Rettet Durchfall den Führerschein?

In diesen Fällen ist zu schnelles Fahren laut Polizei erlaubt

09.10.2021 | Stand 09.10.2021, 7:38 Uhr

Wer rast, wird mindestens zur Kasse gebeten - aber das gilt nicht immer. In einigen seltenen Ausnahmefällen darf man auch als Privatperson die Geschwindigkeitsbeschränkungen überschreiten. −Symbolbild: dpa

Von Karin Seibold

Zu schnelles Fahren führt meist dazu, dass ein Bußgeld fällig wird - oder gar der Führerschein entzogen wird. Doch es gibt einige wenige Ausnahmefälle.

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Denn die Übertretung des Tempolimits ist legal, sobald ein rechtfertigender Notstand gemäß Paragraph 16 Ordungswidrigkeiten-Gesetz (OWiG) vorliegt. Darin heißt es wörtlich: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Handlung begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Handlung ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“ Im Klartext: „Es ist ein bisschen kompliziert“, sagt Maximilian Bohms, Sprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern.



Hochschwangere in den Wehen an Bord
Weil für Frauen in den Wehen in der Regel keine Gefahr für Leib und Leben besteht, ist die Regel hier schwierig anzuwenden. Ein Notstand liegt laut Paragraph 16 OWiG demnach ja dann nicht vor. In München aber ist einer Frau im Jahr 2018 die Strafe schon einmal erlassen worden. „Die hat aber wirklich fünf Minuten nach Ankunft in der Klinik dann auch entbunden“, sagt Polizeisprecherin Carina Eder. „Unter Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalls hielt das Bayerische Polizeiverwaltungsamt eine Ahndung für nicht mehr geboten, stellt das Verfahren gegen den Fahrzeugführer ein und gratulierte zur Geburt des Kindes“, teilte die Polizei damals mit.

Beifahrer mit Herzattacke
Wenn der Beifahrer unerwartet eine Herzattacke erleidet, ist zu schnelles Fahren im Zweifel erlaubt. Dann muss für eine Gefahr um Leib und Leben ausgegangen werden, wenn der Patient nicht schnell genug in ärztliche Behandlung gebracht wird.

Durchfall als Grund für zu schnelles Fahren
In Einzelfällen kann Durchfall als Grund für zu schnelles Fahren eine Strafe verhindern. Sie dürfen deshalb aber nicht die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden. Zudem müssen sie sich auf den Weg zur nächsten Toilette machen, und nicht noch kilometerweit etwa nach Hause fahren. Wenn die Autobahn einen Seitenstreifen besitzt, müssen Autofahrer zudem dort anhalten, um ihre Notdurft direkt hinter ihrem Fahrzeug zu verrichten. Wichtig ist auch, dass das Wissen über die Durchfall-Erkrankung nicht schon vor der Fahrt gegeben sein darf. Das hat das Amtsgericht nordrhein-westfälischen Lüdinghausen in einer Einzelfallentscheidung (19 OWi-89 Js 155/14-21/14) so entschieden.

Immer Einzelfallentscheidung
„So etwas ist immer eine Einzelfallentscheidung“, sagt Polizeisprecherin Carina Eder im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse. Schließlich entstehe durch zu schnelles Fahren auch eine Gefahr für Leib und Leben anderer.

URL: https://www.pnp.de/archiv/1/in-diesen-faellen-ist-zu-schnelles-fahren-laut-polizei-erlaubt-1057983
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