Casablanca – Eine Symbiose aus Moderne und Geschichte

05.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:37 Uhr

Wie ein einem Werbespot: Kleine Fischerboote warten bei der Lagune in Qualidia auf ein paar Mitfahrer. −Fotos: Koschinski

Von Sarah Koschinski

Historische Bauwerke und Industriegebäude reichen sich die Hand. Dahinter erstreckt sich in tiefem Blau der Atlantik. Die marokkanische Stadt Casablanca ist ein Ort der Gegensätzlichkeit, der schöner nicht sein könnte.

Range Rover und BMWs parken entlang der Häuserreihe, in der eine Villa teurer als die andere zu sein scheint. Frisch gestrichene Fassaden und gepflegte Vorgärten zieren die Anwesen. Ein paar Fahrminuten weiter sind die Häuser in schlichtem Weiß gehalten. Wäsche baumelt an den Leinen, die zwischen den Häusern aufgespannt sind. Die wenigen Autos, die in den verlassenen Gassen parken, beginnen bereits zu rosten.

Wer Gegensätze mag, der ist in Casablanca genau richtig. Die Wirtschaftsmetropole Marokkos ist mit Sicherheit vieles, aber nicht geradlinig. Wer noch nie in Afrika war, der findet in der Stadt im Westen des Landes ein zweites kleines Europa. Teure Hotels reihen sich an noble Geschäfte, welche an den Wochenenden von Bewohnern von weiter weg für den Shoppingtrip frequentiert werden. Auf den ersten Blick scheint diese Stadt vieles, außer schön. Auf den zweiten Blick ist sie vor allem eines: vielfältig.

Moschee-Besuche erfordern bestimmte Kleidung

Zwischen all der Moderne erhebt sich am Rande der Atlantikküste, nur circa zehn Fahrminuten entfernt von dem Luxus, die Moschee Hassan II. Das majestätische Weiß des Gebäudes hebt sich von dem azurblauen Meer und dem strahlend blauen Himmel ab und für einen Moment vergisst man den Lärm der Autos um sich herum. Wer in das Innere des Gotteshauses will, muss durch einen kurzen Securitycheck. „Bitte die Schuhe ausziehen und in den Beutel tun, die Moschee darf nur barfuß betreten werden“, heißt es bei der Kontrolle. Im Gegensatz zu den Füßen, müssen bei den Frauen Schultern, Arme und das Dekolleté bedeckt sein; Kleider und Röcke sollten mindestens bis über das Knie reichen.

In das Innere der Moschee dringt durch die Torbögen, die zum Atlantik hinauszeigen, helles Sonnenlicht herein, das die Kombination aus Gipsstuck, Marmor und Pastellfarben in warme Farben taucht. Jede Verzierung und jedes Detail wurde von Hand gefertigt. Rund um die Uhr waren 4500 Kunsthandwerker an der Arbeit, um den Marmor aus Marokko, aber auch aus Italien und Schweden, zu bearbeiten. Diese Moschee kann es mit mit dem Petersdom in Rom aufnehmen.

Die Altstadt wirkt wie ein historisches Raumschiff, das sich inmitten der Moderne der Stadt befindet. In der Mittagssonne schlafen hier hauptsächlich Katzen, die es sich auf den Windschutzscheiben der parkenden Autos gemütlich machen. Viel los ist hier nicht – die verwinkelten Gassen zwischen den weißen Häusern, die der Stadt ihren Namen geben (Casablanca bedeutet „weißes Haus“), werden nur hin und wieder von Einheimischen durchquert. Spannend wird es für Touristen ein paar Meter hinter dem Café „Les cafés dubois“: Bunte Gewänder und Korbtaschen mit Bommeln in den unterschiedlichsten Farbtönen leuchten zwischen Schuhen, Tüchern und Taschen durch.

