Von Schlafen bis Schrumpfen

Wie Tiere überwintern

22.02.2023 | Stand 22.02.2023, 10:45 Uhr

Gartenschläfer im Winterschlaf - Eingehüllt in Moos, Federn und kleinen Zweigen liegt ein Gartenschläfer in einem Meisenkasten im Winterschlaf. - Foto: Peter Zschunke/dpa

Warme Kleidung, Heizung aufdrehen - so einfach können sich Menschen vor der Kälte schützen. Tiere müssen sich dagegen einiges einfallen lassen, um im Winter zu überleben.

Wenn es draußen ungemütlich wird, beginnt für die Wildtiere eine harte Zeit: Sie finden nur noch wenig zu fressen, brauchen gleichzeitig aber mehr Energie, um nicht auszukühlen. Um gut durch den Winter zu kommen, haben sie verschiedene Strategien entwickelt:

Schlafen Der Winterschlaf ist wahrscheinlich eine der bekanntesten Methoden, wie Tiere die kalten Monate überstehen. Zum Beispiel Murmeltier, Siebenschläfer, Igel und Fledermaus senken dafür nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland ihre Körpertemperatur drastisch ab, die Körperfunktionen kommen praktisch zum Erliegen.

Der Begriff «Winterschlaf» ist deshalb auch irreführend. «Die Tiere schlafen nicht. Sie sind in einer Art physiologischem Nahtodzustand», erläutert der Biologe Thassilo Franke vom Naturkundemuseum Biotopia in München. In regelmäßigen Abständen müssen die Tiere den Winterschlaf deshalb unterbrechen und in einen echten Schlaf wechseln, um Nervenzellen mit Sauerstoff zu versorgen und Stoffwechselprodukte zu entfernen, sagt Klaus Hackländer von der Deutschen Wildtier Stiftung.

Ruhen

Braunbär, Eichhörnchen oder Dachs halten dagegen nur Winterruhe. Das heißt, sie fahren ihren Stoffwechsel nicht so stark herunter. Zwischendurch sind die meisten dem Wildtierbiologen Hackländer zufolge immer wieder aktiv und gehen auf Nahrungssuche. Der Braunbär verbringt dagegen in den nördlichen Regionen mehrere Monate schlafend und lebt in der Zeit nur von seinen Fettreserven. «Interessant ist, dass sich seine Muskelmasse und die Knochen trotz der langen Ruhephase nicht abbauen», sagt Franke.

Vorräte

Andere Tiere horten Futter für schlechte Zeiten. Ein Beispiel ist der Tannenhäher, der sich von den Samen der Zirbelkiefer im Gebirge ernährt. Tausende Verstecke legt er über den Winter an - und trägt damit zur Ausbreitung der Zirbel bei. Denn die Zirbelzapfen öffnen sich nicht von selbst.

Die Samen brauchen den Tannenhäher, der sie aus dem Zapfen befreit und dann oft kilometerweit verbreitet. In den Verstecken, die er über den Winter vergisst oder die aus anderen Gründen nicht geleert werden, können diese dann keimen. «Der Tannenhäher ist deshalb auch der Förster des Zirbelwaldes», sagt Franke.

Diät

Im Gegensatz dazu sind Rehe, Hirsche und Wildschweine darauf angewiesen, im Winter Futter zu finden, erläutert die Biologin Angelika Nelson vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz im bayerischen Hilpoltstein. Da aber oft weniger Futter vorhanden ist, nutzt zum Beispiel das Rehwild einen Trick, um genügsamer sein zu können. «Der Pansen schrumpft um 30 Prozent des Volumens», sagt Franke.

Andere Tiere stellen ihre Ernährung ganz um und müssen dafür ihren Verdauungstrakt anpassen. Die Bartmeise frisst normalerweise Insekten, im Winter aber die harten Schilfsamen. Dazu baue sie ihren Magen sozusagen in eine Getreidemühle um, erläutert Franke. Die Bartmeise picke viele kleine Steinchen auf, gleichzeitig verdicke sich die Magenwand. «Im Frühjahr baut sich der Magen dann wieder um.» Ähnlich sei es beim Auerhahn, der sich im Winter von schwer verdaulichen Fichtennadeln ernähre. Dieser vergrößere seinen Blinddarm massiv, weil ihm die darin befindlichen Mikroorganismen bei der Verdauung helfen.

Schrumpfen

Gerade kleine Tiere müssen bei Kälte mehr Energie aufbringen, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Spitzmäuse, Maulwürfe und Wiesel nutzen deshalb einen Trick, um überlebenswichtige Energie zu sparen: Sie schrumpfen.

Besonders auffällig sei es bei der Waldspitzmaus, die ihr Gewicht im Winter um fast ein Fünftel reduziere, sagt der Verhaltensneurobiologe Moritz Hertel Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz am Standort Seewiesen bei Starnberg. «Es wird Kalzium aus den Knochen gezogen und deshalb werden diese elastischer», erläutert der Experte. «Wir sehen eine reversible Osteoporose.» Denn im Frühjahr wachsen die Tiere wieder.

Frostschutz

Weil Wasser bei niedrigen Temperaturen gefriert, haben manche Tiere einen natürlichen Frostschutz. Amphibien wie Frösche graben sich im Winter im Boden ein oder suchen sich einen anderen geschützten Platz. Bei Temperaturen unter null Grad fielen sie in eine Winterstarre, sagt die Biologin Nelson.

Als wechselwarme Tiere hänge ihre Körpertemperatur von der Außentemperatur ab. «Bei unter null Grad besteht deshalb die Gefahr, dass die Flüssigkeit in den Zellen und Zellzwischenräumen gefriert», sagt Nelson. Das verhinderten die Amphibien mit Hilfe von Glyzerin das wie ein Frostschutzmittel wirke.

Wegzug

Eine ebenfalls sehr bekannte Überwinterungsstrategie ist der Vogelzug. Die Kurzstreckenzieher reisten in der kalten Jahreszeit in den Mittelmeerraum, die Langstreckenzieher bis nach Afrika südlich der Sahara, sagt Nelson.

«Viele Zugvögel sind Insektenfresser.» Die zum Teil viele Tausend Kilometer lange Reise sei aber sehr gefährlich. Deshalb komme es wegen der milderen Winter schnell zu Anpassungen bei den Zugrouten. So überwintere die Mönchsgrasmücke seit den 1980er Jahren in England, Hausrotschwanz und Star blieben inzwischen zum Teil im Süden Deutschlands.

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