Das Leben geht weiter, neuerdings gar mit 75 Prozent belegten Plätzen im Saal. Nach Schließung, Absagen und Verschiebungen hat das Kabaretttheater im Passauer Scharfrichterhaus am Wochenende seine Bühne wieder geöffnet – mit bayerischem Kabarett der jüngeren Generation.
Maxi Schafroth
"Faszination Bayern" nennt der 37-jährige frühere Bankkaufmann Maxi Schafroth aus Stephansried im Landkreis Unterallgäu sein zweites Soloprogramm nach "Faszination Allgäu". Was er am Freitagabend in der Passauer Redoute und veranstaltet vom Scharfrichterhaus abliefert, ist oberste Liga.
Der Janker, der Hut, die Cordhose, die Anmoderation von wegen "Bayerischer Heimatabend" – zum Glück alles nur Tarnung. Schafroth, seit 2019 als Nockherberg-Redner bekannt, interessiert sich nicht für Bayerntümeleien, erzählt nix über Gemütlichkeit und Grant, imitiert keine Bierdimpfel und Ratschkatl. Stattdessen analysiert er gewaltig in Präsenz und Sprechtempo, mit großem Ernst und Klamauk die weiß-blauen Eigenheiten, Irrsinnigkeiten und Verlogenheiten.
Kennen Sie den netten Brauch, das "Starnberger Gratlerteiben"? Der Bewohner mit dem niedrigsten Einkommen wird durch die Stadt getrieben, aber "ned bös gemeint, mit am Augenzwinkern". Und ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass der Oberbayer auf der Skipiste so ausladende Bewegungen vollführt, grad als ob der Hang schon im Grundbuch auf ihn eingetragen wär? Während der Allgäuer noch im Gang "verdruckt" daherkommt. Im Western-Style mit Markus Schalks Bottleneck-Gitarre malen die beiden ein finstres Allgäu-Bild: "Ist da Leben jenseits des Lechs?" Wenn ja, dann schleicht eine Mähopfer-Katz herum, und am Horizont brennt ein Opel Kadett.
Schafroth ist verblüffend vollständig als Künstler: die Texte auf den Punkt, Sprache und Dialekte nuanciert, Schauspiel und Körpersprache lässig köstlich, der Gesang nicht nur für Kabarettverhältnisse eine Wucht, ob gegrölter Kässpatzenblues oder in blasierter Randstimme gesäuseltes "Silke und Jörn laden Freunde ein" – es gibt "Ingwerschaumsüppchen mit Physalis obendrauf". Sogar tanzen kann der Mann. Eine umwerfende Vorstellung, die nebenbei die "Leitkultur" von innen zerlegt. Denn Bayern, das ist vieles.
Franziska Wanninger
"Für mich soll’s rote Rosen hageln" heißt das inzwischen vierte Solo der 40-jährigen in Marktl aufgewachsenen Münchnerin Franziska Wanninger, das sie im bestens gefüllten Schafrichterhaus am Samstagabend präsentiert hat. Immens fleißig und professionell auf allen Kanälen hat sie sich seit 2011 nach oben gearbeitet: Neben den Solos trat sie im Duo mit Martin Frank aus Hutthurm auf, mit ihm schrieb sie auch das Buch "Der famose Freistaat", das sie auf musikalischen Lesungen vorstellt. Unter demselben Titel betreibt Wanninger einen Interview-Podcast, in dem sie zuletzt ihren im Dezember 2021 gestorbenen Onkel, den Künstler Walter Wanninger vorgestellt hat. Im Juni war sie zu Gast bei Werner Schmidbauers "Gipfeltreffen" (zu sehen hier in der ARD-Mediathek).
Eingespielt von Band lässt sie sich in Passau ansagen als "Bayerisches Typenkabarett der Extraklasse". Tatsächlich quatscht sich Wanninger in Stand-up-Comedy-Art durch Alltag und Erinnerung: nervige Freundin, Sportfest, Thermomix, Sprachsteuerung im Navi, Parship. Hier und da tauchen Figuren auf: Köstlich preist die Influencerin gekühlte Esslöffel als "Miracle Spoons" zum Auflegen auf die Augen an. Rührenden Tiefgang hat die Seniorin, die Semmelknödel einfriert und schon ein Osterlamm gebacken hat, falls sie vor dem Gatten stirbt. Grandios abgründig ist der Herbergsvater, der dem Gast empfiehlt: "Probieren S’ amal die hausgemachte Salami!" – "Aso, ham Sie nu Viecher?"– "Naa. Mir ham seit ’78 koane Viecher mehr." Guten Appetit! Ihre Gesangseinlagen krönt Wanninger mit Hildegard Knefs "Roten Rosen", mit Sonnenstrahlen in Trageln und für immer vakuumierten Glücksmomenten.
Raimund Meisenberger
•Maxi Schafroth ist mit "Faszination Bayern" live zu sehen am 19.2. in Straubing, 23.2. sowie 5./6.3. und 3./4.6. München, 28.10. Rosenheim, Info und Karten auf der Seite maxischafroth.de
•Franziska Wanninger ist mit dem neuen Programm live zu sehen am 4.3. in Dorfen, 18.3. München, 24.3. Bad Birnbach, 1.4. Waldkirchen (mit den Wellküren), 11.6. Salzburg, 1.7. Neuötting, am 30.9. erneut im Scharfrichterhaus Passau als Lesung mit Musik von Florian Burgmayr. Info und Karten: franziska-wanninger.de