Bergig nein, hügelig ja: Statt über Pässe führt die Route entlang des Alpenrands von einem schönen Gewässer zum nächsten. Unterwegs auf dem 180 Kilometer langen Teilstück ab Gmund am Tegernsee.
Gerade Linien hat er und weite Fensterfronten. In dem luftigen Bungalow am Ackerberg oberhalb des Tegernsees wohnte einst Wirtschaftswunderkanzler Ludwig Erhard. Der zeitlos-schlichte Bau aus der Feder des berühmten Architekten Franz Joseph „Sep“ Ruf ist nur eine der Sehenswürdigkeit auf der Radtour, in ihrem zeitlos-schlichten Bauhausstil aber eine untypische.
Denn was man ansonsten entlang des Bodensee-Königssee-Radweges erlebt, entspricht eher bayerischen Klischees, allen voran der stets präsente Alpenrand - der das Herz des Radweges ausmacht. Alpenüberquerungen sind im E-Bike-Zeitalter für viele Radreisende eine echte Option geworden, ohne gleich vorweg ein Fitness-Camp besucht haben zu müssen. Doch auf der insgesamt 455 Kilometer langen Strecke bleiben einem die wirklich steilen Anstiege erspart.
Immer schön die Bergkulisse auf der Rechten geht es von Lindau am Bodensee von See zu See. Wir sind auf dem Teilstück vom Tegernsee bis zum Endpunkt der beschilderten Strecke unterwegs - und gönnen uns ein paar Abstecher.
So radeln wir von unserem Startort Gmund gleich ein paar hundert Meter westlich, und genießen bei Kaltenbrunn einen schon ziemlich schönen Blick auf den Tegernsee. Markanter Bau ist das Gut Kaltenbrunn, einst Außenstation des Tegernseer Klosters und späteren Wittelsbacher Schlosses, heute Nobelgastronomie.
Berühmtestes Wirtshaus am Tegernsee
Auf dem teils recht schmalen Radweg über St. Quirin kommt im Ort Tegernsee, am südöstlichen Ufer gelegen, ein weiteres Bauwerk mit zwei markanten Türmchen in den Blick. In dem Schloss, das im späten 9. Jahrhundert als Kloster entstand und bis 1803 eine Benediktinerabtei war, befindet sich das „Bräustüberl“.
Das berühmteste Wirtshaus am Tegernsee ist Heimstatt einer ebenfalls über Regionalgrenzen hinweg bekannten Brauerei, die Helles vertreibt - ideal für Frühschoppen und eine frühe Rast gleichermaßen.
Dass so viele Menschen diesen See abgöttisch lieben, versteht man noch besser, wenn man zum Point weiterfährt: Von einem Aussichtspunkt mit Pavillon auf der Halbinsel ist der Blick auf die Egerner Bucht, den Wallberg und etliche andere Gipfel geradezu kitschig schön.
Doch zurück auf den Radweg Bodensee-Königssee. Wir peilen den Schliersee an, erreichen das ruhige Westufer. Mit Blick auf die kleine Insel im See radelt man am Bahngleis entlang zum Südufer, vorbei an alten Bootshäusern, parallel zur Deutschen Alpenstraße. Anders als unser Trip verläuft die älteste deutsche Ferienstraße auch über manchen Pass.
Wir könnten einen Whiskey-Stopp einlegen, doch das würde im Zweifel die Waden lähmen. Fans der Spirituose finden in der Destillerie Slyrs dennoch eine elegante Einkehrmöglichkeit. Wir entscheiden uns aber auf direktem Wege für die authentischen Bauernhöfe und schönen Obstgärten, die auf der Weiterfahrt ins Inntal als Bilderbuchbayern an uns vorbeigleiten. Über dem Inntal thront das Schloss Neubeuern - man könnte es aus einer Episode der TV-Serie „Der Bulle von Tölz“ kennen.
