Seit Januar ist Dr. Christian Werner (43) Sport-Geschäftsführer des TSV 1860 München. Der promovierte Sportwissenschaftler muss in seinen ersten Monaten gleich einen Komplettumbruch managen. Über die neuen Löwen und den nahenden Drittliga-Start haben wir uns mit ihm unterhalten.
Herr Werner, der TSV 1860 München befindet sich mitten in der Vorbereitung, ist ungeschlagen. Wie lautet ihr Zwischenfazit gut zwei Wochen vor dem Saisonstart?
Dr. Christian Werner: Es ist schön, dass wir ungeschlagen sind, aber Ergebnisse sind gerade total uninteressant für uns. Wir sind unabhängig davon zufrieden mit der bisherigen Vorbereitung, haben keine Verletzten, das ist erst einmal das Wichtigste. Die Trainingssteuerung funktioniert sehr gut und folgerichtig sind wir auf einem guten Weg. Sowohl körperlich als auch mannschaftstaktisch sind wir so weit, wie wir zu diesem Zeitpunkt sein wollten.
Das hat auch der SV Schalding zu spüren gekommen. Welchen sportlichen Wert hatte das Testspiel gegen den Bayernligisten?
Werner: Den gleichen wie alle anderen Testspiele auch. Es geht für uns darum, in allen Situationen unser Spiel bestmöglich durchzubringen – völlig egal, gegen welchen Gegner.
Ziel: Dominanter auftreten
Wie soll das Löwen-Spiel denn in der kommenden Saison aussehen?
Werner: Wir wollen grundsätzlich schon etwas dominanter auftreten als in der letzten Saison. Wir werden höhere Ballbesitzzeiten haben. Für mich ist es ein wichtiger Faktor, dass wir vor allem zu Hause ein anderes Gesicht zeigen, aggressiver Auftreten.
Ein anderes Gesicht wird die Mannschaft zwangsläufig zeigen, im Sommer gab es einen großen Umbruch. 19 Spieler haben den Verein verlassen, neun sind bisher von außen dazugekommen, dazu einige Talente aus der eigenen Jugend. Welchen Eindruck machen die neuen Löwen auf Sie?
Werner: Einen sehr guten. Wir sind auf allen Ebenen zufrieden, weil die Spieler sowohl menschlich als auch fußballerisch sehr gut zu uns passen. Wir wollten ein anderes Mindset in die Mannschaft bringen und da sind wir auf einem sehr guten Weg.
Ihr Trainer Argirios Giannikis sagte, es gehe in der restlichen Vorbereitung noch darum, „eine Mannschaft zu werden“.
Werner: Da ist mein Eindruck nach zweieinhalb Wochen der Zusammenarbeit schon ein sehr positiver. Die Spieler bringen sich gut ein und wir sind auf einem hervorragenden Weg, auch einen Teamgedanken zu implementieren.
Wir wollen kleiner, kompakter sein
Es gab deutlich mehr Ab- als Zugänge, der Kader kommt mit derzeit 23 Spieler recht kompakt daher. Bewusste Entscheidung?
Werner: Ja. Wir hatten letztes Jahr einen sehr großen Kader und auch aus diesem Grund mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Wir haben ja im Winter nochmal vier Transfers getätigt und den Kader nicht verkleinert, weil wir jedem Spieler eine faire Chance geben wollten. Die Erkenntnis daraus war: Wir wollen kleiner, kompakter sein, Spieler aus der Jugend hochbringen und ihnen Spielzeit geben.
Mit dem Kader ist auch der Etat geschrumpft – oder umgekehrt. Dennoch haben Sie einige namhafte Spieler geholt, die in der 3. Liga ihr Können schon unter Beweis gestellt haben. Womit haben Sie die denn zu Sechzig gelockt, wenn nicht mit Geld?
Werner: Für uns war es wichtig, Spieler zu verpflichten, die vor allem auf eine sportliche Entwicklung und auf einen sportlichen Plan schauen. Den konnten wir ihnen gut präsentieren. Wir haben eine gute Analyse hinbekommen, wo wir den Spieler momentan sehen und ihm aufgezeigt, wo wir ihn hinbekommen können. Viele unserer Spieler haben noch keine fertigen Profile. Viele von ihnen haben sich dann, glaube ich, auch bewusst für ein Gesamtpaket entschieden, in dem sie bestmöglich gefördert und gefordert werden.
