Spiegelau

Auf den Spuren der Vergangenheit

17.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:19 Uhr

Die Drittklässler der Grundschule Spiegelau mit ihren Waldführern Olaf Schwarck (v.l.), Günther Obermüller, Johanna Büdding und Claudia Melch. −Foto: Schule

Spiegelauer Drittklässler besuchten vor kurzem das Waldgeschichtliche Museum in St. Oswald. Basierend auf dem Lehrplanthema „Zeit und Wandel“ im Rahmen des Heimat- und Sachunterrichts erhielten sie dort die Führung „Leben im und mit dem Wald“.

Dieses Thema aus dem Lehrplan wurde von den Klassenlehrerinnen Angela Hackl und Susanne Harant vorbereitet und organisatorisch im Waldgeschichtlichen Museum von Mitarbeiterin Manuela Boxleitner, zusammen mit den vier Waldführern des Nationalparks – Johanna Büdding, Claudia Melch, Olaf Schwarck und Günther Obermüller – bei einer dreistündigen Führung praktisch umgesetzt.

Aufgeteilt in vier Gruppen lernten die Drittklässler infrage und Antwort, in wahren Geschichten und Erzählungen wichtige Ereignisse und Zeitabschnitte aus der Spiegelauer Region kennen und gewannen dadurch einen Einblick in die Geschichte der früheren zur heutigen Lebenswelt.

Kompetent und spannend tauchten die Waldführer mit den Schülern in die Vergangenheit, in die Geschichte ihrer Heimat ein. Woher hat Riedlhütte seinen Namen, wo wurde die erste Glashütte errichtet? Hieß der frühere Besitzer wirklich Riedl? Warum wurden Glashütten verlegt und warum haben sich diese an den heutigen Standorten in Spiegelau und Riedlhütte entwickelt?

Auch die zeitliche Entwicklung des Orts Spiegelau nach Verlegung der Glashütte an ihren heutigen Standort an der Großen Ohe mit seiner beginnenden Flachglasproduktion und der sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem hoch entwickelten Qualitätsprodukt fortgeschrittenen Glasspiegelherstellung, der qualitativ fortschreitenden Glasproduktion insbesondere von Gläsern, wurde ausgiebig behandelt. Die Frage, warum in der Gegend überhaupt Glasherstellung betrieben wurde, konnte durch die Funde des qualitativ hochwertigen Quarzes im Böhmerwaldmassiv, den reichlich vorhandenen Baumbestand zum Anheizen auf den Schmelzpunkt des Gemisches von mindestens 1500 Grad, die aus der Verbrennung und Ablaugung gewonnene Pottasche sowie die im Gestein vorhandene Mennige (z.B. Eisenerze) erklärt werden.

Im zweiten Teil der Führung ging es um das früheres Leben um 1900. Zeitzeugen der Vergangenheit zeigten sich an zwei unterschiedlich aufgebauten Kinderzimmern, beide stellen den Unterschied von vor 100 Jahren zu Heute bildhaft und eindrucksvoll dar. Waschschüsseln statt Waschbecken mit fließend warmem Wasser, Tafeln statt Hefte, lange Fußmärsche zur Schule statt bequemer Autofahrten, Arbeiten am Hof statt Freizeit und Spiel, Handarbeit, Nähen und Spinnen statt Computer, Handy und Spielkonsole.

Ein Großbild zeigt das Leben einer Bauernfamilie, aufgenommen vor über 110 Jahren, untermauert mit nachgesprochenen Texten des damaligen Lebens, der Lebensvisionen und der tatsächlichen Lebenserwartungen.

Die Drittklässler staunten nicht schlecht, als sie hörten, wie anstrengend das Leben vor über 100 Jahren war. Das gerade schulpflichtige Mädchen musste vor der Schule die „Kleinviecher“ Hühner, Hasen und Gänse füttern, musste ausmisten und dann bei jedem Wetter zu Fuß über eine Stunde in die Schule gehen. Auch nachmittags musste sie auf dem Bauernhof mithelfen.

Im dritten Teil ging es um die Entwicklung der Waldbahn und „fliegender Gleise“, die den Holztransport erleichterten. In Riedlhütte kam das Goldwaschen auf – nicht nur zur Herstellung von Rubinglas, sondern auch zum Reichtum des Glashüttenherrn. Ein weiteres Thema waren die großen Stürme von 1868 und 1870 mit ihren Auswirkungen auf die Natur und dem Zuzug insbesondere junger Männer aus Südtirol in den Böhmerwald.

Vorboten der Auswanderungswelle nach Amerika war die „Arme-Leute-Zeit“ nach der Aufarbeitung der Sturmschäden – einer zeitlichen Vollbeschäftigung mit gutem Verdienst. Arbeitslosigkeit und Geldmangel trafen vor allem Frauen. Eine Seekiste von 1904 zeugte von dieser Armut. Die Gegenstände darin hat Professor Tom Wolf aus den USA dem Museum überlassen. Er ist ein Nachfahre der Familie Wolf aus der Nähe von Modrava in Böhmen, die ab 1881 in Heimbrechtsreuth bei Schönberg lebten.

Den vierten Themenblock bildete das in der „armen Zeit“ entstandene Brauchtum, welches sich bis heute erhalten hat. Fasziniert hörten die Schüler den spannenden Geschichten zum Wolfauslassen, Ratschen und Wasservogelsingen, zu.

Zum Abschluss durfte ein Blick auf die Veränderungen des Waldes, auf die wichtigsten Baumarten und die Tiere nicht fehlen. Doch hier konnten die Kinder auf bereits erworbenes Wissen im Heimat- und Sachunterricht zurückgreifen und den Anwesenden ausgiebig dazu berichten.

Ein Informationsfilm im „Vogelnest“ rundete den sehr informativ gestalteten Vormittag ab.
Mit einem kräftigen Applaus und sogar Zugaberufen bedankten und verabschiedeten sich die Drittklässler von ihren Waldführern. Im Unterricht wird das Erlebte jetzt vertieft und nachhaltig aufgearbeitet.

− eb

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