Im Lechtal der Natur auf der Spur

03.12.2022 | Stand 25.10.2023, 10:39 Uhr

An der Grenze zwischen Tirol (Reutte) und Vorarlberg (Warth) liegt das Lechtal. Bei Touren in der ursprünglichen und authentischen Naturparkregion ist man – so wie hier in der Nähe des Schrofenpasses – oft allein unterwegs. −Fotos: Aichinger

Von Franz Aichinger

Die meisten kennen es nur von der Durchreise zum Arlberg, Österreichs größtem Skigebiet: Das Lechtal. Die Naturparkregion ist
der Gegenentwurf zur quirligen und mondänen Wintersportregion und gleichzeitig das perfekte Ziel für Naturliebhaber, Wintersportler und Wanderer.

„Es hat mich nie gereizt, meinen Lebensmittelpunkt woanders aufzuschlagen. Daran habe ich nie einen Gedanken verschwendet. Das Lechtal ist ein wunderschöner Platz und ich schätze mich glücklich, mit meiner Familie hier zu leben.“ Das sagt eine, die im wahrsten Wortsinn ein „bewegtes” Leben geführt hat und durch ihren Sport viel in der Welt rumgekommen ist: Sigrid Wolf aus Elbigenalp im Tiroler Lechtal. Die ehemalige Skirennläuferin hat bei den Olympischen Winterspielen 1988 in Calgary (Kanada) die erstmals ausgetragene Disziplin Super-G gewonnen und dadurch Berühmtheit erlangt. Sie war in ihrer aktiven Zeit als Sportlerin auf den bekanntesten Bergen der Welt unterwegs und doch fühlt sich die „Lechtalerin mit Leib und Seele“ im nicht überlaufenen Gebiet um die 3036 Meter hohe Parseierspitze, dem Hauptgipfel der Lechtaler Alpen, am wohlsten. Hier kann sie bei Skitouren, Skilanglauf oder ausgedehnten Wanderungen die Seele baumeln lassen. Möglichkeiten dazu gibt es genug.

Der letzte Wildfluss Europas

Nach dem Ende ihrer Sportkarriere hat die nun 58-Jährige mit ihrem Mann im Hauptort des Tiroler Lechtals ein Haus gebaut, wo sie einige Zimmer vermietet und in einem kleinen, familiären Fitness-Studio Kurse für Pilates und Stepaerobic gibt. Zum „hobbymäßigen Alpin-Skifahren“ besucht sie immer noch gerne den wenige Kilometer entfernten Arlberg mit seinen über 300 Kilometern Pisten sowie 88 Liften und Bahnen. Sie sei meist ganz früh morgens unterwegs, so verrät Wolf, um dem oftmals herrschenden Trubel aus dem Weg zu gehen. Nach wenigen Abfahrten ziehe es sie aber meist zurück in die Ruhe und Beschaulichkeit des Lechtals.

Hier widmet sich Wolf auch gerne ihrer großen Leidenschaft, den Kräutern. Von denen gedeiht rings um das idyllische Tal, das vom Lauf des Lechs, dem letzten Wildfluss Europas, geprägt ist, eine besonders große Vielfalt. Wolf hat sich in einem eineinhalbjährigen Kurs als Kräuterpädagogin fortgebildet und ist als Mitglied des Vereins „Lechtaler Kräuterhexen“ seit einigen Jahren mit Interessierten den Schätzen der Natur auf der Spur. „Durch meine Ausbildung als Kräuterpädagogin habe ich unsere Natur noch besser kennengelernt und schätze die Vielfalt unserer Pflanzenwelt und die unberührte Landschaft, die in Tirol unvergleichlich und an jeder Ecke im Lechtal noch zu finden ist“, erklärt der Ex-Skistar auf der Terrasse der 2016 neu eröffneten Berghütte „Kasermandl“, die an diesem sonnigen Wintertag das Ziel der rund einstündigen Wanderung ist.

Gegen viele Krankheiten und Wehwehchen sprieße im „familiären Lechtal“ ein Kraut, betont Wolf, das liege vor allem an den zahlreichen ungedüngten Bergwiesen. Die Tirolerin hat in ihrem Rucksack eine kleine Auswahl der selbst hergestellten Tees, Salben und Tinkturen dabei und verweist bei der Verkostung auf die Heilkraft von Alpenkräutern wie Arnika und Enzian. Auch bei Blessuren im Sport hätten sich diese Mischungen immer wieder bewährt, so die Kräuterhexe, die ihre sportliche Karriere nach dem dritten Kreuzbandriss 1992 beendet hat und sich seitdem des Öfteren in den Dienst des „sanften Tourismus“ stellt. An ihren größten Erfolg erinnert die Goldmedaille, die in der „Wunderkammer“ in Elbigenalp zu bewundern ist.

