Sizilien: Zitronen zum Frühstück

28.11.2014 | Stand 28.11.2014, 17:10 Uhr

Pflücken mit Aussicht: Die Zitronen von der eigenen Bio-Farm serviert Andrea Monello morgens den Gästen der Bed-and-Breakfast-Unterkunft. − Fotos: Mirja-Leena Zauner

Paolo Monello (54) lenkt seinen Wagen stadtauswärts durch die von Palmen gesäumten Straßen Avolas. Seine braunen Augen schauen angestrengt auf den Weg, vorbei am Cimitero. "Da leben meine Eltern jetzt", sagt Paolo und wirft einen Blick hinüber zum Friedhof.

Sein Vater war Kaufmann. Er handelte mit dem begehrtesten Rohstoff der 30000-Einwohner-Stadt: den Avola-Mandeln, deren hohe Qualität von den Sizilianern gepriesen wird. Paolo Monello, der im Hauptberuf eigentlich Sportlehrer ist, baut im kleinen Stil Südfrüchte an. Orangen, Mandarinen, Granatäpfel, Kaktusfeigen und auch ein paar Mandelbäume wachsen auf seiner drei Hektar großen Bio-Plantage. Der Weg dorthin ist schmal und holprig.

Appartements auf dem LandAngekommen vor einem gusseisernen Tor, das sich automatisch öffnet, wandelt sich Paolos Gesichtsausdruck. Entspannt lässt er seinen Blick nach links und rechts durch die Baumreihen schweifen, während der Wagen langsam die staubige Straße hinunterrollt. Ein hübsches flaches Häuschen sizilianischer Bauart mit vielen Steinmauern rundherum bildet das Zentrum von Paolo Monellos Kosmos. Ein Kosmos, den er und seine Familie künftig mit anderen Menschen teilen wollen. Denn hier, ein paar Kilometer außerhalb Avolas, entstehen fünf Appartements, ganz im Sinne des "Agriturismo".

Diese italienische Variante von "Ferien auf dem Bauernhof" ist eine sanfte Art des Tourismus, die ein intensives Kennenlernen der Region ermöglicht. Auch profitiert der Gast von frischesten Bio-Früchten von den Bäumen rundherum. Landwirtschaftlich erfolgreich vermarkten lassen sich die Produkte indes nicht, klagt Monello. "25 Cent für ein Kilo Bio-Zitronen sind ein Frevel", findet er. Gerade in einer wasserarmen Region wie Sizilien ist die Versorgung von Zitrusbäumen sehr aufwendig. Obwohl Paolo Monello zwei Quellen sein Eigen nennen kann, muss er die Beförderung des Wassers aus 60 Meter Tiefe erst einmal ermöglichen. "Das kostet eine Menge Geld. Und ein Zitronenbaum braucht pro Woche tausend Liter Flüssigkeit."

Paolo Monello, der bisher keinen Direktkäufer für seine Ware ausfindig machen konnte, sondern eben an einen Großhändler zu schlechten Konditionen verkaufen muss, betreibt die Plantage vor allem aus Leidenschaft. Bevor die sizilianische Sonne vormittags zu brennen beginnt, kommt der 54-Jährige hierher. Als Erstes steckt er sich eine Zigarre an, versorgt dann seine beiden Rösser Alex und Solero, mistet den Stall aus und gibt ihnen Futter. Die Pferde mögen zum Beispiel die saftig-orangenen Kaki-Früchte, die auf der Plantage wachsen. Paolo gibt ihnen die weichen mit der aufgesprungenen Schale, die am Boden liegen.

Die guten Früchte, die noch am Baum hängen, pflückt Paolo sorgfältig. Auch einen Eimer voller Zitronen − sie haben eine grüne Farbe, wenn sie ganz frisch sind − und einen Korb mit Granatäpfeln befüllt er.

Die frischen Früchte werden später, wenn es für Urlauber Zeit ist aufzustehen, auf dem Frühstücksbuffet der bereits bestehenden Bed-and-Breakfast-Unterkunft Monellos an der Küste serviert. Im Gegensatz zu anderen italienischen Quartieren, wo das Frühstück gerne aus in Plastik verpackten Hörnchen besteht, legt man im familiär geführten "La Terrazza sul mare" Wert auf unbedingte Frische und Bio-Qualität.

Mandelkuchen für die GästeAndrea Monello, Junior-Chef und jüngster Sohn Paolos, kümmert sich hier um das Wohl der Urlaubsgäste. Mamma Graziella wirkt als guter Geist im Hintergrund, kocht Zitronen und Orangen zu Marmelade ein, backt Mandelkuchen und produziert sogar Limoncello selbst, den süßen italienischen Dessertlikör. Der Käse kommt aus dem Nachbardorf, die Eier werden am Markt von Bauern gekauft.

Der 25-jährige Andrea bedient die Kaffeemaschine, räumt ab, holt Gäste von der Bushaltestelle, holt Getränke und koordiniert die Zimmerreinigung. Wenn Zeit bleibt, springt er schnell in die Fluten vor dem Haus. Zum Ausgleich macht er mit dem Mountainbike mal eine längere Bergtour. "Ich möchte einfach gerne in meiner Heimat bleiben und das Niveau des Hauses halten", sagt Andrea, der mit seinen Eltern im gleichen Haus wie die Gäste wohnt.

Die beiden älteren Söhne Paolos haben Sizilien den Rücken gekehrt, Salvatore versucht in San Francisco als IT-Ingenieur sein Glück, und Christian studiert in Rom Medizin. Hohe Arbeitslosigkeit und wenig Zukunftsperspektiven lassen junge, gebildete Menschen abwandern. Mittlerweile leben mehr gebürtige Sizilianer in Norditalien oder im Ausland als auf ihrer Heimatinsel.

Paolo Monello und seine Familie trotzen der Krise mit ihrem Mix aus Hotellerie und Bio-Landwirtschaft. Im November, wenn die Sonne nachlässt und mit ihr der Strom der Reisenden, ist Zeit für die Zitronenernte. Und wenn das geschafft ist, reiten Vater und Sohn in die Berge und beraten den Ausbau der Ferienwohnungen, die über den Winter zwischen den Zitronenbäumen entstehen.

INFOAnreisen: Verschiedene Airlines bieten Verbindungen nach Sizilien an, beispielsweise Air Malta.

Übernachten: Bed and Breakfast "La Terrazza sul mare", Familie Paolo Monello, Avola, Doppelzimmer 60 bis 90 Euro pro Nacht, www.laterrazzasulmare.com.

GRAZIELLAS ZITRONENMARMALADEGraziella verrät den PNP-Lesern ihr Rezept für Zitronenmarmelade:

Je nach gewünschter Menge benötigt man Zitronen und Zucker − für ein Kilogramm Bio-Zitronen ein Kilogramm Zucker. Die Zitronen schälen, die weiße Haut zwischen Schale und Fruchtfleisch entfernen. Nur die Schale und das zerkleinerte Fruchtfleisch werden in einem Liter Wasser aufgekocht. Das Wasser abseihen, dann die Masse mit dem Zucker vermischen und mit dem Mixstab während des Köchelns 30 Minuten lang immer wieder rühren.

Mirja-Leena Zauner arbeitet als freie Reisejournalistin und war privat auf Sizilien.

URL: https://www.pnp.de/archiv/1/sizilien-zitronen-zum-fruehstueck-7382741
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