Drittes Studioalbum erschienen

Voodoo Jürgens sucht die Abgründe: „Wie die Nocht noch jung wor“

02.12.2022 | Stand 18.09.2023, 21:04 Uhr

Er war Zuckerbäcker und Friedhofsgärtner. Heute ist Voodoo Jürgens fixer Bestandteil der Wiener Musikszene. −Foto: dpa

Der österreichische Sänger und Songwriter Voodoo Jürgens ist gewissermaßen das Gegenteil von Udo Jürgens. Mit seinen wild zerzausten Locken, seinem Schnauzbart und seinem Faible für Vintage-Mode produziert der 39-Jährige sympathisch verlotterte Musik. Mit Wiener Schmäh, hinter dem sich Abgründe auftun – wie zum Beispiel in seinem bisher bekanntesten Song „Heite grob ma Tote aus“ (Heute graben wir Tote aus). Jetzt haben er und seine Band Ansa Panier das drittes Studioalbum mit dem Titel „Wie die Nocht noch jung wor“ veröffentlicht – es hat mehr mit Tom Waits gemein als mit dem perfekten Unterhaltungssound von Udo Jürgens.

Zum Song „Fost wie ans“ gelangen Sie hier

Voodoo schätzt einige Songs von Udo, erzählt der als David Öllerer geborene Musiker inmitten eines Haufens von Instrumenten in einem Wiener Tonstudio. Darüber hinaus gibt es keine Anknüpfungspunkte. „Ich wollte eigentlich nicht so die große Udo-Geschichte draus machen“, sagt er und will lieber über andere Dinge reden. Zum Beispiel über das neue Album, das rätselhafter und metaphernreicher daherkommt als die zwei Vorgänger.

Da gibt es den Song „Hoiber Preis“ (Halber Preis), der mit Hilfe eines asthmatischen Harmoniums und einer Tuba die Verlockungen des Konsums besingt. Voodoo Jürgens nennt es eine „Zirkusrumpelnummer“. Einen hypnotisierenden Sound entfaltet das Lied „Fost wie ans“ (Fast wie eins), das nur scheinbar um ein vertrautes Liebespaar kreist. „Es geht um eine Sucht, die wie ein Partner wird und sich umhängt.“

Voodoo Jürgens’ Musik ist aber nicht durchgehend düster, sondern wechselt oft zwischen Stimmungen – so wie „Federkleid“, in dem von einem rotweintrunkenen Sommer am Ende nur ein schwarzgefiederter Vogel übrig bleibt. Das Lied „Es geht ma ned ei“, klingt zwar fast wie ein fröhlicher Pop-Song, beschreibt aber eine ungesunde Beziehung.

Bevor David Öllerer als Teenager in die Wiener Kunst- und Musikszene eintauchte, begann er eine Lehre bei einer traditionsreichen Konditorei, die einst den kaiserlichen Hof der Habsburger belieferte. Die letztlich abgebrochene Ausbildung hat Voodoo Jürgens auf dem Album in dem aggressiv herumeiernden Walzer „Zuckerbäcker“ verarbeitet. Die Arbeit habe ihn damals depressiv gemacht, erzählt er. „Ich hab’ mir gedacht, dass ich den falschen Weg eingeschlagen hab’“. Es folgte ein Job als Friedhofsgärtner in Wien, bevor sich die Karriere endgültig in Richtung Musik bewegte.

Heute ist Voodoo Jürgens fixer Bestandteil der Wiener Szene, in der Musiker auf verschiedene Weise die Dialekt-Tradition des Austropop zu neuem Leben erweckt haben, von dem Sänger Nino aus Wien über die Wienerlied-Rapper Kreiml & Samurai bis zu den Stars der Band Wanda („Amore“). Voodoo Jürgens und Wanda-Leadsänger Marco Wanda gewannen voriges Jahr übrigens mit ihrem FC Mehrgehtned den Titel im Wiener Band Fußball Cup.

An die Spitze der österreichischen Charts spielte sich Voodoo Jürgens bereits 2016 mit seinem ersten Album. Mit dem zweiten belegte er 2019 Platz zwei. Mit dem dritten tourt er ab Februar durch Deutschland.

Albert Otti


•„Wie die Nocht noch jung wor“ erscheint bei Lotterlabel

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