Glücksformel
Auf der Reise zum Glück – Ein Besuch im finnischen Saunaparadies

28.01.2023 | Stand 25.10.2023, 11:33 Uhr

Winterliches Postkartenmotiv: Finnlands Hauptstadt Helsinki kann gut zu Fuß erkundet werden. Auf die Besucher warten eindrucksvolle Bauten, imposante Kirchen und abwechslungsreiche Architektur. Das Zentrum der Stadt ist am Wasser gebaut. Auf dem Foto zu sehen ist auch die Uspenski-Kathedrale und das SkyWheel. In einer der Gondeln des Riesenrads befindet sich, wie könnte es anders sein, sogar eine kleine Sauna. −Fotos: Woipich

Die Finnen gelten als das glücklichste Volk der Welt. Doch was ist ihr Geheimnis? Bei einem Besuch im verschneiten Helsinki und Tampere lässt sich die Glücksformel entschlüsseln.

Die Luft ist dünn und trocken. Das Atmen fällt schwer. Und es ist heiß, sehr heiß. Das Herz pocht schneller als normalerweise. Auf die nackte Haut hat sich ein feuchter Film gelegt. Über die Stirn laufen Schweißperlen, die beim Aufprall auf dem Holzboden geräuschlos zerspringen. Die Augen geschlossen zu halten, fällt leichter, als sie zu öffnen. Das leise Knacken des Ofens tönt im Hintergrund. Plötzlich verbindet sich der sanfte Rhythmus mit dem des Atems. Dieser wird tiefer, bewusster und dann stellt es sich ein: dieses wohlige, zufriedene Gefühl wie man es nur in der Sauna erleben kann.

In Finnland leben rund fünf Millionen Menschen, und es gibt schätzungsweise drei Millionen Saunen. Mehr Saunen als Autos – das sagt schon einiges aus über ihre Bedeutung in der finnischen Kultur. „Die Sauna ist ein Ort der Gemeinschaft, ein Treffpunkt, an dem wir zusammenkommen“, sagt Stadtführerin Heidi Johansson. Sie führt ihre Gäste gerne zu den Ecken Helsinkis, an denen das alltägliche Leben spürbar wird.

Eine wahrlich frostige Morgenroutine

An diesem kalten Wintertag geht es zu ihrem Lieblingsplatz am Hafen der Stadt. „Allas Sea Pool“ ist ein ganzjährig geöffnetes urbanes Schwimmbad mit Außenpool und Blick auf die Ostsee. Ein Becken ist mit Salzwasser des Meeres gefüllt – die Außentemperatur beträgt minus fünf Grad, der eisige Wind peitscht ins Gesicht, die Sonne schafft es kaum durch die grauen Wolken und die Schneeflocken hören nicht auf zu fallen. Die Menschen, die sich an diesem Tag auf den mit Schnee bedeckten Straßen tummeln, scheint die Kälte aber nicht zu stören. Erst recht nicht diejenigen, die währenddessen im Wasserbecken draußen ihre Bahnen ziehen. „Ich komme jeden Morgen hierher zum Schwimmen. Für mich und viele andere in der Stadt ist das der beste Start in den Tag“, sagt Heidi Johansson und kann sich beim Blick in die ungläubigen Gesichter ringsum ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ist das vielleicht ein erster Hinweis auf das Geheimnis des finnischen Glücks?

Eine der neueren öffentlichen Saunen in der Stadt ist die 2016 eröffnete „Löyly“ an der Südspitze der Halbinsel Helsinkis. Das große Holzhaus in modernem Design befindet sich direkt am Meer und erinnert an einen hölzernen Fels, der aus dem Boden wächst. Ein bekannter Stammgast von Löyly – das Wort heißt übersetzt Dampf und spielt auf den Rauch an, der entsteht, wenn Wasser über die heißen Steine in der Sauna gegossen wird – ist Buchautorin und Wahlfinnin Katja Pantzar.

Die Journalistin hat sich in ihren Büchern ausführlich mit der zupackenden Lebenseinstellung der Finnen beschäftigt, von der sie bis heute fasziniert ist, und machte sich auch auf die Suche nach dem Geheimnis von „Sisu“ – eine der wichtigsten Zutaten für das glückliche finnische Leben.

Auf die Frage, was Sisu bedeuten würde, antwortet Pantzar: „Es geht darum, sich zu überwinden, Dinge zu tun, die man nicht einfach so machen würde. Es ist eine mentale Einstellung, etwas anzupacken, Ausdauer zu beweisen und sich nicht entmutigen zu lassen. Dabei hat jeder sein eigenes Sisu, das er oder sie finden muss.“

Um es nicht bei dieser abstrakten Erklärung zu belassen, stellt Katja Pantzar in Löyly gleich selbst unter Beweis, was sie damit meint. Nach ein paar intensiven Minuten in der Sauna marschiert sie schnurstracks barfuß über den Schnee hinaus auf die Terrasse der Anlage. Von dort aus führen Treppen direkt ins Meer hinunter. Ohne mit der Wimper zu zucken und mit einem Lächeln im Gesicht lässt sie sich ins eiskalte Wasser gleiten, macht zwei kurze Schwimmzüge, ehe sie, gelassen wie wenn nichts gewesen wäre, wieder heraussteigt und ihre Bewunderer, die verblüfft daneben stehen, einlädt, es doch selber einmal auszuprobieren.

Beim Versuch, es ihr gleichzutun, wird der innere Schweinehund im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt auf die Probe gestellt. Ungeübte Saunagänger sollten sich vorsichtig herantasten, denn beim Eintauchen der Gliedmaßen ins zwei Grad kalte Meerwasser fühlt es sich an wie tausend kleine Stiche, die sich in die Haut bohren. Deshalb wird besser nur „gedippt“ – man taucht den Körper kurz ins Wasser ein und kommt nach wenigen Sekunden wieder heraus.

