazu Weine aus regionalen Weingütern – wie dem von Familie Castoldi.
Köstlichkeiten aus Omas Küche
Das 16 Hektar große Weingut Cobue wird seit 1971 in dritter Generation bewirtschaftet. Weil sich laut Gilberto Castoldi der Tourismus in Italien wandelt, hat die Familie das Weingut in die Moderne geführt; aus der Scheune wurden Ferienwohnungen mit der Option zu Wellness-Behandlungen, Weinverköstigungen starten zum Sonnenuntergang mit einem Aperitif im Weinberg. Dazu reicht der Weinbauer – à la „chilometro zero“ – Fleisch aus der Nachbarschaft, das nach dem Familienrezept von Nonna, Großmutter Castoldi, zu Salami und Prosciutto verarbeitet wird.
Die lombardische Provinzhauptstadt Brescia liegt rund 30 Kilometer nordwestlich des Gardasees im Norden Italiens. Zusammen mit der Stadt Bergamo teilt sich Brescia den Titel „Kulturhauptstadt Italiens 2023“.
ANREISEN
Mehrmals täglich fliegt Lufthansa von München die Flughäfen Milano Linate und Milano Malpensa an. Sie liegen eine Stunde Autofahrt von Brescia entfernt. Wer die Anreise von Ostbayern aus per Auto plant, sollte mit sieben Stunden Fahrtzeit rechnen.
ÜBERNACHTEN
Mitten im italienischen Treiben ist man als Gast des „Albergo Orologio“. Das 3-Sterne-Hotel liegt im Zentrum Brescias. Hotspots wie der Domplatz, das Kloster Santa Giulia, die UNESCO-Stätte, die Pinacotheca oder die Burg von Brescia sind zu Fuß erreichbar.
www.bresciatourism.it/de
www.festadellopera.it
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