Das erhoffte Ausrufezeichen im Titelkampf bleibt aus. Zwar verteidigt der BVB im Topduell mit Spitzenreiter Leverkusen leidenschaftlich, tritt aber nicht wie ein ambitionierter Verfolger auf.
Mehr Ehrfurcht als Mut, mehr Zweifel als Zuversicht - nach dem 1:1 im rassigen Spitzenspiel bei Bayer Leverkusen überwog bei Borussia Dortmund bei aller Leidenschaft die Ernüchterung.
Langsam aber sicher setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Bundesliga-Titelkampf in dieser Saison wohl ohne den BVB stattfinden wird. 22:6 Torschüsse, 16:1 Ecken und 62 Prozent Ballbesitz zugunsten des Tabellenführers aus dem Rheinland waren Ausdruck großer Unterlegenheit. Die Defensivtaktik der eigentlich für Offensivkraft bekannten Westfalen verblüffte auch Leverkusen: „So habe ich Dortmund noch nie spielen sehen. Alle hinter dem Ball“, kommentierte Bayer-Torjäger Patrik Schick.
Obwohl der Vizemeister bei bereits zehn Punkten Rückstand eigentlich zum Siegen verdammt war, verleugnete er seine DNA. Er verteidigte das eigene Tor mit viel Hingabe und Qualität, setzte aber nach der frühen Führung durch Julian Ryerson (5. Minute) kaum Akzente in der Offensive. Selbst in der Phase, als die Leverkusener in der zweiten Halbzeit zwischenzeitlich den Druck reduzierten, blieb Bayer-Keeper Lukas Hradecky nahezu beschäftigungslos.
Leitwolf Granit Xhaka konnte sich einen ironischen Kommentar nicht verkneifen: „Wir haben nur kurz dem Gegner etwas Hoffnung gegeben, damit sie denken, sie können jetzt ein bisschen mehr machen. Aber da kam auch dann nix.“
BVB-Coach verteidigt defensive Ausrichtung
Dabei wäre die Strategie von Edin Terzic fast aufgegangen - bis zum späten Ausgleich durch Victor Boniface (79.) lief alles nach Plan. „Leverkusen ist immer noch unbesiegt, das stört mich heute am meisten. Aber ich hatte das Gefühl, dass wir die Mannschaft waren, die mit am nächsten dran waren“, befand der BVB-Coach. Der 41-Jährige verteidigte die defensive Ausrichtung seiner Mannschaft: „Wir wollten dafür sorgen, dass nicht die Anzahl der Tore, die du erzielst, entscheidet, ob du gewinnst, sondern dass du nicht so viel schluckst. Wir wollten dafür sorgen, dass ein oder zwei Tore reichen, um was mitzunehmen.“
Doch die Hoffnung des Fußballlehrers auf mehr Entlastung durch Konter erwies sich als Wunschdenken. „Wir haben nicht den Mut gezeigt, einen Ball auch mal zu behaupten, vielleicht mal ein Eins-gegen-Eins-Duell zu gewinnen. Das sind viele Aspekte, die dazu führen, dass es erschreckend aussieht“, gestand Nationalspieler Julian Brandt. „Leverkusen hätte den Sieg mehr verdient gehabt als wir.“
Im Gegensatz zu vielen Beobachtern glaubt Terzic aber offenbar weiterhin daran, die große Lücke zum bemerkenswert stabilen Spitzenreiter noch schließen zu können. „Es ist ein großer Abstand, das ist richtig. Aber es kommt noch so viel zu, sowohl auf uns als auch auf Leverkusen. Leverkusen hat auch noch eine spannende Phase vor sich mit dem Afrika-Cup“, sagte Terzic mit Blick auf das Kontinentalturnier vom 13. Januar bis 11. Februar, für das sein Trainerkollege Xabi Alonso gleich fünf Profis abstellen muss, darunter Stammkräfte wie Boniface, Odilon Kossounou und Edmond Tapsoba.
Bereits am Mittwoch steht der BVB nach den Spielen in Mailand (3:1) und Leverkusen vor der dritten hohen Auswärtshürde innerhalb einer Woche. Sollte auch die Pokalpartie beim VfB Stuttgart (20.45 Uhr) verloren gehen, wäre eine weitere Saison ohne nationalen Titel wohl kaum noch zu vermeiden. Die desolate Vorstellung im Bundesligaspiel (1:2) an gleicher Stelle Mitte November verheißt nichts Gutes. Kapitän Emre Can gelobte Besserung: „Wir wollen ein anderes Gesicht zeigen als zuletzt in Stuttgart.“
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