Die Bundesbank kann ihre Bilanz dank Milliardenrückstellungen gerade noch retten. Klar ist: Mit einem Geldsegen aus Frankfurt sollte der Bund über Jahre nicht rechnen.
Schlechte Nachrichten für den Bundesfinanzminister: Die Deutsche Bundesbank steuert nach vier Jahren ohne Gewinn auf den ersten Verlust seit 1979 zu. Die Überweisung für den Bund aus Frankfurt dürfte nach Einschätzung von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel für mehrere Jahre ausfallen. 2023 konnte die Notenbank Belastungen aus der rasanten Zinswende gerade noch durch milliardenschwere Rücklagen auffangen - doch diese sind nun fast aufgebraucht.
Infolge der Zinswende brach das Zinsergebnis 2023 ein und lag mit minus 13,9 Milliarden Euro erstmals im negativen Bereich, wie die Bundesbank am Freitag mitteilte. Im Ergebnis musste die Bundesbank Verluste von rund 21,6 Milliarden Euro tragen - den höchsten Wert ihrer Geschichte.
„Wir können mir einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit sagen, dass das der Peak war“, sagte Bundesbank-Präsident Nagel in Frankfurt. Er gehe aber davon aus, dass die Belastungen auch im laufenden Jahr erheblich sein und die verbliebenen Rücklagen übersteigen werden. „Wir erwarten, längere Zeit keine Gewinne ausschütten zu können“, sagte Nagel. Den letzten Bilanzverlust hatte die Bundesbank 1979 mit gut 2,9 Milliarden Euro Minus ausgewiesen.
Nagel: Bundesbank auch bei Verlusten handlungsfähig
Die Bundesbank könne „auch bei einem Verlustvortrag ihre Aufgaben uneingeschränkt erfüllen, nicht zuletzt in der Geldpolitik“, ordnete Nagel ein. Anders als Geschäftsbanken ist es nicht das Ziel einer Notenbank, möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften. „Das vorrangige Ziel des Eurosystems besteht darin, die Preisstabilität zu sichern. Die Bundesbank wird weiterhin entschieden für Preisstabilität eintreten, auch wenn dies zu finanziellen Verlusten führt“, sagte Nagel.
Bundesbank-Vorständin Sabine Mauderer betonte: „Die Bundesbank besitzt beträchtliche Vermögenswerte, die erheblich größer sind, als ihre Verpflichtungen.“ Die Bewertungsreserven - vor allem Goldbestände - beliefen sich auf fast 200 Milliarden Euro. Ein Verkauf von Gold zum Ausgleich von Verlusten stehe nicht zur Debatte, betonte Nagel: „Da habe ich keine Nanosekunde drüber nachgedacht. Ich nicht, Sabine Mauderer nicht, keiner in der Bundesbank.“
Risiken aus gemeinsamer Geldpolitik schlagen durch
Die Notenbanken des Eurosystems hatten in den vergangenen Jahren in großem Umfang Staats- und Unternehmensanleihen gekauft, um die Konjunktur anzukurbeln und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. Viele dieser Papiere werfen relativ niedrige Zinsen ab, zugleich müssen die Notenbanken ihrerseits Geschäftsbanken inzwischen wieder deutlich höhere Zinsen für geparkte Gelder zahlen.
Die Bundesbank hatte schon unter Nagels Vorgänger Jens Weidmann Milliarden für mögliche Risiken aus der gemeinsamen Geldpolitik unter Führung der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückgelegt. Im Geschäftsjahr 2022 nutzte die Bundesbank rund eine Milliarde Euro aus ihrer Risikovorsorge, um einen Verlust zu vermeiden. Die noch vorhandene sogenannte Wagnisrückstellung in Höhe von 19,2 Milliarden Euro löste die Bundesbank nun komplett auf. Darüber hinaus wurden rund 2,4 Milliarden Euro aus Rücklagen entnommen. Somit verbleiben den Angaben zufolge noch Rücklagen von knapp 700 Millionen Euro.
Nagel: Kampf gegen Inflation noch nicht gewonnen
„2023 schlagen die Leitzinsanhebungen voll durch“, erläuterte Nagel. Die Euro-Währungshüter hatten im Kampf gegen die hohe Inflation seit Sommer 2022 zehnmal in Folge die Leitzinsen im Euroraum nach oben gesetzt. Die Zinswende machte sich auch in der Bilanz der EZB bemerkbar: Für 2023 wies die EZB erstmals seit 2004 einen Verlust aus. Wie schon ein Jahr zuvor fiel daher die Ausschüttung an die nationalen Notenbanken im Euroraum aus. „Die EZB-Verluste werden früher oder später die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Bundesbank belasten“, führte Mauderer aus.
Nagel bekräftigte: „Auch wenn die Versuchung groß sein mag: Für Zinssenkungen ist es zu früh.“ Die Inflation sei zwar sowohl in Deutschland als auch im Euroraum auf dem Rückzug. Aber noch sei das Ziel nicht erreicht. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Über Jahre hatte das Bundesfinanzministerium im Bundeshaushalt traditionell einen Bundesbankgewinn in Höhe von 2,5 Milliarden Euro eingeplant. Noch 2019 durfte sich der damalige Ressortchef und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den höchsten Bundesbank-Gewinn seit der Finanzkrise freuen: 5,85 Milliarden Euro.
© dpa-infocom, dpa:240223-99-95252/4
Artikel kommentieren