Traunstein/Mühldorf

Fünfter mutmaßlicher Juwelierräuber in Traunstein vor Bericht

40-Jähriger angeklagt – Nach Blitzeinbruch fielen Schüsse – Vier Verhandlungstage

19.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:13 Uhr
Monika Kretzmer-Diepold

Beamte der Spurensicherung hatten nach dem Überfall den Tatort intensiv unter die Lupe genommen. −Foto: TimeBreak21/Archiv

Von Monika Kretzmer-Diepold

Gewalttätige Räuber suchten vor acht Jahren in Deutschland mehrere Juweliere mit Edelsortiment heim. Ein solcher Blitzeinbruch traf am 5. März 2015 einen Geschäftsmann in Mühldorf. Die Täter erbeuteten 69 teure Chronometer im Wert von fast 340000 Euro. Nach vier bereits verurteilten Kriminellen muss sich jetzt auch ein mutmaßlicher fünfter Tatbeteiligter, ein 40-jähriger Litauer, deshalb vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Der viertägige Prozess der Sechsten Strafkammer mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler beginnt am Dienstag, 24. Januar, um 9 Uhr.

Der Angeklagte soll einer etwa 100-köpfigen, europaweit agierenden Bande angehören, die nach Polizeierkenntnissen vergleichbare Verbrechen auch in Norwegen, Finnland, Italien und der Schweiz verübt haben soll. Neben dem Überfall in Mühldorf ging eine Tat am 20. Januar 2015 in Bad Oeynhausen mit Verletzten laut rechtskräftigen Urteilen auf das Konto der kriminellen Organisation. Die Beute dort bestand aus 70 Uhren mit einem Gesamtwert von 237000 Euro. Darüber hinaus war ein versuchter schwerer Bandendiebstahl in Regensburg geplant. Letzteren verhinderte „Kommissar Zufall“: Bei einer normalen Polizeikontrolle am 10. Juni 2015 in Regensburg wurden zwei der Täter festgenommen. Einer Zivilstreife war der gestohlene Wagen ob dessen eigenartiger Fahrweise aufgefallen.

Vier Täter beziehungsweise Hintermänner von Mühldorf und Bad Oeynhausen wanderten 2017 bereits hinter Gitter. In zwei Verfahren verhängten Kammern des Landgerichts Traunstein gegen zwei tschetschenische Hinterleute, sogenannte Logistiker, Freiheitsstrafen von 14 beziehungsweise zwölfeinhalb Jahren. Für zwei litauische „Soldaten“, also Tatausführende in den Juwelierläden, gab es eine Erwachsenenstrafe von sieben Jahren sowie eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten.

Der jetzige Angeklagte wurde Ende August 2022 dingfest gemacht und wanderte aufgrund des Haftbefehls von 2015 in Untersuchungshaft. Welche Rolle er genau bei dem Blitzeinbruch durch drei Männer in Mühldorf spielte, muss die Sechste Strafkammer klären. Dem 40-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft schweren Bandendiebstahl, besonders schweren Raub, Sachbeschädigung, besonders schweren räuberischen Diebstahl und versuchte gefährliche Körperverletzung vor.

Die Tatausführung war stets die ähnlich, wie aus den früheren Traunsteiner Urteilen hervorgeht: Für jeden Raubzug stahlen die Räuber andernorts Autos und ließen die Fahrzeuge später einfach irgendwo stehen. Vermummte, ausgerüstet mit Schreckschusswaffen, Reizgas und Spaltäxten, stürmten in die vorher ausgekundschafteten Geschäfte. Zwei bis drei Männer zerschlugen mit den Äxten die Vitrinen, schnappten sich eine Vielzahl teuerster Markenuhren und warfen sie in Taschen. Das Ganze dauerte nur rund eine Minute. Ein weiterer Täter sicherte draußen den vorher fixierten Fluchtweg.

Stellte sich jemand in den Weg, kannten die Räuber keine Skrupel. Mehrere Personen wurden durch das in den Geschäften versprühte Reizgas verletzt. Eine Verkäuferin blickte in Mühldorf aus einem Meter Entfernung in eine auf sie gerichtete Waffe. Die Frau erlitt einen Schock, zu Hause einen Zusammenbruch und lag stundenlang hilflos am Boden. Neben schmerzenden Augen trug sie eine posttraumatische Belastungsstörung davon. Ein Traunsteiner Gericht sprach ihr 2017 ein Schmerzensgeld von 3000 Euro zu.

Ein Passant hatte damals nach der Flucht der Täter die Verfolgung aufgenommen. Erst versuchten die Angeklagten, ihn mit Reizgas zu stoppen und schossen dann zwei Mal aus knapp zehn Metern Entfernung auf ihn. Der Zeuge brachte sich in einem Innenhof in Sicherheit. Er wurde zwar nicht körperlich geschädigt, erlitt aber eine posttraumatische Belastungsstörung. Die Räuber rannten zu einem gestohlenen, am Stadtwall geparkten Auto und flohen über das Freibad und Töging nach Altötting, wo sie Wagen zurückließen.

Nach dem Prozessauftakt am 24. Januar setzt die Sechste Strafkammer die Hauptverhandlung am 26. Januar um 12 Uhr, am 31. Januar um 9 Uhr sowie am 2. Februar um 12 Uhr fort.

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