PFANNENSTIELS WM
Marokkos Mentalität, Brasiliens Ballkunst – und warum die Flick-Entscheidung richtig ist

09.12.2022 | Stand 17.09.2023, 21:11 Uhr

Von Lutz Pfannenstiel

Gut, dass Hansi Flick Bundestrainer bleibt. Ich finde die Entscheidung, die gemeinsam mit dem DFB getroffen wurde, richtig – und auch konsequent. Man weiß ja, woran es bei dieser WM gelegen hat. Und Hansi Flick wird seine Schlussfolgerungen ziehen, an welchen Stellschrauben er mit Blick auf die Heim-EM 2024 drehen muss, damit wir wieder Freude an und mit der Fußball-Nationalmannschaft haben.

Schauen wir uns die Viertelfinals an: So wie ich es sehe, haben sich in den Achtelfinals sieben große Mannschaften durchgesetzt – plus die Marokkaner. Als Sensation würde ich deren Weiterkommen aber nicht bezeichnen, haben sie doch schon in der Vorrunde hervorragenden Fußball gespielt – und mit Ziyech einen herausragenden Spieler. Die Marokkaner haben mich mit Mentalität und sehr guter Körpersprache überzeugt. Und dann haben sie mit Bono einen Torhüter, der im Elfmeterschießen gegen Spanien cool ohne Ende war. Für Marokko und den ganzen Kontinent ist die Viertelfinal-Teilnahme eine tolle Geschichte, weil der nordafrikanische Fußball damit schon etwas Besonderes erreicht hat. Ich glaube, dass die Marokkaner im Viertelfinale gegen Portugal noch einige PS im Tank haben.

Für die Brasilianer läuft es hervorragend. Wenn ich höre, wie zuletzt von einem Journalisten, es sei arrogant, wie die Spieler tanzen, zeugt das für mich eher von der interkulturellen Kompetenz eines Kleiderbügels. Brasilianer und Afrikaner gehen nun mal ganz anders Fußballspiele an. Das Tanzen ist Ausdruck der Freude und des Zusammengehörigkeitsgefühls, aber ganz bestimmt keiner der Überheblichkeit. Gegen Kroatien sind sie für mich ganz klarer Favorit.

Offen wird das Viertelfinale zwischen den Niederlanden und Argentinien. Argentinien mit einem nach wie vor überragenden Messi hat nach dem Auftakt-Debakel gegen Saudi-Arabien von Spiel zu Spiel bessere Leistungen gezeigt, die Holländer haben gegen die Amerikaner erstmals ihre Qualitäten auf den Platz gebracht. Die Partie Frankreich gegen England könnte auch ein Endspiel sein. Die Qualität der Franzosen ist, obwohl so starke Spieler verletzt ausfallen, phänomenal.


Lutz Pfannenstiel (49) aus Zwiesel spielte als erster Aktiver weltweit Profifußball auf allen Kontinenten. Pfannenstiel arbeitet als Sportdirektor beim MLS-Klub St. Louis City und berichtet als Kolumnist für die Heimatzeitung über die WM.