Der Gag ist nur lauwarm, als Eisbrecher taugt er dennoch. „Spielt der FC heute?“, gibt sich ein Fahrgast in der Kölner Straßenbahn ahnungslos. Es ist zwar Samstag und die rot-weißen Trikots der lachenden Schweizer passen farblich – doch natürlich hat auch der Fragesteller mitbekommen, dass a) der 1. FC Köln kürzlich zum x-ten Mal aus der Bundesliga abgestiegen und b) die Fußball-EM in der Stadt ist. Erste Partie: Ungarn gegen Schweiz.
Völkerverständigung im Waggon
Kölner, Eidgenossen und Magyaren rumpeln also gemeinsam mit der Linie 1 Richtung Stadion, und weil die Fahrt auf der auch ohne EM chronisch überlasteten Ost-West-Verbindung doppelt so lang dauert wie der Fahrplan ausweist, bietet sich ausgiebig Gelegenheit zur Völkerverständigung. Zwei Schweizer bekommen von deutschen Ausflüglern ein Eierlikörchen eingeschenkt, ein Quartett aus Ungarn bietet Palinka-Schnaps aus der Flasche feil.
Auf der Rückfahrt geht gar nichts mehr
An einer Haltestelle schließen sich schon die Türen, als eine schlanke, blonde Frau noch über die Straße hechtet. Doch der Vollsprint kommt zu spät, die Bahn fährt ohne sie ab. Sehr zum Bedauern der Schnapsler, die Trauergeheul anstimmen. „Stop the train“, rufen sie in Richtung Fahrer, doch der gibt Gas, weil die Strecke endlich mal frei ist. Am Ziel sagt einer der Ungarn zu den Schweizern: „Gentlemen, have fun. But not today!“
KVB: Katastrophen-Verkehrs-Betriebe
Auf der Rückfahrt haben dann selbst die Schweizer keinen Spaß mehr: Es geht noch langsamer voran – und irgendwann überhaupt nicht mehr. Die Geduld der Besucher aus dem Bahnland mit dem mangelhaften deutschen ÖPNV ist aufgebraucht: Als die Luft im Waggon endgültig sauerstofffrei ist und man die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) als Katastrophen-Verkehrs-Betriebe verflucht, betätigt jemand die Notöffnung der Tür. Und wenig später noch ein zweites Mal. Die Aachener Straße wird zur Fußgängerzone. Wo sind die Palinka-Jungs, wenn man sie mal braucht? Und ist das eigentlich immer so, wenn der FC spielt?
Mit der EM-Kolumne „Völlig losgelöst“ hebt unsere Sportredaktion wie „Major Tom“ von Peter Schilling ab und beleuchtet in loser Folge die Kuriositäten des Turniers.
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