Das 2015 eröffnete Museum zieht als gelungene Symbiose aus moderner Architektur und antikem Bauernhaus die Blicke auf sich. Spätestens beim Betreten des täglich geöffneten Vorraumes wird klar, dass es sich hier um eine Ausstellung der etwas anderen Art handelt, nicht nur um ein Heimatmuseum im herkömmlichen Sinn. Die Geschichte des Tals wird aufgearbeitet und auf anschauliche Art präsentiert. Grundlage hierfür sind die umfangreichen Aufzeichnungen und Sammlungen des Universalgelehrten Johann Anton Falger, der bereits vor etwa 150 Jahren eine Wunderkammer in Elbigenalp eingerichtet hatte. Neben dem „Vaters des Lechtals“ werden mittels Filmen auch kurzweilige Geschichten von zwei weiteren faszinierenden Persönlichkeiten erzählt, die das „Duarf“ Elbigenalp geprägt haben: Anna Stainer-Knittel, genannt „Die Geierwally“, und Königinmutter Marie von Bayern.

Jede Menge Erzählenswertes über Bräuche und Traditionen, die im Lechtal auch heute noch eine große Rolle spielen, weiß Mathilde Schlichtherle-Frey. Die mittlerweile über 80-Jährige führt mit viel Herzblut, Humor und in originaler Tracht durch die Ausstellung und lässt somit die interessante Geschichte lebendig werden.

Die Geschichte mit Schneeschuhen erwandern

Geschichte erfahren, besser gesagt erwandern, kann man im Winter auch mit den Schneeschuhen. Vom Ausgangspunkt Lechleiten, einer alten Walsersiedlung, geht es rund dreieinhalb Kilometer (200 Höhenmeter) durch ein malerisches und einsames Hochtal zum Schrofenpass. Der alte Säumerweg auf 1688 Metern Höhe liegt genau auf der Grenze zwischen Deutschland (Bayern) und Österreich (Tirol). Spektakuläre Ausblicke sind garantiert, genauso wie der Muskelkater. Aber dagegen ist im Lechtal auch ein Kraut gewachsen.


Redakteur Franz Aichinger recherchierte Ende des letzten Winters im Tiroler Lechtal auf Einladung des örtlichen Tourismusverbands. Besonders gefiel ihm dabei die Authentizität der Menschen und Landschaft dieser Region.


INFORMATION
Namensgeber des Tiroler Lechtals im Nordwesten Österreichs, gelegen zwischen Reutte (Tirol) und Warth (Vorarlberg), ist der Lech, der auf seinem Weg Richtung Donau die alpine Landschaft prägt. Zur Naturparkregion gehören 14 Orte: Stanzach, Elmen, Vorderhornbach, Hinterhornbach, Gramais, Häselgehr, Elbigenalp, Bach-Stockach, Holzgau, Steeg, Forchach, Stockach, Kaisers und Boden/Bschlabs. Der Hauptort ist Elbigenalp mit gut 880 Einwohnern, der kleinste Ort (und gleichzeitig die kleinste Gemeinde Österreichs) ist Gramais. Hier leben rund 40 Menschen. Die Ferienregion setzt ganz auf nachhaltigen, ursprünglichen und authentischen Tourismus. Sie steht für Brauchtum und Tradition, aber auch für innovatives Handwerk, Design und hausgemachte Produkte.

ANREISEN
Von Ostbayern über München weiter auf der A95 bis Eschenlohe, dann weiter über B2 und B23 bis zur Landesgrenze. Auf der L255 bis Reutte und dann auf der B198 ins Lechtal.

ÜBERNACHTEN
•Lechquell Hotel Post in Steeg: Traumhafte Lage im Lechtal mit vielfältigen Aktiv- und Erholungsmöglichkeiten, Haubenküche, Panorama-Spa und eigenem Bus-Shuttle („Postkutsche“) zu Ski Arlberg nach Warth. Infos unter www.poststeeg.at.

WINTER-AKTIVITÄTEN
Ski Alpin: Ski Arlberg mit über 300 Pistenkilometern sowie 88 Liften und Bahnen ist nur wenige Kilometer entfernt. Im Tal gibt es Übungslift Jöchelspitze, Gföllberglift Holzgau, Skilifte Knittel in Elbigenalp und Familienskilifte Stanzach.
Winterwandern: Es gibt rund 250 Kilometer geräumte und präparierte Winterwanderwege mit neun geöffneten Almen und Hütten.
Langlaufen: 190 Kilometer präparierte Loipen; dazu Möglichkeiten für Skitouren, Rodeln und Schlittschuhlaufen.

ATTRAKTIONEN
•Vital- und Panoramaweg Holzgau
•Geierwally-Freilichtbühne in Elbigenalp
•Museum „Wunderkammer“ in Elbigenalp
•Schnitzschule Elbigenalp
•Lechmed Kräuterwelt und Naturkäserei Sojer in Steeg
•Lechtaler Auszeitdörfer und die ganzjährig geöffnete Jöchelspitzbahn mit Familienskigebiet
•Weitwanderweg Lechweg (125 Kilometer zwischen Lech am Arlberg und Füssen im Allgäu)

EVENT-TIPP
Bei den Lechtaler Skitouren-Tagen vom 21. bis 29. Januar 2023 kann man die Naturparkgemeinde als einmalige Skitouren-Destination kennenlernen und erfahren, worauf es ankommt, um sich gut gerüstet und sicher auf das Abenteuer Skibergsteigen einzulassen.

www.lechtal.at