„Kasimir-Museum“ in Landshut

Die New York Times zählte sie zu den Besten: Marlene Reidel zum 100. Geburtstag

04.01.2024 | Stand 03.01.2024, 16:01 Uhr
Michaela Schabel

Mit „Kasimirs Weltreise“ begann Marlene Reidels Karriere als Kinderbuchautorin. Diese Doppelseite des von ihr geschriebenen und illustrierten Buches zeigt den Jungen, der über einen Baum ganz einfach bis zum Mond klettert. − Fotos: Michaela Schabel/Familie Reidel

Über 100 Bilderbücher schrieb und illustrierte Marlene Reidel. „Kasimirs Weltreise“, 1958 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet, von der New York Times auf die Liste der „zehn besten Bücher“ gesetzt, machte sie mit einem Schlag berühmt.

Generationen wuchsen mit Marlene Reidels Bilder- und Kinderbüchern auf. Landshut ehrte diese Tochter der Stadt mit dem „Kasimir-Museum“ und präsentiert jetzt anlässlich ihres 100. Geburtstags am 20. Dezember 2023 die Ausstellung „Seitenweise lesen“ mit interaktiven Themenräumen über ihre berühmtesten Bücher.

Unter „Zehn besten Bücher“ in New York und Tokio

Die Künstlerin Marlene Reidel ist weit facettenreicher als das Schlagwort „Kinderbuch“ es nahelegt Sie arbeitete in der Malerei, in Holzschnittserien, schuf großformatige Linolschnitte, Illustrationen von klassischer und moderner Literatur, aber auch Kirchenfenster. Reidel war Bühnenbildnerin und Ausstatterin für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg – aber ihre fröhlich fantasievollen Kinderbücher, die sie selbst illustrierte, machten sie weltweit bekannt.

An die 30 Bücher wurden in andere Sprachen übersetzt, etliche preisgekrönt. Den „Gabriel mit dem Zauberstab“ wählte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1964 zu den „Schönsten Büchern des Jahres“. „Anna und die Weiherhex'“ kam 1977 auf der Internationalen Kinderbuchausstellung in Tokio unter die zehn besten Bücher. Um diese und andere Bücher kreist die Ausstellung.

Marlene Landshut wuchs auf einem Einödhof in Oberganghofen bei Landshut auf, geprägt von der Natur, den Tieren und den sechs Geschwistern. Aus dieser Welt wollte sie ausbrechen, begann 1943 das Studium an der Akademie der Bildenden Künste, wobei sie ihren Mann, den Bildhauer Karl Reidel kennenlernte. Fünf Mädchen und einen Sohn hatte sie großzuziehen.

Für die Kunst blieb nur nachts Zeit. „Das war Wahnsinn, was die Mutter geschafft hat“, sagt Tochter Julia. Das Malen trat in den Hintergrund, dafür wuchs das Geschichtenerfinden für die Kinder. Inspiriert von ihren eigenen Kindern entstanden lebensfrohe Geschichten aus ganz neuen Perspektiven.

In „Kasimirs Weltreise“ blickt der kleine Junge vom Mond auf die Welt, und plötzlich schrumpft alles ganz eng zusammen und lässt sich so gut überblicken. „Antonia“ träumt sich im Buch in andere Rollen, was Tochter Antonia Reidel später im Leben als Schauspielerin beruflich realisierte – sie ist seit bald 30 Jahren eine der Säulen des Landestheaters Niederbayern in Landshut, Straubing und Passau. Und der Vorliebe des Sohnes Franz für Mäuse wurde die Außenseitergeschichte „Der Franz, der hatte Mäuse“. Marlene Reidels Geschichten über Reisesehnsucht, Freude am Verzaubern, Verwandeln, an geheimnisvollen Entdeckungen, über Freundschaft und Außenseiter sind zeitlos und durch die bunten, fröhlich naiv gestalteten Bilder für Kinder immer noch attraktiv. Erzählmotive, Bilder und Sprache mit lustigen Reimen und der bayerischen Sprachmelodie fügen sich zu einem kleinen Kunstwerk. Das schönste Kinderbuch herauszufinden ist schwierig und richtet sich einfach nach den Vorlieben der Kinder. Zu Herzen sprechen sie alle.

Sohn Franz schwärmt heute noch vom „Gabriel“, der mit seinem Teppich übers freie Land schwebt und der Obrigkeit immer eins auswischen will. Kuratorin Verena Linseis-Meier präsentiert anhand der ganz bekannten Bilderbücher eine liebevoll gestaltete interaktive Ausstellung. Kinder können u.a. Bilderbuchseiten zusammenpuzzeln, in der Hexenhöhle träumen und natürlich auch malen. Zusätzlich wurde ein eigenes „Aktivheft“ für Kinder gestaltet.

Michaela Schabel


•Ausstellung „Seitenweise lesen“ im Landshuter Kasimir-Museum, Alter Franziskanerpl. 483, bis Dezember 2024, Di.-So. 10-17 Uhr

•Der Freundeskreis Fritz Koenig zeigt auf dem Ganslberg, Ländgasse 111, freie Arbeiten von Marlene Reidel, bis 20. Januar, Do., Fr. 12-16 Uhr, Sa 11-17 Uhr

URL: https://www.pnp.de/nachrichten/kultur/die-new-york-times-zaehlte-sie-zu-den-besten-marlene-reidel-zum-100-geburtstag-15140321
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