Teneriffas gezähmte Naturgewalten

18.06.2022 | Stand 25.10.2023, 11:35 Uhr

Kleines vulkanisches Paradies: Der natürliche Pool Charco de La Laja an der Küste des kleinen Fischerortes San Juan de la Rambla im Norden von Teneriffa. −Fotos: Woipich

Der Süden Teneriffas mit seinen weitläufigen Sandstränden ist bei Sonnenanbetern aus Europa ein beliebtes Reiseziel. Doch auch der Norden der Insel hat viel zu bieten. Ein Geheimtipp sind seine natürlichen Wasserbecken.

Die hohen Wellen des Atlantiks brechen lautstark am schroffen, dunklen Vulkangestein. Die See ist rau, aufgescheucht durch den Wind zeigt sie sich an der Nordwestküste der Kanareninsel Teneriffa von ihrer unbarmherzigen Seite. Innerhalb der vielen Felsformationen aus abgekühlter Lava, die sich oberhalb des Strandes in die Höhe bäumen, hat der Lauf der Zeit kleine und geschützte Becken geschaffen, die den Naturgewalten des offenen Meeres auf wunderbare Weise trotzen.

Charcos heißen die natürlichen Schwimmbäder, wörtlich übersetzt bedeutet der Name so viel wie Pfütze, was ihrem Ausmaß und der Tiefe aber in keiner Weise gerecht wird. "Diese Pools gibt es auf der ganzen Insel, vor allem im Norden finden sich viele von besonderer Schönheit, die umgeben sind von einer atemberaubenden Naturkulisse", schwärmt Ancor Robaina. Der Reiseleiter lebt im nördlichen Teil Teneriffas und ist leidenschaftlicher Schwimmer. Er genieße die Abgeschiedenheit und Ruhe der Becken, zu denen sich größere Touristengruppen eher selten verirren.



Naturschwimmbecken mit Respekt besuchen


Vorteil der originellen Badezonen: Sie sind vor der Brandung des offenen Meeres geschützt, in aller Regel zu Fuß gut erreichbar, und installierte Treppenläufe bieten einen leichten und sicheren Ein- und Ausstieg. Und trotzdem: Dank des atemberaubenden Ausblicks auf die offene See und das darin enthaltene Salzwasser vermitteln sie das Gefühl, mitten im Meer zu schwimmen.

An der Steilküste der Gemeinde San Juan de la Rambla befindet sich der Charco de La Laja – der ideale Ort, um im kristallklaren, aber äußerst erfrischenden Wasser mit der Natur in Kontakt zu treten. Entstanden ist dieser Pool aus den kapriziösen Formen der Lava des Vulkans Teide, der sich im Zentrum der Insel befindet und gleichzeitig ihre höchste Erhebung bildet.

Auch wenn sie idyllisch wirken mögen, besucht werden sollten die Naturschwimmbecken immer mit einer gesunden Portion Respekt: "Sind die Wellen sehr hoch, ist äußerste Vorsicht geboten", warnt Ancor Robaina. "Es besteht die Gefahr, vom Wellengang ins offene Meer hinausgespült oder an die Felswände geschleudert zu werden." Wichtig sei es daher stets, Wetterlage, Winde und Gezeiten im Blick zu haben.

Ein guter Ausgangspunkt für eine Erkundungstour des nördlichen Teils der Insel ist die Stadt San Cristóbal de La Laguna. Aufgrund ihrer Universität, der ersten auf den Kanarischen Inseln, ist La Laguna mit ihren rund 75000 Einwohnern ein beliebter Treffpunkt für junge Leute. Das zeigt sich auch an den vielen Bars, Restaurants und hippen Boutiquen, die die Gassen säumen. "Die Stadt diente aufgrund der gradlinigen Anordnung ihrer Straßen, ähnlich dem eines Schachbretts, als architektonisches Vorbild für viele später errichtete koloniale Städte in Südamerika. Wegen dieser städtebaulichen Besonderheit wurde La Laguna von der UNESCO auch zum Weltkulturerbe erklärt", erzählt Reiseführer Miguel Angel del Castillo bei einer Stadttour vorbei an historischen Gebäuden, Klöstern, Kirchen und Herrenhäusern.

