Klavier-Genie aus Schweden

Fund auf der Festplatte: Neue Musik von Esbjörn Svensson

19.11.2022 | Stand 19.09.2023, 5:04 Uhr
Ulrich Steinmetzger

Bei einem Tauchunfall starb der schwedische Pianist im Juni 2008 mit erst 44 Jahren. In seinem Keller hatte er davor berührende Solostücke aufgenommen, die nun erscheinen. −Foto: Katarina Grip Höök

Der 14. Juni 2008 war für den europäischen Jazz ein tiefschwarzer Tag. Bei einem Tauchunfall war der schwedische Pianist Esbjörn Svensson, erst 44 Jahre alt, ums Leben gekommen. Er hatte eine ungewöhnliche Popularität erlangt, weil er mit dem Kontrabassisten Dan Berglund und dem Schlagzeuger Magnus Öström seit Mitte der neunziger Jahre als e.s.t. dem Pianotrio des Jazz eine neue Spielart eingeschrieben hatte. Zehn Jahre nach Svenssons Tod entdeckte seine Witwe auf einer Festplatte nie gehörte Solostücke von ihm, die nun veröffentlicht wurden.



Die Band um Esbjörn Svensson wurde zu einer Institution, die einen noch immer unerreichten Maßstab formulierte: griffig, einnehmend, entwaffnend gut und mit immensen Sympathien auf den Bühnen rund um die Welt, wo sie vorführte, wie tragfähig ihr Konzept auch live funktionierte. So zu erleben etwa 2001 und 2004 bei der Jazzwoche in Burghausen. Durch diese Präsenz haben e.s.t. dafür gesorgt, dass sich die Frage Jazz oder Pop erübrigte.

Esbjörn Svenssons Witwe Eva hat in seinem Computer, dessen Inhalt sie auf Festplatte speichern ließ, Solostücke gefunden, die sie um das Jahr 2018 erstmals hörte. Sie empfand das Besondere dieser im Keller des gemeinsamen Hauses entstandenen Selbstvergewisserungen ihres Mannes und ging damit zu Åke Linton, dem Tontechniker aller e.s.t.-Aufnahmen.

Hört man diese nun erscheinenden neun Pianostücke, kann man sich gut vorstellen, wie nahe ihnen diese Musik gegangen sein wird. „Und auch nachdem sie zu Ende war, konnten wir zunächst nichts sagen, weil wir beide so gerührt und überrascht waren – darüber, dass die Musik existierte und so wunderschön war“, erinnert sich Eva Svensson.



Esbjörn Svensson hat nie vorher Soloalben veröffentlicht. Sie zeigen eher die melancholische Seite des Pianisten, der zeitlebens ein Suchender war und nie simple Reproduktionen des einmal Erreichten ablieferte. So kann man nur orakeln, ob diese im Frühling des Todesjahres aufgenommenen Stücke fürs Trio, als Solostücke oder für eventuelle neue Konstellationen gedacht waren oder nur zurückgezogene Skizzen sind. Doch ist solches Nachdenken ohnehin müßig, wenn eine so besondere Stimme wie die von Esbjörn Svensson noch einmal zu erzählen anhebt.

Ulrich Steinmetzger


• Esbjörn Svensson: Home.S., Act (Edel), CD ca. 20 Euro

• Unter dem Stichwort „Esbjörn Svensson Trio Burghausen“ finden sich auf Youtube die Auftritte bei der Jazzwoche Burghausen

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