Doch nach dem ersten Schock wird schnell klar, was die Finnen so an diesem Kälte-Kick fasziniert. Katja Pantzar würde es so zusammenfassen: „Der Blutkreislauf wird durch das Eiswasser auf Hochtouren gebracht – das sorgt  für ein unbeschreibliches Hochgefühl. Es ist wie ein Rausch.“ Eben Glücksgefühle pur.

Nördlich, ungefähr zwei Zugstunden Fahrt von Helsinki aus gelegen, befindet sich Finnlands drittgrößte Stadt. Tampere wird als Saunahauptstadt des Landes bezeichnet – immerhin gibt es dort mehr als 50 öffentliche Dampfbäder. Dort kann man auch außergewöhnliche, gar kuriose Saunaerfahrungen machen.

Schwitzen in der ersten Kunstsauna

Schwitzen umgeben von Kunst und Design zum Beispiel – das geht in der weltweit ersten Kunstsauna in Mänttä. Ungefähr eine Fahrstunde von Tampere entfernt ist es eines der neuesten Highlights der finnischen Sauna-Szene. Dass Design neben all den Wohlfühl-Erlebnissen ein wichtiger Teil des finnischen Lebens ist, zeigt sich auch dort. Auf dem Weg dorthin kommt man vorbei an weiß gezuckerten Wäldern, die Häuser werden mit jedem Kilometer weniger, der Schnee liegt im Winter meterhoch. Plötzlich, wie aus dem Nichts, taucht ein beeindruckender Gebäudekomplex auf. Angeschlossen an das Serlachius-Museum entstand im Sommer 2022 die einzigartige Sauna im Inneren eines durchgestylten, architektonisch hochmodernen grauen Bauwerks, idyllisch gelegen an einem Seeufer. Wer etwas Zeit und das nötige Kleingeld mitbringt, kann hier auch ganz privat die Seele baumeln lassen.

Beim Blick vom großen Panoramafenster der Sauna auf den zugefrorenen See, der einem der vielen impressionistischen Gemälde des Museums entsprungen sein könnte, wird es nicht nur Sauna-Fans ganz warm ums Herz.

Dass das finnische Dampfbad auch mystische Wurzeln hat, das versuchen Matti Kemi und Juha Kumara bei einem besonderen Ritual unter Beweis zu stellen. Sie heben mit ihrer „Saunakonkeli“ das Saunaerlebnis auf eine ganz neue Ebene. Die beiden selbst ernannten Saunaschamanen begrüßen ihre Gäste in einer alten Villa am Stadtrand von Tampere. Im Vergleich zur Kunstsauna in Mänttä ist die von Matti und Juha eher ursprünglich – wie in alten Zeiten, als die Sauna noch der hygienischste Ort des Hauses war, an dem die Kinder geboren und die Toten verabschiedet wurden.

Der einfach geflieste Raum mit dem alten Ofen und Bänken darin wirkt zunächst wenig einladend, aber die beiden jungen Männer vertreiben mit ihrer zwar leicht verschrobenen, aber sympathischen Art schnell aufkommende Zweifel. Eins ist klar, man muss sich auf diese Erfahrung einlassen!

Sauniert wird in drei Etappen. Beim ersten Saunagang meditieren alle andächtig. Anschließend beschwören Matti und Juha die Dampfgeister mit alten finnischen Volksliedern. „Wir sind an einem heiligen Ort, an dem man mit sich selbst in Kontakt kommt“, erklären sie. Was kurios klingt, wirkt mit der Zeit beruhigend, irgendwann gibt man sich nur noch seinen Gedanken hin.

Zum Höhepunkt der Zeremonie kommen nasse Birkenzweige zum Einsatz, mit denen die Schamanen die Rücken der Gäste bearbeiten und am Ende mit diesen die Häupter der Anwesenden krönen. Gut, dass einem zu dem Zeitpunkt die Hitze schon so zu Kopf gestiegen ist, dass man nichts hinterfragt und nur noch genießt.

Und der Effekt? Ungemeines Wohlbefinden – ein Gefühl von Schwerelosigkeit. Etwas betreten wanken alle aus der Sauna. Fast ein wenig betrunken fühlt es sich an, man könnte beinahe sagen, betrunken vor Glück.


Redakteurin Sarah Woipich recherchierte vor Ort auf Einladung von Visit Finland und fand ihr „Sisu“ beim Eisbaden.




INFORMATION


Finnland liegt in Nordeuropa. Das Land ist dünn besiedelt und verfügt dafür über riesige Waldflächen und zahlreiche Seen.

ANREISEN

Der Direktflug von München nach Helsinki dauert rund zweieinhalb Stunden.

ÜBERNACHTEN
• Das Design-Hotel AX in Helsinki liegt in Zentrumsnähe. Ausgestellt sind dort auch Werke finnischer Künstler.
• Die Lapland Hotels Arena in Tampere bietet komfortable Zimmer mit eigener Sauna.

KULINARIK

•Nachhaltig und köstlich: Restaurant Nolla in Helsinki

•Innovative Küche: Restaurant Kajo in Tampere

TIPP FÜR DESIGN-FANS

Das Design District in Helsinki ist ein Paradies für alle, die nordisches Design und besondere Mode lieben. Rund um den Dianapuisto-Park entstanden zahlreiche Läden und Geschäfte. Die rund 150 Mitglieder der Vereinigung sind an Aufklebern in ihren Schaufenstern zu erkennen.

www.visitfinland.com