Ganacker

KZ-Außenlager Ganacker: Ein dunkles Kapitel der Ortsgeschichte

26.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:23 Uhr

Am Ort des Geschehens stellte Dr. Florian Eibl den Bezug zu den vorher gezeigten Aufnahmen her.

Ein fast voller Dorfhaussaal am ersten Sommertag des Jahres – die geschichtsvermittelnde Veranstaltung über die Hintergründe zum KZ-Außenlager Ganacker zog am Sonntag viele Interessierte aus nah und fern an.

Christian Pfleger als Sprecher des Ausschusses Dorfgeschichte des Kultur- und Fördervereins Ganacker ging zu Beginn der Ausführungen kurz auf den Verein und die Ausschussarbeit ein, ehe er zum Thema kam. Chronologisch aufgebaut erläuterte er die Entstehung und Entwicklung des Konzentrationslagersystems, von den überstürzten Anfängen bis zum infernalischen Schlussakt. Die Aufbereitung der Materie war von hohem Informationsgehalt und ließ erahnen, wie umfangreich recherchiert wurde.

Ganacker als Außenlager des KZ-Komplexes Floßenbürg

Mit der Entscheidung gegen Mitte des zweiten Weltkrieges KZ-Häftlinge in die Kriegswirtschaft einzubinden, expandierte radikal und umfassend das Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“ über die Grenzen der Hauptlager hinaus. Am Ende waren es über 1200 Außenlager, zu denen auch Ganacker als Teil des KZ-Komplexes Floßenbürg zählte. Die Häftlingszahlen in Floßenbürg waren Ende 1944 auf über 31000 angewachsen, wobei sich die eindeutige Mehrheit der Inhaftierten in den Nebenlagern befand.

Im Winter 1945 entstand in Ganacker ein sogenanntes Endphasenlager, dessen hoher Grad an Improvisation und Behelfsmäßigkeit charakteristisch war. Der entscheidende Grund für die Ansiedlung eines Außenlagers war der dort bereits seit 1936 bestehende Militärflughafen. Dieser Flugplatz war Teil eines Netzwerkes von Luftwaffenstützpunkten, die ab 1936 im Zuge des Auf- und Ausbaus der deutschen Luftstreitkräfte installiert worden waren. Aufgabe war die Ausbildung und Schulung von Piloten.

Mit der Erweiterung und Befestigung der Landebahn für die Nutzung durch das Strahlenflugzeug ME 262 war der Anlass gegeben, KZ-Häftlinge als Sklavenarbeiter in Ganacker unterzubringen. Die ersten rund 500 Häftlinge wurden am 20. Februar 1945 eingepfercht in Viehwaggons von Flossenbürg nach Ganacker deportiert, das KZ-Außenlager Ganacker wurde nun Realität. Erst wurden diese in einem umfunktionierten Flugplatzhangar interniert, später dann in einem mit Stacheldrahtgeflechten bewehrten Lager im Pfarrholz in der Erlau. Ein weiterer, bislang zeitpunkt- und umfangmäßig kaum fassbarer Transport dürfte die Belegung nicht unwesentlich erhöht haben.

Die Häftlinge wurden in Erdhütten bei unmenschlichen Lebensbedingungen ohne Schutz vor Kälte und Nässe einquartiert, ganz zu schweigen von hygienischen Vorkehrungen – unvermeidbare Krankheiten waren die logische Folge.

Grausamkeit und Menschenverachtung im KZ

In Beispielen beschrieben und mit Zeitzeugenaussagen unterlegt, wurde der an Grausamkeit und Menschenverachtung nicht zu überbietende Alltag der Häftlinge zwar nur annähernd nachvollziehbar, bei vielen Anmerkungen wurde es aber still im Saal.

Rund 50 SS-Angehörige bewachten die Häftlinge und etablierten die in den KZ-Lagern verbreitete gnadenlose Gewaltherrschaft. Ungefähr 84 Häftlinge des ersten Transports überlebten diese Qualen nicht und wurden sowohl abgesondert auf den Friedhöfen Ganacker und Gosselding als auch in Einzel- und Massengräbern in der Erlau „entsorgt“.

Gegen Ende April 1945 waren im Schatten des Zusammenbruches des Dritten Reiches auch die Tag des Außenlagers Ganacker gezählt und die Auflösung stand bevor. Die genauen Umstände der Lagerevakuierung lassen sich nur bedingt rekonstruieren, aber zumindest in Ganacker war das Grauen dann zu Ende. Wie vielerorts wurde dieser Verlegungsmarsch zum Todesmarsch für viele Häftlinge. Die verbliebenen Gefangenen wurden Ende April aus ihrer Miss- und Zwangslage erlöst und das verlassene Lage wurde von Einheimischen weitgehend geplündert, ehe Ende August 1945 Reste und Relikte des Lagers beseitigt wurden. Wenngleich das KZ-Außenlager nur zwei Monate existierte – leider war auch Ganacker Bestandteil des erbarmungslosen und mörderischen KZ-Netzwerkes des NS-Regimes.

Nach diesem eindrucksvollem Vortrag ging Kreisarchäologe Dr. Florian Eibl – ebenfalls Mitstreiter im Ausschuss Dorfgeschichte – aus archäologischer Sicht auf das Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Ganacker ein. Dieses ist als eines von ca. 1900 Bodendenkmälern in der Liste der Bodendenkmäler im Landkreis eingetragen. Leider gibt es keine zeitgenössischen Fotographien des Lagerareals, nur die Bilder der amerikanischen Luftaufklärung sind überliefert. Dr. Eibl ging insbesondere auf Lage und Konstruktion der Erd- und Rundhütten im Häftlingslager ein und skizzierte Situation und Struktur des SS-Abschnittes.

Ein bekanntes Problem auf dem Gelände sind die vielen Raubgrabungslöcher in Acker- und Waldfläche, wo nach entsprechendem historischen Fundstücken gesucht wird. Abschließend zeigte Dr. Eibl etliche Aufnahmen von Lesefunden und erklärte anhand dieser Objekte verschiedene Aspekte der materiellen Lebensbedingungen der Häftlinge und des SS-Personals.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete schließlich die gemeinsame Fahrt an die Stätte des vormaligen Außenlagers. So ging man den gesamten ehemaligen Lagerbereich ab und wurde immer wieder an die schrecklichen Ereignisse vor nicht einmal 80 Jahren erinnert.

− bau

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