Schwarzwald: Weites Land, enge Familienbande

01.11.2019 | Stand 01.11.2019, 8:00 Uhr

Der Blick in die weite Landschaft mit der Kirche von St. Märgen in der Ferne: In den ehemaligen Räumen des benachbarten Klosters ist heute das Uhrenmuseum untergebracht. Es kann sich durchaus mit seiner großen Schwester in Furtwangen messen.

Kuckucksuhren, die berühmte Kirschtorte, dichte Wälder – dafür ist der Schwarzwald bekannt. Das größte Mittelgebirge Deutschlands lebt heute vor allem vom Tourismus – und der ist nach wie vor sehr familiär geprägt.

Es dauert keine Minute, schon sind die Neuankömmlinge auf der Koppel umzingelt: Franjo blinzelt interessiert unter seinem blonden Schopf hervor, Amira ist schon einen Schritt weiter und mümmelt neugierig an Jacke und Tasche. Während die älteren Pferde unbekümmert weitergrasen, umschwärmen die jüngeren die Besucher und lassen sich die dunkelbraunen Hälse tätscheln. "Es handelt sich um einen Typ Pferd, zu dem auch Kinder schnell Vertrauen fassen", sagt Lisa Meier über die Schwarzwälder Kaltblutpferde.

"Gutmütig, fleißig, robust" sind auch die Wörter, mit denen Meiers Vater, Manfred Feser, seine neun Pferde beschreibt. "Jahrhundertelang wurden sie hier für die Forstarbeit eingesetzt", zogen die Baumstämme aus den steilen Hängen des Hochschwarzwalds, räumten im Winter, vor den Pflug gespannt, die Straße. Während die schweren Vierbeiner nach und nach aus vielen Ställen verschwanden, hielten die Fesers, die schon seit Jahrhunderten auf dem Bartleshof in Hinterzarten leben, an der Zucht der Schwarzwälder Füchse fest. Die Familie bietet Kutsch- und Schlittenfahrten an, Lisa Meier, die ihre Ausbildung zur Pferdewirtin auf dem renommierten Marbacher Landesgestüt absolvierte, bringt den Kindern in der näheren Umgebung das Reiten bei. Denn auch dafür eignen sich die Pferde, die verglichen mit anderen Kaltblütern recht zierlich daherkommen.

Jede Menge Kraft haben Franjo und Rico trotzdem: Vor die Kutsche gespannt legen sie sich ins Geschirr und lassen sich von den Autos, die sie überholen, nicht beeindrucken. Die Kutsche biegt in den Wald ein, der Straßenlärm bleibt zurück, Lisa Meier lässt antraben. Eine goldene Nase verdiene man sich auf dem Hof nicht, sagt die junge Frau und lacht. "Aber dafür machen wir das ja auch nicht." Es gehe um die Liebe zum Tier, zur Tradition. "Die Pferde", sagt Lisa Meier, "gehören zur Familie."

Als digitaler Nachfahre beschreibt sich Rudolf Schwär, der Besucher durch das Klostermuseum St. Märgen führt. In seinem Beruf kümmert er sich um Steuerungssysteme, und solche, wenn auch ganz anderer Art, mussten sich die Erbauer der Kuckucksuhren ausdenken, um sie zum Klingen zu bringen. Dabei geht es längst nicht nur um den Kuckuck, der mit Hilfe zweier Flöten relativ leicht zum Singen zu bringen ist – "wobei dieser zu Anfang eine Amsel war". Komplexere Melodien werden bei den "Männleuhren" mit Figuren in Einklang gebracht. "Ich nenne das immer die Spielecke", sagt Schwär und führt die verschiedenen Exponate mit beinah kindlicher Freude vor.

Es sind interessante Stücke mit dabei: Mehrere Paare tanzen, zwei Geißen schlagen sich die Köpfe ein, ein Orientale "schnappt" mit seinem Mund nach der neuen Stunde. Die Zeitmesser haben rein äußerlich mit der typischen Schwarzwalduhr nichts gemein: Die "Bahnhäusleform" wurde erst im Jahr 1850 entworfen, die frühesten Uhren im Museum stammen aber von 1660. Sie besitzen lediglich einen Stundenzeiger, und der Mechanismus lag noch offen ohne Gehäuse da. Auf die frühen Waaguhren folgten Pendeluhren, nach und nach wurden sie komplizierter. Hier konnten die Uhrmacher auf die Unterstützung der Mönche im Kloster bauen. "Mit Holz kannten sie sich aus", sagt Schwär, mit Notenlesen dagegen nicht. Die Mönche brachten ihnen Kompositionslehre bei, um die Stiftwalzen – die Basis der Spieluhren – bauen zu können.

Da die Uhren nicht aus Metall, sondern aus Holz gefertigt waren, konnte auch der "kleine Mann" sie kaufen. Doch das allein machte sie noch nicht zum Verkaufsschlager: "Die ersten Uhren wurden von Glasträgern mit auf die Reise genommen", sagt Schwär, oft von Familienmitgliedern, die den Hof nicht erbten. So landeten die Uhren schließlich in Frankreich und England, aber auch in den USA. Viele Händler verdienten viel Geld und investierten es am Ende zu Hause – in einen Schwarzwaldhof.

INFORMATIONEN
Immergrüne Wälder, in denen gerne die Schauplätze von Grimms Märchen vermutet werden, malerisch gelegene Dörfer: Der südwestlichste Zipfel von Baden-Württemberg zählt zu den beliebtesten Ferienregionen in Deutschland.

ÜBERNACHTEN
Am höchsten Punkt von Lenzkirch befindet sich das Hotel Saigerhöh, von dem man einen schönen Blick auf den Hochschwarzwald hat, Infos: www.saigerhoeh.de.

ESSEN UND TRINKEN
•Nach dem Besuch des Uhrenmuseums in St. Märgen lohnt sich ein Besuch des Landfrauencafés "Zur Goldenen Krone". Es wird von zwanzig Frauen betrieben, die das Konzept – Handarbeit und regionale Spezialitäten – mit viel Begeisterung umsetzen.
•Selbst geräucherten Schinken sowie Bibeliskäse mit Bratkartoffeln gibt es auf dem Raimartihof am Feldsee. Infos: www.raimartihof.de.

AKTIVITÄTEN
Vom Raimartihof aus lohnt sich ein Spaziergang um den Feldsee am Fuße des Feldbergs, der der höchste Berg im Schwarzwald ist. Zu empfehlen ist auch eine Wanderung zum Zweribach-Wasserfall.

www.hochschwarzwald.de
www.sankt-maergen-kulturwege.de
www.bartleshof-hinterzarten.deRedakteurin Tina Steimle reiste auf Einladung der Hochschwarzwald Tourismus GmbH.

URL: https://www.pnp.de/archiv/1/schwarzwald-weites-land-enge-familienbande-7346933
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