Der Plan mit dem Nachwuchs
Teil des Plans dürfte – oder muss es gezwungenermaßen – sein, junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs stärker zu integrieren. Wie wollen Sie das im laufenden Betrieb schaffen?
Werner: Wir machen das nicht gezwungenermaßen, sondern es steckt ein ganz klarer Plan dahinter. Wir gehen den Weg wissentlich und willentlich. Wir haben gesagt, wir wollen eine Löwen-DNA implementieren und da haben wir natürlich ein ganz klares Ziel, die Spieler, die bei uns aus dem NLZ rauskommen, auch mittelfristig bei uns in die Profimannschaft zu integrieren. Dabei ist uns völlig bewusst, dass gerade junge Spieler Leistungsschwankungen unterworfen sind. Dafür haben wir eine Achse aus Führungsspielern – die diese Schwankungen dann natürlich nicht haben dürfen. Deswegen glauben wir, dass sich die jungen Spieler hier optimal entwickeln können.
Wem trauen Sie den großen Sprung in dieser Saison zu?
Werner: Ich will da jetzt gar keinen herausnehmen, da würde ich allen anderen, die ich nicht erwähne, Unrecht tun. Im Großen und Ganzen können wir aber sagen, dass wir da jetzt schon sehr viel Qualität gesehen haben. Und das ist toll zu sehen, dass die jungen Spieler zu diesem Zeitpunkt schon so weit sind.
Rufen Sie ein Saisonziel aus?
Werner: Über Saisonziele kann man sprechen, wenn den Kader komplett hat und auch die Konkurrenz einschätzen kann. Was ich realistisch sagen kann: Wir wollen eine bessere Saison spielen als die letzte (als 15. abgeschlossen, Anm. d. Red.). Das ist aber nicht selbstverständlich, weil wir andere Voraussetzungen haben als vergangenes Jahr.
Zumal die Liga in ihrer Leistungsdichte noch einmal ausgeglichener geworden sein dürfte.
Werner: Das wird eine unfassbar enge Runde und für uns eine Mammutaufgabe, wenn man bedenkt, dass mit Ulm und Münster zwei Mannschaften nach oben gegangen sind, von denen man es nicht erwarten konnten und im Umkehrschluss Mannschaften in der Liga geblieben sind, die wahnsinnig viel Qualität haben und auch nochmal dazubekommen werden.
Viele Titelanwärter
Haben Sie einen Favoriten?
Werner: Ehrlich gesagt glaube ich, dass es ungefähr zwölf Mannschaften gibt, die den Anspruch haben können, oben mitzuspielen. Die Zweitliga-Absteiger werden jetzt erst noch richtig auf dem Markt zuschlagen. Da einen Favoriten rauszupicken, ist schwer.
Zum Abschluss noch zu Ihnen persönlich: Sie sind nun ein gutes halbes Jahr Sport-Geschäftsführer bei 1860. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Werner: Ich bin sehr zufrieden, dass ich diesen Schritt gegangen bin, und auch dankbar dafür, dass man mir dieses Vertrauen geschenkt hat. Ich versuche, es mit guter und harter Arbeit zurückzuzahlen. Als ich im Winter übernommen habe, war der Verein in einer kritischen Phase mitten im Abstiegskampf. Da bin ich auch heute noch froh, dass sich der Verein für jemanden entschieden hat, der vorher noch nicht in der 3. Liga als Geschäftsführer gearbeitet hat. 1860 ist immer eine Herausforderung, weil es ein sehr lebendiger Verein ist. Aber er besteht auch aus vielen tollen Menschen, die ich kennenlernen darf.
Wie schwer ist es, Sacharbeit zu leisten in einem so „lebendigen Verein“ wie 1860 München?
Werner: Gar nicht so schwer, wenn man sich genau darauf konzentriert. Ich führe mit allen Personen wertschätzende Gespräche und spüre auch mir gegenüber Wertschätzung von allen Seiten. Und ich bin auch überzeugt, dass das der einzige Weg ist, auf dem man bei Sechzig erfolgreich arbeiten kann.
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