Eishockey-Oberliga Süd

Besser ohne Torhüter? Höchstadt verblüfft die Liga mit einem kuriosen Keeper-Trick

08.12.2022 | Stand 09.12.2022, 8:50 Uhr

Verwaistes Eishockey-Tor: Den Goalie zugunsten eines zusätzlichen Feldspielers herauszunehmen, gilt als bewährtes taktisches Mittel in bestimmten Spielsituationen. Ein neuer Trend aus dem russischen Eishockey könnte für eine häufigere Anwendung des Stilmittels sorgen. −Foto: Imago Images

Von Roland Rappel

Wenn eine Partie mit Beteiligung des Höchstadter EC in die Verlängerung geht, dann kann man in dieser Saison der Eishockey-Oberliga Süd mit einer Kuriosität rechnen:

Die Franken ziehen in der Overtime – ohne angezeigte Strafe – den Torhüter zugunsten eines vierten Feldspielers. Es ist ein kleiner Trend, der sich vergangene Saison in der russischen KHL etabliert hat und nun auch in Europa Einzug hält. Auch in der DEL und DEL2 wurde Anfang der Saison das ein oder andere Mal der Goalie gezogen, so richtig regelmäßig wird das aber vor allem vom Höchstadter EC in der Oberliga Süd fabriziert.

Die „Alligatoren“ haben mit diesem Spielzug eine ausgeglichene Bilanz: Zweimal – gegen Lindau und Bad Tölz – führte der Vorteil mit einem Feldspieler zu einem Sieg, zweimal konnte der Gegner, in diesen Fällen Landsberg und Weiden, ins verwaiste Tor einschieben. Ein fünftes Mal – gegen die Passau Black Hawks – konnte man den Torhüter nicht ziehen, da der Gegner in Überzahl in die Overtime gestartet war und das Spiel schließlich für sich entschieden hatte.

Höchstadts Team-Manager Daniel Tratz sieht seinen Club mit dieser Taktik auf einem innovativen Weg. „Wir suchen immer einen Weg, um uns von der Konkurrenz abzuheben und ein Stück weiterentwickeln zu können. Wir wollen das Risiko gehen und attraktives Eishockey spielen. Bei Vier-gegen-Drei hat man einen extremen Vorteil“, sagt er. Vor allem, wenn man, so wie Höchstadt, Spieler hat, die sicher an der Scheibe sind. Tratz: „Das Ziel ist, dass man den Gegner gar nicht erst an den Puck kommen lässt. Wir versuchen, so die Lotterie zu gewinnen.“ Wenn allerdings der Gegner den Puck erobert, dann ist die Taktik schnell über den Haufen geworfen, denn als Feldspieler hat man kaum eine Chance den gegnerischen Torerfolg zu verhindern.

Die Überraschung macht den Effekt aus

Auch wenn die Taktik schon schief ging, lässt man sich aber nicht aus der Ruhe bringen und will weiter auf diesen Spielzug setzen. „In der jetzigen Saisonphase spricht überhaupt nichts dagegen, das zu machen“, so Tratz: „Etwas anderes wäre es vielleicht, wenn wir jetzt Siebter wären und unbedingt den Zusatzpunkt für Rang sechs benötigen würden. Dann würde man es sich sicherlich zweimal überlegen.“ Besonders die ersten Male sei bei den Gegnern fast schon Fassungslosigkeit festgestellt worden. „Die Spieler von Lindau wussten gar nicht mehr, was jetzt passiert. Es ist schon nachvollziehbar, dass man da erst einmal orientierungslos ist“, meint Tratz: „Der Überraschungseffekt spielt eine große Rolle.“

„Höchstädter Taktik“ für künftige Lehrbücher?

Diesen auszunutzen, ist ein Schlüssel – zumal man nicht zwangsläufig gleich zu Beginn der Overtime den Goalie ziehen muss. „Das kann man zu einem beliebigen Zeitpunkt machen, man muss nur in Scheibenbesitz sein.“ Mittlerweile seien die Gegner aber besser darauf vorbereitet, dennoch wisse man nie, ob und wann Höchstadt den Torhüter rausnimmt. „Das kann direkt zu Beginn der Overtime sein, oder auch erst nach zwei Minuten“, weiß Tratz.

Auch andere Teams in der Oberliga haben diese Taktik schon versucht. Peiting hat in Bad Tölz seinen Torhüter für einige Augenblicke gezogen, am Ende aber wieder zurückbeordert. Irgendwann wird vielleicht, so Höchstadts Team-Manager Daniel Tratz mit einem Augenzwinkern, der Move als „Höchstädter Taktik“ in die Lehrbücher für Trainer eingehen.

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