Die Berge umkurven
Stolze Berge trennen uns jetzt vom Chiemsee. Auch hier erspart uns der Radweg schweißtreibende Strapazen. Er umkurvt die Hochebene Samerberg, die sich wie ein Aussichtsbalkon südwestlich des Chiemsees erhebt.
Auf jetzt schnurgeraden Radwegen geht es weiter bis nach Aschau, das fotogen zu Füßen der Kampenwand liegt. Mit der Kampenwandseilbahn könnten wir in rund 15 Minuten auf knapp 1.500 Meter Höhe fahren, doch wir bleiben konsequent in der Ebene - nur ein paar sanfte Hügel sind auf der Weiterfahrt nach Bernau zu bewältigen.
Wer sich selbst davon erholen möchte, findet am Chiemseeufer in Bernau-Felden - ein weiterer kleiner Abstecher von der Hauptroute - Liegewesen und Badestrände. Von der nahen Anlegestelle starten Ausflugsdampfer Richtung Königsschloss auf Herrenchiemsee oder zur Fraueninsel.
Weiter strampeln wir nach Osten durch die flache Kendlmühlfilze, ein Hochmoor, dessen einstige Torfgewinnung in einem Museum geschichtlich aufbereitet ist, weiter nach Bad Adelholzen. Der Ort im Chiemgau wird überwacht vom 1.774 Meter hohen Hochfelln und ist für sein Mineralwasser bekannt, dessen Abfüllanlage dem Orden der Barmherzigen Schwestern gehört.
Bier und Blechspielzeug
Typischer für Bayern als pures Wasser ist aber das Bier. In Traunstein gibt es gleich drei Brauereien, darunter das Hofbräuhaus. Den Beinamen „Bierstadt“ trägt der Hauptort des Chiemgau. Möglichkeiten zur Einkehr bei bayerischer Küche und einem Frischgezapften bieten sich aber auch beim Klosterwirt im ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift aus dem 12. Jahrhundert in Höglwörth am gleichnamigen See.
Von hier ist Anger nicht weit, das mit einem Superlativ bezüglich Spielzeug aufwartet: Das Museum Traumwerk beheimatet nach eigenen Angaben Europas größte öffentlich zugängliche private Sammlung von Blechspielzeug. Allmählich nähert sich der Radweg nun doch den Bergen, steuert auf den mächtigen Untersberg zu, Prototyp eines Alpenrandmassivs, das fast 2.000 Meter erreicht.
Wir kommen durch Bad Reichenhall mit der berühmten Saline und müssen für unser nächstes Zwischenziel, Berchtesgaden, dann doch einen längeren Anstieg in Kauf nehmen. Aber alles okay! Schließlich sind wir auf der Zielgeraden zu einem der schönsten Seen Deutschlands. Wir sehen den Watzmann, König der Berchtesgadener Alpen (2.713 Meter) und das Schloss Berchtesgaden, das ein Rehmuseum beherbergt, und erreichen die Talstation der Jennerbahn in Schönau.
Wir könnten auch hier die Gondel nehmen und in luftige Höhen aufsteigen. Doch es sind nur noch wenige Meter bis zum Ufer des berühmten Sees als Endpunkt der Radroute. Und die nehmen wir auch noch.
Tipps, Links, Praktisches:
Anreise: Via München mit dem Auto auf der A 8 bis zur Ausfahrt Holzkirchen und weiter Richtung Tegernsee. Parkplätze beim Strandbad Gmund. Mit der Bahn von München bis zum Bahnhof Gmund. Radverleih im Ort.
Beste Reisezeit: Mai bis Oktober
Der Fahrradweg: Die gefahrene Strecke beträgt 176 Kilometer, der ganze Bodensee-Königssee-Radweg ist 455 Kilometer lang, von denen 395 über Asphalt führen, der Rest geht über Schotter- und Naturwege. Insgesamt werden 3.445 Höhenmeter überwunden, auf dem Teilstück ab Gmund 1.750 Höhenmeter.
Weitere Auskünfte: oberbayern.de
Social Media: instagram.com/bodenseekoenigsseeradweg
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