Fragen über Fragen – Unterbringung von Flüchtlingen

Rund 250 Bürger bei Informationsveranstaltung in der Bergader Arena in Waging

18.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:50 Uhr

Groß war das Interesse an der Info-Veranstaltung in der Waginger Bergader-Arena. −Foto: Caruso

Von Anneliese Caruso

Aktuell stellt sich immer wieder die Frage, wie viele Menschen die Kommunen aufnehmen können. Seit Russlands Angriff wurden im Ausländerzentralregister mehr als eine Million aus der Ukraine geflüchtete Menschen registriert. Dazu kommen noch Geflüchtete aus dem Rest der Welt: Knapp 218000 Personen haben 2022 einen Erstantrag auf Asyl gestellt, so viele wie seit dem Flüchtlingswinter 2015/16 nicht mehr. Zwar bleiben Asylbewerber während ihres Verfahrens zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder. Aber nach einem Entscheid müssen die Städte und Landkreise sie unterbringen. Für manche Landräte bedeutet das: Alle ein, zwei Wochen fährt ein Bus mit 50 Personen vor, für die sie Unterkunft und Verpflegung parat haben müssen.
So ist das offensichtlich auch im Landkreis Traunstein, der händeringend nach Wohnungen sucht, Gebäude anmietet, die zu Gemeinschaftsunterkünften werden oder Grundstücke sucht, um Wohncontainer aufzustellen. Der Landkreis will vermeiden, dass er Turnhallen zu Notquartieren umwidmen muss.

Widerstand bei Anwohnern und Nachbarn

Fündig geworden ist der Landkreis unter anderem in Taching am See. Hier hat das Landratsamt mit dem neuen Eigentümer des früheren Seniorenheims an der Tachenseestraße einen Mietvertrag zum 1. März 2023 geschlossen, in dem 60 Personen untergebracht werden sollen. Zudem hat das Landratsamt in Tengling/ Igelsbach ein Wohnhaus angemietet für weitere 20 Menschen. Noch steht aber nicht genau fest, wann die Geflüchteten tatsächlich in die Häuser einziehen werden. Sicher ist hingegen, dass sich im Vorfeld Widerstand bei Tachinger Bürgern regte, vor allem bei Anwohnern und Nachbarn. Sie haben Unterschriften gesammelt, einen ganzen Katalog an Fragen beigefügt und an die Gemeinde weitergeleitet, die selbst erst in letzter Minute über die geplante Unterbringung von den zuständigen Behörden informiert worden war. Daher organisierte Bürgermeisterin Stefanie Lang zusammen mit ihren Bürgermeisterkollegen aus der Verwaltungsgemeinschaft Waging am See, Bürgermeister Matthias Baderhuber (Waging) und Martin Fenninger (Wonneberg) eine Informationsveranstaltung in der Waginger Bergader Arena, um den vielen offenen Fragen mit Sachinformationen zu begegnen. Denn auch in Waging und Wonneberg läuft die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten. Rund 250 interessierte Bürger folgten der Einladung zur Veranstaltung, bei der neben den Bürgermeistern auch Vertreter des Landratsamtes Traunstein und anderer Behörden und Einrichtungen Rede und Antwort standen.
Stefanie Lang ließ wissen, dass die Gemeinden zu klein sind, um diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe stemmen zu können. Sie hoffe, dass der Flüchtlingsgipfel mit Olaf Scholz am 10. Mai bessere Bedingungen schaffe. Im Januar 2023 habe sie einen Aufruf gestartet und versucht, ehrenamtliche Mitarbeiter zu gewinnen, teilte Lang mit. Zudem habe sie Informationen und Erfahrungen aus anderen betroffenen Gemeinden eingeholt, nachdem sie erfahren habe, dass auch Geflüchtete in Taching unterkommen sollen. „Wir wissen aber noch nicht, aus welchen Ländern die Menschen stammen.“ In der VG-Sitzung sei kürzlich beschlossen worden, einen Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin anzustellen, der oder die sich um die Belange der Migranten kümmere und helfe, sie zu integrieren.
In der anschließenden Diskussion, die Moderator Peter Schäffler aus Taching am See lenkte, tauchte Kritik auf wegen mangelnder Transparenz besonders in finanzieller Hinsicht, was offensichtlich konfliktfördernd wirkte.

