Selbstversorger
Im Test: Was der Lightyear Zero anderen E-Autos voraus hat

24.01.2023 | Stand 24.01.2023, 12:38 Uhr

Lightyear Zero - 1000 Kilometer ohne Nachladen: Statt Strom aus der Steckdose nutzt der Lightyear Zero die Kraft der Sonne. Dafür müssen Käufer aber auf Komfort und Tempo verzichten. - Foto: Lightyear/dpa-mag

Geringe Reichweite, hohe Kosten - das sind die typischen Einwände gegen Elektroautos. Doch Lex Hoefsloot lässt das nicht gelten. Wenn sein niederländisches Start-up Lightyear bald den Zero in den Handel bringt, werden es Kritiker schwer haben.

Die Solarbranche boomt. Jetzt entdeckt sogar die Autobranche die Sonne als kostenlosen Energielieferanten. Experimentiert wird dort mit der Solartechnik schon länger. Doch mit dem Zero will das niederländische Start-up Lightyear zum Ende des Jahres das erste Serienauto anbieten, das die Sonne in den Tank packt.

Genau wie vor einem Jahrzehnt, als Tesla erstmals einen Lotus Elise zum Stromer machte, könnte nun Lightyear mit dem Zero einen neuen Trend auslösen. Und auch diesmal müssen die Kunden der ersten Stunde tief in die Tasche greifen und sich schnell entscheiden. Denn mehr als 946 Autos soll es nicht geben, und unter 297.500 Euro ist der Sonnenwagen nicht zu haben.

Von Grund auf neu entwickelt

Während Tesla damals den Roadster umgebaut hat, haben die Niederländer den Lightyear Zero von Grund auf neu entwickelt. Denn es ging ihnen nicht allein darum, eine möglichst große Fläche für die Solarzellen zu schaffen, die sich über Dach, Heck und Fronthaube verteilen. Um mit dem Sonnenstrom möglichst weit zu kommen, brauchten sie auch ein auf Effizienz ausgelegtes Gesamtkonzept.

So hat Lightyear den Luftwiderstand auf einen rekordverdächtigen cW-Wert von 0,19 gedrückt. Das ging mit einem extrem flachen Aufbau, mit voll verkleideten Rädern, geschlossenen Radkästen an der Hinterachse und Kameras statt Spiegel. Das Gewicht ist mit 1,6 Tonnen niedriger als bei manchem Kleinwagen und für ein Elektroauto von 5,09 Metern Länge eine Ausnahme. Und weil so wenig Energie verloren geht, baut Lightyear erstmals bei einem Serienfahrzeug Radnabenmotoren ein.

1000 Kilometer ohne Nachladen

Das Ergebnis ist entsprechend eindrucksvoll: Mit der 60 kWh großen Batterie kommt der Lightyear im besten Fall mehr als 600 Kilometer weit. Und der Verbrauch ist mit 10,5 kWh auf 100 km etwa halb so groß wie beim Model S oder Mercedes EQS. Selbst die eher wenigen Sonnenstunden nördlich der Alpen reichen dem Zero deshalb für 50 Kilometer pro Tag, haben die Entwickler ermittelt. Südeuropäern stellen sie 70 Kilometer und mehr in Aussicht. Weil er über die Solarzellen permanent nachlädt, ist der Zero an der Steckdose ein seltener Gast: Über 1000 Kilometer oder eine Woche ohne Ladestopp erscheinen bei moderater Fahrweise realistisch.

Enthaltsamkeit zu Luxus-Preisen

Zwar rücken das Format und mehr noch sein Preis den Lightyear Zero in die Luxusklasse, doch außer bei der Reichweite können die Holländer nicht mit Model S, EQS und Co konkurrieren - und wollen das auch gar nicht. Denn die Effizienz verlangt einen gewissen Verzicht. So leisten die vier Radnabenmotoren zusammen nur 132 kW/180 PS und sind damit schwächer als die meisten Varianten des VW ID3. Obwohl die Motoren auf ein vereintes Drehmoment von 1720 Nm kommen, beschleunigt der Zero schlechter als die meisten Kleinwagen. So braucht er bis Tempo 100 ganze zehn Sekunden und fährt der Konkurrenz mit maximal 160 km/h meist hinterher.

Und während man sonst hinter üppigen Bildschirmlandschaften thront und von elektronischen Helfern umsorgt wird, gibt es im Zero kaum mehr als eine Klimaanlage und Fensterheber. Massagesitze, Ambientelicht, Highend-Soundsystem? Treibt alles nur den Preis und den Verbrauch in die Höhe. Auch beim Laden muss sich der Lightyear aus Kostengründen mit einer Leistung von 60 kW begnügen.

Fazit: Sonnige Aussichten

Mit dem Zero wird der Straßenverkehr nicht gleich klimaneutral werden - erst recht nicht bei einer so geringen Auflage. Doch immerhin macht Lightyear einen Anfang. Schließlich wollen die Niederländer schon in drei Jahren ein Modell für ein Zehntel des Preises nachschieben. Nicht augeschlossen, dass bald jeder Hersteller eines Elektroautos auf Solarzellen setzen wird. Und spätestens da lohnt noch einmal der Blick auf den Werdegang von Tesla. Wenn Geschichte sich wiederholt, dann hat das Elektroauto sonnige Aussichten.

Datenblatt: Lightyear Zero

Motor und AntriebVier elektrische Radnabenmotoren
Max. Leistung:132 kW/180 PS
Max. Drehmoment:1720 Nm
Antrieb:Allradantrieb
Getriebe:Eingang-Automatik
Maße und Gewichte
Länge:5083 mm
Breite:1972 mm
Höhe:1445 mm
Radstand:k.A.
Leergewicht:1575 kg
Zuladung:k.A.
Kofferraumvolumen:640 Liter
Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit:160 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h:10,0 s
Durchschnittsverbrauch:10,5 kWh/100 km
Reichweite:650 km
CO2-Emission:0 g/km
Kraftstoff:Strom
Schadstoffklasse:k.A.
Kosten:
Basispreis:297.500 Euro

Alle Daten laut Hersteller

© dpa-infocom, dpa:220704-99-900679/11