Passau

Malteser-Geschäftsführer über Betrugsskandal: "War absehbar"

31.05.2021 | Stand 22.09.2023, 1:02 Uhr

−Symbolbild: dpa

Ein mutmaßlicher Abrechnungsskandal erschüttert derzeit die Bundesrepublik und scheint immer weitere Kreise zu ziehen. Der Passauer Malteser-Diözesangeschäftsführer sagt: Das Ganze war absehbar.

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In mehreren Bundesländern laufen bereits Untersuchungen gegen Anbieter von Teststationen. Der Vorwurf: Sie sollen mehr Tests abgerechnet haben, als sie wirklich durchgeführt haben. Entsetzt über den mutmaßlichen Betrug zeigt sich Rainer F. Breinbauer, Diözesangeschäftsführer der Malteser.



Doch er sagt auch, dass es ein Verbrechen mit Ansage war. Und auch, wenn es keinerlei Anzeichen für solche Betrügereien in Passau gibt, fürchtet er, dass wenige schwarze Schafe nun die Unschuldigen mit in Verruf bringen könnten.

Malteser und BRK betreiben gemeinsam zwei Schnellteststationen in Passau. Wie läuft es dort?
Genau, BRK und Malteser wechseln sich wochenweise ab am Bschüttpark und an der Donaulände. Unter der Woche sind wir derzeit gut im dreistelligen Bereich unterwegs, wir machen pro Tag für gewöhnlich zwischen 120 und 150 Testungen. Jetzt am Wochenende waren es sogar über 300. Obwohl die Testpflicht in Passau derzeit nur noch für Hotelgäste gilt, wird das Angebot weiter wahrgenommen.

Halten Sie das für vernünftig?
Absolut, ich finde es gut, dass die Leute sich weiter testen lassen. Man sieht daran auch, dass die Bevölkerung die Pandemie trotz des guten Inzidenzwerts nicht auf die leichte Schulter nimmt. Und es zeigt auch, dass die Leute sich lieber professionell testen lassen wollen, anstatt die Tests zum Selbermachen zu verwenden. Das kann ich auch verstehen.

Wie haben Sie reagiert, als Sie zum ersten Mal von dem vermeintlichen Abrechnungsbetrug in einigen Testzentren erfahren haben?
Ich habe am Freitagnachmittag zum ersten Mal davon gehört, in der Tagesschau, und ich war zuerst richtig schockiert über das Ganze. Da haben Journalisten berichtet, dass z.B. ein privater Dienstleister angab, 2000 Tests vor dem Ikea und anderen Geschäften an einem Tag durchgeführt zu haben. Das ist mit so einer kleinen Teststation personell gar nicht machbar. Ich war jedenfalls sehr verärgert, als ich von diesem Betrug gehört habe. Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat dazu gesagt, dass sich die Betrüger schämen sollten. Für mich ist Scham zu wenig, das muss hart bestraft werden. Da steckt schließlich eine Menge kriminelle Energie dahinter. Und nach meinem ersten Schock dachte ich mir relativ schnell, dass das Ganze ja eigentlich absehbar war.

Zur Erklärung: Private Anbieter können jeden Test verrechnen, sie bekommen also mehr Geld, je mehr sie testen. Läuft das bei Ihnen auch so?
Nein. Bei uns Maltesern und auch beim BRK, mit dem wir zusammenarbeiten, läuft es anders. Anders als private Anbieter rechnen wir keine Tests direkt ab. Als Hilfsorganisation bieten wir Malteser unsere professionelle Dienstleistung dem Auftraggeber an. Das heißt: Wir kalkulieren Stundensätze für unser Personal und das Verbrauchsmaterial. Darunter fallen z.B. die Einmalhandschuhe, die unsere Mitarbeiter nach jedem durchgeführten Test wechseln oder die Mittel für die Flächendesinfektion. Dazu kommen noch einige Verwaltungskosten. Am Ende steht dann für uns eine Stundenpauschale unter dem Strich. Unser Auftraggeber, die Stadt Passau, stellt uns die Tests zur Verfügung und rechnet gegebenenfalls mit den Behörden ab. Bei uns kommt es also nicht darauf an, wie viele Tests wir durchführen.

Sie meinten gerade, dass dieser Abrechnungsbetrug absehbar war. Was meinen Sie damit konkret?
Wenn man so offensichtliche Betrügereien sieht, dann ist klar, dass das von unternehmerischer Gier getrieben ist. Da sage ich: Vielleicht war es nicht die richtige Idee, private Unternehmen testen zu lassen. Damit will ich nicht sagen, dass die Unternehmen, die bei uns testen, keinen guten Job beim Testen machen.

Es gibt ja auch keine Anzeichen dafür, dass in Passau betrogen wurde oder wird.
Ich kann freilich nur für Malteser und BRK sprechen. Trotzdem sehe ich es kritisch, dass Unternehmen, die vorher mit dem Gesundheitswesen gar nichts zu tun haben, Testungen anbieten. Die Entscheidung, dass praktisch jeder solche Tests machen darf, geht meiner Ansicht nach zu weit. Unser Personal ist professionell geschult per ärztlicher Delegation, wir achten sehr stark auf die Qualität und wir haben über unsere anderen medizinischen Dienstleistungen auch eine entsprechend andere Erfahrung.

Ist es nicht allgemein ein Trend, dass im Gesundheitswesen der Profit mehr und mehr im Vordergrund steht?
Ja, es ist leider wirklich so. Sehr viel wird über die Krankenkassen mitbestimmt, wir sehen das täglich live im Rettungsdienst, im Fahrdienst und in vielen anderen Bereichen. In meinen Augen wird oft nicht nach Qualität entschieden, sondern der Preis wird mehr und mehr zum Entscheidungskriterium. Das begrüße ich überhaupt nicht.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn meinte, dass die jeweiligen Kommunen schärfer kontrollieren sollen. Was halten Sie von dem Vorschlag?
Tja. Das halte ich für schwierig. Derjenige, der den Auftrag vergibt und die Leistungen abrechnet, also in erster Linie der Bund, sollte seinen Dienstleistern entsprechend auf die Finger schauen und das nicht schon wieder an die Gesundheitsämter weiterdelegieren. Die sind seit Beginn der Pandemie ohnehin schon mehr als überlastet und leisten trotzdem gute Arbeit.

Befürchten Sie, dass der Skandal auch auf sauber arbeitende Anbieter ein schlechtes Licht wirft?
Ja, es ist leider immer leicht möglich, dass dann alles über einen Kamm geschert wird. Und in so einem großen System wird es immer das eine oder andere schwarze Schaf geben. Deshalb ist mir auch wichtig, der Bevölkerung zu signalisieren, dass das Ganze bei uns in Passau, soweit ich das im Blick habe, wirklich in guten Händen liegt.

− jmu

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