Wundertüte auf Achterbahnfahrt
Der wilde Ritt des EV Landshut Richtung DEL2-Playoffs – Zwei Späteinkäufe trugen zur Wende bei

19.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:43 Uhr

Mit ihm kam die Stabilität zurück: Goalie Luca Gracnar (links), während der Saison verpflichtet, im Spiel gegen die Heilbronner Falken (Mitte Stefan della Rovere). Der slowenische Nationalspieler stärkte auch Torhüter-Kollege Sebastian Vogl. −Foto: Imago Images

Wie soll man die aktuelle Saison des EV Landshut beschreiben? Man könnte darüber ein Buch verfassen oder einen Film drehen, beides hätte klar überdurchschnittlichen Unterhaltungswert und würde sich in der DEL2 gut verkaufen. Wer es lieber etwas kürzer mag, dem sei gesagt: Der EVL 2022/23 kommt daher wie eine Wundertüte auf Achterbahnfahrt. Nervenkitzel ist Normalität, Langeweile ausgeschlossen – und gewiss nur die Ungewissheit, wie es hinter der nächsten (Form-)Kurve aussieht.

Die Rot-Weißen hatten einen Superstart in die Spielzeit hingelegt und nach einigen rauschhaften Eishockey-Festen sogar die Tabellenführung erobert. Was folgte, war aber ein atemberaubender Absturz mit 13 Niederlagen in 15 Spielen und unsanfter Landung auf dem 12., also drittletzten Platz. Gleichwohl hielt der Club an Heiko Vogler fest – und kann sich bestätigt fühlen, denn Trainer und Team zogen den Karren gemeinsam aus dem Schlamassel. Sechs Spieltage vor Ende der Hauptrunde hat der EVL als Tabellensiebter das direkte Playoff-Ticket wieder in Reichweite. Angesichts des enormen Pendelausschlags an Ergebnissen und Emotionen sah sich Geschäftsführer Ralf Hantschke zwischenzeitlich aufgerufen, für Sachlichkeit zu werben. Seine Botschaft: Die Mannschaft sei weder so gut, wie es zu Saisonbeginn schien, noch so schlecht, wie man anschließend glauben konnte. Eine Botschaft, die sich auch in den beginnenden Personalplanungen widerspiegelt: Zuletzt ist der Vertrag mit Torjäger Marco Pfleger um zwei Jahre verlängert worden. Dagegen verlässt Verteidiger Markus Eberhardt den Klub mit sofortiger Wirkung. Mit zehn Siegen aus den letzten elf Heimspielen (bei 29 von 33 möglichen Punkten) konnten die Vogler-Schützlinge die sportliche Hoheit am Gutenbergweg eindrucksvoll zurückerobern. Schlüssel für die Wende zum Positiven ist ein kompaktes Kollektiv mit einer etwas defensiveren Herangehensweise. „Nicht mehr in Schönheit“ und Ineffizienz zu sterben, so der Coach in Anspielung auf manche Pleite in der Krisenzeit, sei ein massiver Lerneffekt, der sich in schmucklosen, aber wichtigen Low-Scoring-Siegen wie einem 1:0 gegen Crimmitschau manifestierte. Dazu kommt, dass der EVL bei seinen beiden Nachverpflichtungen im Ausländerbereich ein (sehr) gutes Händchen hatte. Der slowenische Nationaltorhüter Luka Gracnar hat sich vom ersten Moment an als Leistungsträger präsentiert, an seiner Seite konnte sich überdies der zuvor arg schwächelnde Routinier Sebastian Vogl stabilisieren. Somit hat der EVL, vor nicht allzu langer Zeit noch unter einem echten Goalie-Problem ächzend, nunmehr mit dem bärenstarken Gracnar, dem verbesserten Vogl sowie dem Straubinger DEL-Keeper Florian Bugl als Förderlizenz-Option ein für Zweitliga-Verhältnisse ziemlich exquisites Gespann im Repertoire.

Und mit Stürmer Jack Doremus zündet mittlerweile auch der zweite Späteinkauf. Nach durchwachsenem Start im November ist der US-Boy in den letzten Wochen geradezu heißgelaufen; seit Weihnachten verbuchte er bei jedem Einsatz mindestens einen Scorerpunkt. Nach dem 6:3 am Sonntag gegen Regensburg, bei dem Doremus einen Doppelpack schnürte, wurde er von Vogler als „Top-Einkauf“ geadelt.

Auch neben dem Eis herrscht derzeit gute Stimmung am Gutenbergweg. Das Derby gegen die Eisbären war schon eine Woche zuvor ausverkauft, der Zuschauerschnitt von 2748 bedeutet Platz vier im Liga-Ranking. Mutmaßlich wird sich dieser Wert noch verbessern, denn der Terminplan verspricht ein richtig heißes Hauptrunden-Finish für den EVL, mit mehreren direkten Duellen gegen die Playoff-Konkurrenz. Nach dem Auswärtsspiel am Freitag beim Vierten Dresden (3:4 n.V.) kreuzt am Sonntag mit DEL-Absteiger Krefeld der Tabellenfünfte in Landshut auf – und eine Woche später der Sechstplatzierte Bad Nauheim. Fällt hier die Vorentscheidung in Sachen direkte Playoff-Qualifikation?

Wie also wird die wilde Achterbahnfahrt 2022/23 für den Eislaufverein enden? Mit einem längeren Playoff-Trip? Mit einem schmucklosen Ausscheiden in den Pre-Playoffs? Nichts ist unmöglich – aber eines dringend anzunehmen: Diese bewegte Saison wird bestimmt noch den einen oder anderen Looping bereithalten.