Nicht nur architektonisch, auch kulinarisch gibt es im Norden Teneriffas einiges zu entdecken: Eine lange Tradition hat der Weinanbau. Bauern kultivierten dort bereits vor mehreren Hundert Jahren Weißweine. "Der Lavaboden und das milde Klima sorgen für ein einzigartiges Aroma der Weine", sagt Miguel Angel del Castillo. In der Gemeinde El Sauzal, 500 Meter über dem Meeresspiegel, befindet sich das familiengeführte Weingut (spanisch: Bodega) Monje, von dessen Terrasse aus sich ein wunderbarer Ausblick auf die Weingärten und den Teide eröffnet. Das Weingut bewahrt seine edlen Tropfen in alten Eichenfässern auf – egal ob Vino Blanco, Vino Tinto oder Vino Rosado – sie alle schmecken fruchtig, kräftig und mit einer leicht mineralischen Note im Aroma. Probieren lohnt sich!

Schon Humboldt schwärmte von Teneriffas Schönheit

Ganz in der Nähe der Küstenstadt Puerto de la Cruz, auf der Nordseite des Teides, erstreckt sich das fruchtbare Orotava-Tal, von dessen Schönheit schon Alexander von Humboldt schwärmte, der 1799 auf Teneriffa Halt machte und gesagt haben soll: "Ich habe im heißen Erdgürtel Landschaften gesehen, wo die Natur großartiger ist, reicher in der Entwicklung organischer Formen. Aber nachdem ich die Ufer des Orinoko, die Cordilleren von Peru und die schönen Täler Mexikos durchwandert, muss ich gestehen, nirgends ein so mannigfaltiges, so anziehendes Gemälde vor mir gesehen zu haben."

Wer das Orotava-Tal passiert, sollte sich einen Besuch der Hafenstadt Puerto de la Cruz nicht entgehen lassen. Ein Schlenker abseits der touristischen Hauptstraßen führt in das alte Viertel La Ranilla. Die bunten Häuschen wurden einst von den Fischern der Stadt bewohnt, die in ärmlichen Verhältnissen lebten. Heute erstrahlen die Gassen in neuem Glanz und locken mit einer ganz besonderen Sehenswürdigkeit, auch bekannt unter dem Namen "Puerto Street Art". 16 großformatige Bilder spanischer Graffitikünstler stechen an den farbigen Hausfassaden hervor und verleihen dem Viertel ein künstlerisches Flair.

Dass Vulkanausbrüche in der Vergangenheit immer wieder die charakteristische Landschaft Teneriffas geformt haben, zeigt sich auch in der alten Hafenstadt Garachico an der Nordwestküste der Insel. 1706 hat der letzte Ausbruch des Vulkans Trevejo einen Großteil der Stadt unter sich begraben. "Als die Lavaströme damals das Meer erreichten, formten sich viele Naturbecken, die heute sowohl von den Bewohnern der Stadt als auch von ihren Besuchern gerne zur Abkühlung im Sommer genutzt werden", erzählt Ancor Robaina. Die sogenannten Piscinas sind frei zugänglich, teilweise über Brücken miteinander verbunden und ermöglichen trotz der starken Wellen des offenen Meeres ein ruhiges und geschütztes Baden – schließlich stellen sich die bizarren Steinformationen, die sich einst aus der abgekühlten Lava des Vulkans im Meer formten, den ungezähmten Naturgewalten unaufhaltsam in den Weg.

Redakteurin Sarah Woipich recherchierte vor Ort auf Einladung des Spanischen Fremdenverkehrsamtes.

Teneriffa ist die größte Insel der zu Spanien gehörenden Kanaren vor der Küste Westafrikas. Auf der sogenannten "Insel des ewigen Frühlings" herrscht das ganze Jahr über eine angenehme Temperatur von 22 Grad.

ANREISEN
Per Direktflug von München zum Flughafen Teneriffa Süd.
Mit dem Mietauto oder Bus weiter über die Autobahn TF-1 bis nach La Laguna. Die Entfernung beträgt etwa 65 Kilometer, und die Fahrt dauert ungefähr 50 Minuten.

ÜBERNACHTEN
Hotel Laguna Nivaria: Zentral gelegen im historischen Zentrum von San Cristóbal de La Laguna. Die eleganten Zimmer befinden sich in einer Villa aus dem 16. Jahrhundert,

www.lagunanivaria.com


KULINARIK

Muelle Viejo: Fischrestaurant mit Blick auf das offene Meer in Alcalá.

Mirador de Garachico: Gehobene Küche mit Spezialitäten der Insel in der Altstadt von Garachico.

www.spain.info

www.webtenerife.de