Mit einer Einheimischen unterwegs zu sein, ist hier Gold, oder besser, Dirham wert. Layla Qmichou, gebürtige Marokkanerin und Begleiterin vom marokkanischen Fremdenverkehrsamt, kennt sich beim Handeln aus. „Wie viel willst du bezahlen?“, fragt sie. Mit kurzen Sätzen und fester Stimme macht sie dem Händler ein Angebot. Beim Preis ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn der ist Verhandlungssache. Ein paar Sekunden und viele marokkanische Wörter später, dreht Layla sich um und sagt: „Du bekommst die Tasche für acht Euro.“

Nicht weit von „Rick’s Cafe“, das viele sicherlich aus dem bekannten Film „Casablanca“ kennen, befindet sich ein Restaurant, dessen Eingang erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. Eine Wäscheleine ist über dem Eingang des „Dar Dada“ gespannt und alles erweckt den Eindruck, als würde man hier in ein gewöhnliches Wohnhaus gelangen. Einmal durch die Tür getreten, befindet man sich in einer anderen Welt. Die Wände sind mit unterschiedlichen Mosaikmustern verziert und vor dem Durchgang zum eigentlichen Restaurant sitzt ein „Teemann“. Das ist nicht die offizielle Bezeichnung für ihn, doch er macht diesem Namen alle Ehre. Vor sich hat er mehrere Teekannen aus Messing stehen. Mit einer fließenden Bewegung, als täte er den ganzen Tag nichts anderes, hebt er die Kanne hoch über seinen Kopf und schenkt den ankommenden Gästen eine Tasse Tee ein.



Couscous mit Gemüse ist ein typisches Gericht


Der erste Schluck schmeckt nach Zucker, der zweite nach starker Minze. Für Diabetiker ist dieser Tee weniger geeignet, denn Zucker scheint einer der Hauptbestandteile des Heißgetränks zu sein. Nicht nur die marokkanische Minze, die um einiges intensiver schmeckt als unsere Pfefferminze, sondern auch ein bisschen grüner Tee geben dem Getränk seinen einzigartigen Geschmack.

Nach dem Begrüßungsdrink betritt man eine Art Innenhof. Hier ist jeder Winkel ein Fotomotiv. Selbst die Tischplatte mit Schachbrettmuster ist künstlerisch. Das gilt auch für das Essen. Als Vorspeise gibt es eine Auswahl an eingelegtem Gemüse. Eine Spezialität: eine Art Kürbismarmelade mit Zimt verfeinert. Für den Hauptgang steht ein typisch marokkanisches Gericht auf der Speisekarte: „Couscous aux Sept Legumés“ – Couscous mit sieben Gemüsesorten. Er wird in der landestypischen Tajine, einem Tontopf mit Deckel, serviert. „Couscous wird eigentlich immer nach dem Freitagsgebet gegessen“, erklärt Layla. „Die Männer gehen zum Gebet in die Moschee und die Frauen kochen zu Hause. Er ist ein beliebtes Gericht hier in Marokko.“ Im Vergleich zu Deutschland wird er mit einer Soße serviert, die entfernt an ein Bratengericht erinnert. Garniert mit den verschiedenen Gemüsesorten und karamellisierten Zwiebeln, erinnert der Geschmack ein bisschen an Käsespätzle.

Die windgeschützte Bucht von El Jadida am Atlantik liegt circa 100 Kilometer entfernt von Casablanca. Enge Gassen mit alten Häusern spiegeln das Leben der Bevölkerungsschicht wider, die nicht in der wirtschaftsstarken Stadt lebt. In dem Gemäuer, das die Stadt vom Atlantik abgrenzt, gibt es noch einen traditionellen Brotbäcker. Hier können die Bewohner ihren fertigen Teig abgeben und wenig später ein frisch gebackenes Brot mit nach Hause nehmen. Hier und da baumeln ein paar Fußballschuhe von den Wäscheleinen zwischen den Gassen. Wer beim Spiel verloren hatte, muss seine Schuhe ausziehen und gut sichtbar im Ort aufhängen – als Zeichen seiner Niederlage.

