Neue Studiengänge locken mit tollen Titeln und modernsten Inhalten. Aber sind sie wirklich besser als die Klassiker? Und: Wie sehr prägt die Entscheidung die eigene berufliche Laufbahn?
Sie tragen Titel wie „Angewandte Künstliche Intelligenz“, „Digital Business Management“ oder „Bio-Materials Engineering“. Jedes Jahr gibt es in Deutschland neue Studiengänge. Doch klingen die nur gut oder können sie auch mehr? Und wie entscheidet man sich zwischen Trend und Klassiker?
Über 10.000 grundständige Studiengänge stehen Studieninteressierten in Deutschland zur Auswahl. Eine beachtliche Zahl. Aber: „Es werden weit weniger, wenn man die 10.000 in Grundlagenstudiengänge und interdisziplinäre oder stark spezialisierte Studiengänge unterteilt. Und genau das sind die Angebote, die neu auf dem Markt sind“, sagt Michael Warnck, Berufsberater bei der Bundesagentur für Arbeit.
Klassisch oder modern – wo der Unterschied liegt
Während klassische Studiengänge zunächst die fachlichen Grundlagen zu einem Themenbereich legen, bieten neue Studiengänge oft interdisziplinäre und fachlich bereits spezifizierte Ausbildungen an.
„Ein neuer und ein klassischer Studiengang sind keine totalen Gegensätze“, sagt Claudia Breuer von der Zentralen Studienberatung der Technischen Universität Darmstadt. Zum einen würden klassische Studiengänge regelmäßig reakkreditiert und dabei einer Art Generalüberholung unterzogen. „Alle Studiengänge entwickeln sich ständig weiter, selbst wie sie noch immer so heißen wie früher. Sie bleiben aber insgesamt stärker ihrem Kern verhaftet, als neue Studiengänge es tun.“
Zum anderen, beinhalteten auch neue Studiengänge immer Kernelemente der fachlichen Grundlagen. „Das geht gar nicht anders. Ohne Mathe und Physik kommt man, etwa in technischen Studiengängen, nicht weit“, so Breuer. Der Unterschied liege vielmehr in der Perspektive. „Das Neue an neuen Studiengängen ist, dass sie zum Beispiel zwei bisher nicht zusammen gedachte Wissenschaftsfelder kombinieren.“ Der Studiengang Bio-Materials Engineering zum Beispiel kombiniert Naturwissenschaften - etwa die Biologie mit dem Maschinenbau.
Mit der Spezialisierung wählen Studierende in der Regel bewusst einen Fokus auf Teilbereiche des Faches, sagt Manuela Lautenschläger, die ebenfalls im Team der Zentralen Studienberatung der TU Darmstadt arbeitet. „Das ist unter Umständen sehr gut, weil ich eine große Fachexpertise in einem bestimmten Bereich habe. Es kann mir viele Türen öffnen, aber andere Türen kriege ich nicht so leicht auf.“
Mehr als nur der Name zählt
Dass der Name des Studiengangs eine nahezu magische Wirkung auf Studieninteressierte haben kann, hat Michael Warnck schon oft beobachtet. „Überall da, wo Design oder Management draufsteht, sind die Schüler viel interessierter als bei Informatik, Mathematik oder Betriebswirtschaftslehre.“
Er hält die Bezeichnungen der Studiengänge auch für ein Marketinginstrument vieler Hochschulen. „Gerade, wenn wir über Spezialisierungen reden, ist man schnell bei privaten Hochschulen mit kleinen Lerngruppen, modernen Laboren und aktuellster Technik.“ Doch hinter privaten Hochschulen stehen auch Studiengebühren, die die Studierenden selbst zu zahlen haben.
Bei Unsicherheit: Eher beim Grundlagenstudium bleiben
In jedem Fall empfiehlt der Berufsberater Studieninteressierten, einen genauen Blick in die Modulbeschreibungen zu werfen. „Es ist nicht grundsätzlich schlecht einem Trend zu folgen. Wir sind Herdentiere und fühlen uns dort wohl, wo viele sind. Aber ich glaube, es ist wichtig, sich jenseits der schillernden Überschriften die konkreten Inhalte eines Studiengangs anzuschauen.“
Bei Unsicherheiten oder Zweifeln rät Warnck, eher einen Grundlagenstudiengang zu wählen und die Spezialisierung auf den Studienverlauf oder das Master-Studium zu verschieben. „Es geht darum, den Raum für die eigene Entwicklung zu öffnen.“ Das bieten Grundlagenstudiengänge eher als stark spezialisierte Studiengänge.
Traditionell oder innovativ: Was passt zu mir?
Bei der Suche nach dem passenden Studienfach ist die Frage nach den eigenen Stärken nicht weit. „Aber auch die Frage, was mich interessiert und wo meine übergeordneten Kompetenzen liegen und wie ich diese miteinander verkreuzen kann, sollte dabei eine Rolle spielen“, sagt Manuela Lautenschläger. Wer begabt in Sprachen ist, müsse nicht unbedingt Linguistik studieren. „Es gibt verschiedene Bühnen, auf denen man Sprache platzieren kann. Auch Informatik, also eine Programmiersprache, ist Sprache.“
Wollen die Studieninteressierten die Inhalte in erster Linie um ihrer selbst willen verstehen oder liegt ihnen mehr daran, in die Anwendung des Wissens zu kommen? Dies ist eine der Fragen, die Claudia Breuer stellt, um herauszufinden, ob das Herz der Studieninteressierten beispielsweise eher für die Naturwissenschaften oder die Ingenieurwissenschaften schlägt.
Bei der Wahl zwischen Klassiker und neuem Studienfach hilft es zu schauen, wie konkret die Berufsvorstellungen bereits ausgeprägt sind. „Wer einen ganz klaren Weg vor sich hat, für den bietet sich gegebenenfalls eine frühe Spezialisierung an. Wenn man sich noch nicht sicher ist, empfehlen wir eher ein Grundstudium und sich dann im Master zu spezialisieren“, sagt Lautenschläger.
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