Texel: Natur-Idyll mit Kuschelfaktor

16.07.2022 | Stand 25.10.2023, 10:41 Uhr

Auf einigen Weiden stehen alte Scheunen, die an einer Seite gerade hochragen und nach hinten abgeschrägt sind. So dienen sie den Schafen als Schutz vor dem rauen Wind, der gerade im Winter über Texel weht.

Weiße Punkte auf grünen Wiesen, wohin man sieht: Texel ist vor allem wegen der vielen Schafe bekannt. Die niederländische Insel hat aber noch viel mehr zu bieten.

Es ist laut in Lennart Wittes Kinderstube. Mehrere Dutzend Neugeborene fordern lautstark Aufmerksamkeit. Das Jüngste ist gerade einmal ein paar Stunden alt. "Määähhh, määähhh", schallt es in den unterschiedlichsten Tonlagen durch den Stall mit den vielen einzelnen Boxen, in denen Mütter und Kinder liegen. Lennart Witte ist Schafzüchter auf Texel – der niederländischen Watteninsel, auf der es mehr Schafe (etwa 14400) als Einwohner (etwa 13700) gibt. 25 Rassen züchtet der 41-Jährige, der den Hof in siebter Generation führt. Etwa 600 Tiere grasen auf seinen Wiesen. "Das ganze Jahr über kommen fast täglich Lämmer auf die Welt. Aber im Frühjahr haben wir einen richtigen Babyboom", sagt er und lacht.

Gelacht wird generell viel an diesem Tag auf dem Schafbauernhof Schapenboerderij. Vor allem Kinderlachen erfüllt den Stall. Denn viele Familien sind gekommen, um ein ganz besonderes Angebot von Lennart Witte zu nutzen: das Lämmer-Kuscheln. In einem eigens abgetrennten Bereich dürfen Besucher dem flauschigen Tiernachwuchs ganz nahe sein, die Lämmer streicheln oder sie mit der Flasche füttern.

Das Texelschaf ist auf der ganzen Welt bekannt

Die Tiere, die von den Gästen gestreichelt werden dürfen, hätten meist keine Mutter, erzählt Lennart Witte. "Manche Schafe haben keine Milch, um ihren Nachwuchs zu versorgen." Wieder andere brächten drei oder mehr Lämmer zur Welt. "Zwei Lämmchen sind jedoch genug für eine Mutter, daher ziehen wir die anderen mit der Flasche auf." Weil sie dadurch die Nähe zum Menschen gewöhnt sind, genießen die Jungtiere die Streicheleinheiten der Touristen in vollen Zügen.

Die anderen Lämmer und ihre Mütter kämen bereits zwei bis drei Tage nach der Geburt wieder hinaus auf die Weide, erklärt der Schafzüchter. Das Texelschaf – das man ebenso wie die Einwohner der Insel Texelaar nennt – verbringt das ganze Jahr im Freien. Es ist ein bulliges Schaf, das viel Fleisch ansetzt. "Es wächst sehr schnell und wird häufig wegen des Fleisches und der Wolle gezüchtet. Nicht nur auf Texel, sondern weltweit ist es bei Bauern beliebt."

Wer besonders viele Schafe sehen will, sollte mit dem Rad die Lämmer-Radroute fahren, die der Fremdenverkehrsverein VVV Texel extra deswegen geschaffen hat. Auf den Weiden, die mit hohen Grassoden-Wällen statt Zäunen getrennt sind, weil das für die Bauern in früheren Zeiten kostengünstiger war, sieht man teilweise noch alte Schafscheunen. Diese dienten vor allem dazu, dass die Schafe bei kräftigem Wind, der in Texel nicht selten vorkommt, oder im Winter etwas geschützter stehen konnten, sagt Marcel Wijnalda. Der 51-jährige ehemalige Grundschullehrer ist seit 2018 als Natur-Guide auf Texel tätig und zeigt Touristen die Besonderheiten der dortigen Flora und Fauna.

Die Route führt auch über den "Hoge Berg", was übersetzt "Höhenberg" bedeutet – auch wenn der "Berg" nur 15 Meter über dem Meeresspiegel liegt. "Der Hoge Berg entstand in der Eiszeit und gilt als Beginn von Texel", sagt Marcel Wijnalda, während er mit dem Finger eine Skizze in den sandigen Boden zeichnet. Zu einer Insel wurde Texel allerdings erst im Jahr 1170 nach der "Allerheiligenflut", bei der das Gebiet vom Festland abgetrennt wurde.

Die Lämmer-Radroute führt weiter in Richtung Käserei Wezenspyk. Während es im Kaascafé Köstlichkeiten aus Kuh-, Schafs-, oder Ziegenmilch zu verköstigen gibt, kann man vom Hofladen aus durch eine Glasscheibe direkt in die Käserei und ins Lager blicken, in dem mehr als 25000 Kilo Käse reifen. "In der Woche verarbeiten wir etwa 28000 Liter Kuhmilch und zwischen 5000 und 8000 Liter Schafs- und Ziegenmilch", sagt Mitarbeiterin Karin Guldemand. Zehn Liter Milch werden für ein Kilo Käse benötigt. Ein großer Laib bringt zehn Kilo auf die Waage. Seit mehr als 35 Jahren wird in Wezenspyk Käse hergestellt. Das Rezept für den Texeler Schafskäse ist mehr als fünfhundert Jahre alt.