Die historische Stadt El Jadida ist das, was womöglich die meisten im Kopf haben, wenn sie an Marokko denken – zumindest, was den Wochenmarkt betrifft. Puten laufen wild gackernd umher, der Platz, den sie in ihrem Käfig haben, reicht gerade dafür, sich einmal zu drehen. Dazwischen sitzt auf einem Barhocker der Besitzer. In den Gestank des Federviehs mischt sich noch ein anderer: Fisch. Auf einmal ist die ganze Straße nass und die Füße der Besucher gleich mit. Mit Schwung leert der Fischbesitzer das Wasser aus einer seiner Kisten. Fischschuppen glänzen auf dem warmen Asphalt. Überall sind Menschen: vorne, hinten, links, rechts. Es stinkt. Fisch wird neben Fleisch verkauft, Gewürze jeglicher Art türmen sich in pyramidenartiger Form an den Ständen. Der Markt schlängelt sich durch die Gassen der Stadt – und die Menschen mit ihm. Hinter einem Stand voll mit marokkanischer Minze, sieht es aus wie bei der Filmkulisse von „Der kleine Muck“. Spitz zulaufende Schuhe mit wilden Mustern und Glitzersteinen oder Pailletten verziert, hängen von den Decken der Stände.

Im Gegensatz zu El Jadida steht der marokkanische Fischerort Qualidia. Weitere 100 Kilometer entfernt, im Westen an der Atlantikküste, zeigt Marokko nochmal eine ganz andere Seite von sich. Hinter dem Eingangsbereich eines Gebäudes sind Torbögen mit Rosen bewachsen, die Bougainville rankt sich an den weißen Fassaden der kleinen Häuser hoch. Ein paar Schritte weiter gelangt man auf die Terrasse des dazugehörigen Restaurants. Der Ausblick ist wie in einer Werbung: Weißer Sand mündet in eine Lagune, in der das Wasser von türkis über hellblau bis dunkelblau übergeht. Kleine Fischerboote warten auf Mitfahrer, die sie vom einen Ende der Lagune ans andere bringen können. Das ruhige Wasser lädt dazu ein, sich in eines der Kanus, die am Ende der Stufen vom Restaurant zum Meer führen, zu setzen und einfach loszufahren. Der perfekte Ort, um sich von dem Trubel der Stadt zu erholen.


Volontärin Sarah Koschinski reiste auf Einladung des Staatlichen Marokkanischen Fremdenverkehrsamts in die marokkanische Stadt Casablanca.


Die Handels- und Hafenstadt Casablanca befindet sich im Westen Marokkos und macht ihrem Namen „weißes Haus“ alle Ehre.

ANREISEN
Vom Frankfurter Flughafen aus erreicht man Casablanca mit einem Direktflug in dreieinhalb Stunden. Von dort aus gelangt man mit dem Auto innerhalb von 45 Minuten in das Zentrum der Stadt.

ÜBERNACHTEN
•Hotel „Kenzi Tower“ Casablanca: Mit dem Panoramablick des 5-Sterne-Hotels können Gäste über die Stadt, den Hafen und die Moschee Hassan II schauen. Neben drei Restaurants bietet das Luxushotel seinen Gästen außerdem eine Bar mit Panoramablick.
•Hotel „Mazagan Beach Resort“ Casablanca: Das 5-Sterne-Familienhotel direkt am Atlantik und mit einem sieben Kilometer langen Strand bietet neben einem großen Pool auch einen Spa- und Golfbereich.
•Hotel „L’Hippocampe“ Qualidia: Alle Zimmer, Suiten und Apartments haben Blick auf das Meer mit Lagune und den Garten. Im Garten der Anlage befindet sich außerdem ein Meerwasserpool.

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