Trostberg

„Eissport schaut hin!“: Präventionskampagne gegen sexualisierte Gewalt

Plakat-Aktion startet in Trostberg – Bayerischer Eissportverband und seine Beauftragte Karin Mußner aus Taufkirchen gehen mit gutem Beispiel voran

25.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:42 Uhr

Karin Mußner (links) aus Taufkirchen, seit vergangenem Jahr Beauftragte für Prävention sexualisierter Gewalt im Bayerischen Eissportverband, präsentierte die Plakat-Kampagne im Beisein der Trostberg-Chiefs-Abteilungsleitung mit Johannes Käsmaier und Andrea Grahl. −Foto: Uli Hatz

Eine viel beachtete, investigative ARD-Doku über sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmverband hat die Dringlichkeit des Themas im vergangenen Sommer einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt. Ex-Wasserspringer Jan Hempel sprach darin erstmals darüber, dass er von seinem Trainer viele Jahre missbraucht wurde und eine Kultur des Schweigens die Aufklärung behinderte. „Umso wichtiger ist es, dass alle Sportverbände die Präventionsvorgaben des Innenministeriums endlich wirksam umsetzen“, sagt Karin Mußner. Die Taufkirchenerin geht im Auftrag des Bayerischen Eissportverbandes (BEV) mit gutem Beispiel voran und hat am Sonntag im Trostberger Eisstadion den offiziellen Startschuss für die Plakataktion „Eissport schaut hin“ gegeben.

Johannes Käsmaier und Andrea Grahl, Leiter und Schatzmeisterin der TSV-Eishockeyabteilung, freuten sich über den Besuch der Präventionsbeauftragten des Verbandes, der sich damit entschieden gegen jede Form von Gewalt, im speziellen der sexualisierten Gewalt stellt und für Sportler und Opfer einsetzt. Mit dem QR-Code auf dem Plakat gelangt man direkt in den Bereich „Prävention sexualisierter Gewalt (PsG)“ auf der BEV-Homepage und findet dort alle Hilfsangebote innerhalb des Verbandes wie auch die bundesweiten Anlaufstellen.

Der Schutz vor sexualisierter Gewalt spiele seit der Studie „safe sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes aus dem Jahr 2016 eine immer wichtigere Rolle in den Verbänden, weiß Karin Mußner. Um Förderungen zu erhalten, habe sich die Vorgehensweise zum Glück professionalisiert. So arbeitet die Taufkirchenerin seit 2021 nebenberuflich für den BEV, der mit seinen fünf Sportarten Eishockey, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf, Eisstock und Curling ein breites Feld abdeckt. Sie nennt es vorbildlich, dass der Eissportverband sich bei der Stelle der PsG-Beauftragten gezielt nach einer Person mit möglichst viel Praxiserfahrung umgesehen hat.

Aus der professionellen Jugendarbeit und dem Eisstocksport zum BEV

So war Karin Mußner lange Jahre Mitarbeiterin in einem Jugendamt, bevor sie die Leitung der Schwangerenberatungsstelle bei Donum Vitae für die Landkreise Altötting und Mühldorf übernommen hat, wo die Sexualpädagogik ein wichtiger Baustein ihrer Arbeit ist. Sie weist viel Erfahrung in der Seminartätigkeit auf, wobei sie mit allen Altersklassen sowie mit Opfern und Tätern zu tun hat. Dem Eissport fühlt sie sich ohnehin verbunden. Karin Mußner war lange Jahre Leistungssportlerin als Schwimmerin und Latin-Tänzerin, ehe sie zur eingeheirateten Taufkirchenerin wurde. Weil in dem kleinen Ort im Landkreis Mühldorf praktisch jeder im Eisstockschießen aktiv sei, habe sie gerne – und auch erfolgreich – die Sportart gewechselt. Im Weitschießen brachte sie es zur bayerischen Vizemeisterin und langjährigen Landestrainerin.

In ihrer neuen nebenberuflichen Tätigkeit für den BEV steht sie vor allem auch den Vereinen zur Seite. Bei dieser Basisarbeit ist es ihr großer Wunsch, „dass ich nicht als die Person gesehen werde, die mit dem erhobenen Zeigefinger die Türen schließt“. Vielmehr möchte Karin Mußner Verständnis für die Opfer sexualisierter Gewalt und eine Veränderung der Umgangsformen bewirken. „Je mehr Menschen wir im Sport erreichen, umso wahrscheinlicher können wir das Raster enger knüpfen, damit sich Täter in unserem Sport nicht breit machen können.“ Nur so könne man den Sport sauber halten. Eine Formulierung, die vor allem aus dem Kampf gegen Doping bekannt sei, die laut Mußner aber auch beim Thema Missbrauch eine Berechtigung habe. Denn: „Täter und Täterinnen versuchen überall dort ihre Macht auszuüben, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten. Leider ist das auch im Sport der Fall.“

„Nicht verschrecken, sondern die Menschen dazu sensibilisieren, aufmerksamer durch den Alltag zu gehen“

„Mit der Aufklärungsarbeit wollen wir nicht verschrecken, sondern die Menschen dazu sensibilisieren, aufmerksamer durch den Alltag zu gehen“, betont sie. Das bedeute, den Aktivposten in den Vereinen auf Augenhöhe zu begegnen und keine Vorschriftenlisten überzustülpen. In Gruppenarbeit sollen die Beteiligten, denen Mußner oft erschütternde Missbrauchs- und Vertuschungsbeispiele aus ihrer Berufserfahrung in der Kinder- und Jugendarbeit schildert, selbst Punkte mit Verbesserungsbedarf erkennen. Das fange damit an, wie man etwa bei gemischtgeschlechtlichen Mannschaften die Frage des Umziehens und Duschens oder der Zugänglichkeit von Umkleidekabinen löse. Welche brenzligen Situationen gab es vielleicht schon? Welchen Grenzüberschreitungen gilt es vorzubeugen?

Um solche Fragen habe sich auch ihr erster Schulungseinsatz im Sommer mit allen bayerischen Eishockey-Schiedsrichtern gedreht. „Seitdem wurden in Seminaren auch Trainer, Jugendleiter und Betreuer erreicht.“ Dabei, so Mußner, werde die Gefährdungslage in den BEV-Sportarten untersucht, um ein umfangreiches Schutzkonzept zu erstellen und der Gefahr vorzubeugen, dass Opfern sexualisierter Gewalt oft nicht geglaubt und vieles vertuscht werde. So habe man in kurzer Zeit schon umfangreiche Handlungsleitfäden erarbeitet. Auch die nun in Trostberg gestartete Plakataktion sei ein Wunsch aus den Jugendleiterrunden im Eishockey gewesen.

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