Über sanfte Hügel – fast wie im Auenland bei den Hobbits

Neuer Tag, neue Radtour. Dieses Mal geht es in Begleitung von Guide Henk Slikker auf die Route "Hinter dem Rugediek", bei der man die Schönheit des Nordens der Insel entdecken kann.

Von De Koog aus strampelt der 60-Jährige an der Westküste der Insel entlang, vorbei an beeindruckenden Naturgebieten wie den Eierländer Dünen oder dem Gebiet "De Slufter", das zum Nationalpark "Dünen von Texel" gehört. Das sanfte Auf und Ab der Landschaft ist es auch, was dem Radfahrer fast das Gefühl gibt, durch die hügeligen Ebenen des Auenlandes zu radeln, das der Buch- oder Film-Fan aus J.R.R. Tolkiens Welt der Hobbits kennt.

Auf der ruhigen Ostseite der Insel wird es noch idyllischer. Links vom Radweg befindet sich das Wattenmeer, in dem einige Leute Austern sammeln. Rechts grasen Schafe auf den Deichen. Ein paar Kilometer weiter werden die wolligen Vierbeiner von gefiederten Zweibeinern abgelöst. "Auf Texel befindet sich die längste Vogelpromenade Europas. Fast 400 verschiedene Arten wurden auf der Insel gezählt", sagt Henk Slikker. Diese Vielfalt sei der Lage der Insel zu verdanken, die genau in der Bahn vieler Zugvögel liege. Im Naturschutzgebiet "Utopia" kann man so manche Vogelart dabei beobachten, wie sie im Grasland nach Nahrung sucht. Denn Verbindungen mit dem Deichgraben und dem Wattenmeer machen Utopia für Wanderfische zugänglich und bieten den Vögeln damit ein reichhaltiges Buffet.

Die Seehunde und Kegelrobben im Naturmuseum "Ecomare" müssen ihren Fisch nicht mehr selbst fangen. Drei mal pro Tag werden sie von Tierpfleger Yerko Hankmann und seinen Kollegen mit Nahrung versorgt. Drei Kilo Fisch fresse jedes Tier pro Tag.

Außerdem betreibt das Ecomare die älteste Seehundeauffangstation Europas. "Bis Mai haben wir heuer schon 72 Tiere aufgepäppelt", sagt Hankmann. In den vorigen Jahren seien es zwischen 80 und 100 Seehunde gewesen, die in der Auffangstation kuriert und wieder ausgewildert wurden. Ein ein Jahr altes Jungtier, das einen Parasiten hat, wird gerade von Yerko Hankmann gefüttert. Wenn der Tierpfleger die Makrele Richtung Becken wirft, muss der Seehund schnell sein. Denn auch die vielen Vögel – insbesondere die Möwen – auf Texel wissen, wo es ohne viel Aufwand leckeren Fisch abzustauben gibt, und schnabulieren fleißig mit.
INFORMATIONEN

Texel ist die größte und westlichste der Westfriesischen Inseln. Sie liegt vier Kilometer vor der Küste der niederländischen Provinz Nordholland und ist 25 Kilometer lang sowie acht Kilometer breit.

ANREISEN

Mit dem Flugzeug von München nach Amsterdam. Am Flughafen befindet sich ein Bahnhof. Von dort den Zug nach Den Helder nehmen (Tickets: www.ns.nl). Am Bahnhof Den Helder hält direkt am Ausgang der Pendel-Bus zur Fähre. Achtung: Bustickets können nur mit Karte bezahlt werden! Die Fähre für Fußgänger, Rad- oder Autofahrer setzt zwischen 6.30 Uhr und 21.30 Uhr stündlich auf Texel über (Tickets: www.teso.nl).

ÜBERNACHTEN
Zum Beispiel im Grand Hotel Opduin (www.opduin.nl/de/) in De Koog. Wie der Name sagt, liegt das Hotel auf einer Düne. Wenige Meter dahinter folgt der Nordseestrand.

KULINARIK
•Kaascafé Wezenspyk in Den Burg (www.wezenspyk.nl/de)
•Beachclub Texel in De Koog (www.beachclubtexel.nl)
•Restaurant Oudeland in De Koog (www.oudelandtexel.nl)

AKTIVITÄTEN
Radeln/Wandern: Auf Texel gibt es 225 Kilometer Wander- und 140 Kilometer Radwege. Räder aller Art kann man sich ausleihen, zum Beispiel bei "Fietsen op Texel" in De Koog. Räder vorab online reservieren (www.fietsenoptexel.nl)! Rad- und Wanderkarten mit den schönsten Inselrouten gibt es bei der Touristinfo VVV Texel in Den Burg.
Geführte Touren: Wer nicht auf eigene Faust losziehen möchte, kann geführte Touren buchen, zum Beispiel bei Natur-Guide Marcel Wijnalda (www.txgids.nl/de) oder bei Henk Slikker von Texel Excursies (www.texelexcursies.nl).
Rundflug: Eine tolle Möglichkeit, die Insel von oben zu entdecken, ist ein Rundflug (www.tessel-air.nl/de).

www.texel.net.de

Redakteurin Carolin Federl reiste auf Einladung des VVV Texel und hätte am liebsten den ganzen Tag mit den flauschigen Lämmern gekuschelt.

URL: https://www.pnp.de/archiv/1/texel-natur-idyll-mit-kuschelfaktor-7078823
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