Bürger sehen Dorffrieden in Gefahr

Aus dem Wortwechsel ging hervor, dass es Befürchtungen gibt, die Sicherheit der Bürger sei gefährdet. Viele sehen den Dorffrieden in Gefahr. Überdies kreisten viele Redebeiträge um die Frage, aus welcher Tasche des Steuerzahlers das Geld kommen soll, das für die Flüchtlinge benötigt wird. Zugleich wurde auch klar, dass mehr Geld auch nicht alle Probleme lösen kann, weil zum Beispiel der Wohnungsmarkt angespannt ist und es zu wenig Wohnraum auch für Einheimische gibt, was es immer schwieriger macht, Immobilien für neue Unterkünfte zu finden.
Es dauere oft sehr lange, bis die Zufluchtssuchenden einen Deutschkurs belegen können. Zudem fehle es an Plätzen in Kitas, dort fehle auch das entsprechende Personal. Der Personalmangel betreffe aber vor allem die Unterkünfte. Gerade dieser Mangel an Personen, die sich um die Unterkünfte und um die Geflüchteten kümmern, führe zu einem Akzeptanzproblem, hieß es.
Stefanie Lang machte deutlich, dass die Verwaltungsgemeinschaft enorme Anstrengungen unternimmt, um ein friedvolles Zusammenleben zu ermöglichen und um gute Startvoraussetzungen für die lokale Integration der Geflüchteten zu schaffen. Sie werde ihr Möglichstes tun, damit sich Konflikte im lokalen Umfeld der Unterkunft vermeiden lassen.
Auf die Frage, wie die Schutzsuchenden in Taching versorgt und beschäftigt werden können, entgegnete Fenninger, dass aktuell die Stelle eines Sozialarbeiters ausgeschrieben sei, der die Sache professionell begleiten wird. „Alles soll gut funktionieren“, sagte er und lud die Besucher ein, dabei mitzuhelfen.
Ein Zuhörer erkundigte sich, wie es in den ersten sechs Monaten in der Flüchtlingsunterkunft in Tittmoning gelaufen ist, die schon seit 2015/16 besteht. Johannes Lanser, dafür hauptamtlich bei der Bürgerhilfsstelle in Tittmoning angestellt, erwiderte, dass viele der Angekommenen erst mal ihr Flucht- und Kriegstrauma überstehen mussten. Seit 2016 schaue er, dass sie dabei Unterstützung und Betreuung finden. Die Hilfe dürfe nicht allein auf die ehrenamtlichen Helfer übertragen werden, obwohl viel über das Ehrenamt laufe.
Ein Bürger aus Taching meinte, so eine kleine Gemeinde schaffe das nicht allein, sie brauche professionelle Unterstützung. Ein anderer befürchtete, dass es Probleme in der Einrichtung in Taching gibt. Ein weitere Bürger sagte, er sei zwar dafür, Menschen zu helfen. Alles habe aber auch seine Grenzen. Die gewählten Politiker auch auf kommunaler Ebene müssten sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung ihre Migrationspolitik ändert und dafür sorgt, dass die Bestimmungen des Schengener Abkommens eingehalten werden. Er meinte, dass die Unterbringung der Flüchtlinge eine deutlich bessere Vorbereitung erfordert hätte, gerade auch von Seiten der Regierung, und dass die Bürger besser informiert werden sollten.
Wenn es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handle, sei auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung nötig: „Wie wollt ihr zum Beispiel die Leute in die Sprachkurse oder zu den Asylterminen in Terminen bringen?“ Die Verkehrsanbindung in Taching sei sehr schlecht. Der Bürger ließ wissen, dass die Sammelhaftpflicht pro Person 30 Euro kostet und bat, eine solche abzuschließen. Er sagte aber auch, dass er nicht verstehe, warum der Gemeinde sämtliche Aufgaben aufs Auge gedrückt werden, die sie gar nicht stemmen könne. Da wohl nicht alle Gemeinden des Landkreises Geflüchtete aufnehmen können, schlug der Tachinger vor, einen Fonds einzurichten, in den diese Gemeinden einen Beitrag zum Ausgleich einzahlen sollen.
Derselbe Redner fragte auch nach, wie hoch die Miete für die Unterkunft in Taching, das ehemalige Altenheim ist, und wie lange der Mietvertrag läuft. Er zeigte sich sicher, dass die Miete deutlich über der üblichen Ortsmiete liegt. Es wurde aber darauf verwiesen, dass es sich dabei um vertrauliche Vereinbarungen zwischen Landratsamt und Eigentümer handelt, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien.
Eine Bürgerin wollte wissen, wann die Integrationsbeauftragte, die die VG einstellt, ihren Dienst antritt. „Gibt es überhaupt schon jemand für die Stelle?“ Laut Bürgermeister Baderhuber ist die Stelle bis zum 1. April noch nicht besetzt. Sie sei aber ausgeschrieben.
Lang ergänzte: „Das Schaffen der Stelle ist am 23. Februar beschlossen worden.“ Die Bewerbungsfrist laufe noch bis Ende März. „Ich hoffe, dass wir bis dahin jemanden gefunden haben.“ Aufgrund ihres früheren Berufs als Sozialarbeiterin könne sie den Ehrenamtlichen anfangs auch selbst zur Seite stehen. Sie gab sich zuversichtlich: „Ich weiß, wir werden es schaffen.“

„Geht auf die Leute zu“

Abschließend gab es noch ein Statement einer Tachinger Bürgerin: „Es sollte im Interesse aller sein, dass Taching das hinkriegt.“ Andere Gemeinde hätten dies auch schon geschafft. „Es sind Menschen, die ihre Heimat nicht aus Spaß verlassen.“ Die Aufgabe der Tachinger bestehe nun darin, ihnen einen erträglichen Aufenthalt zu bieten. „Geht auf die Leute zu, das schafft Vertrauen. Dann entwickelt sich bestimmt etwas Gutes.“

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