Das deutsche Geschäftsmodell gerät zunehmend unter Druck. Darauf wiesen am Mittwoch Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), und Prof. Michael Hüther, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes IW in Köln, hin.
Anders als in vielen anderen Ländern habe sich in Deutschland und insbesondere in Bayern immer ein deutlich höherer Industrie-Anteil erhalten – zusammen mit den hohen Exportraten jahrelang mitursächlich für ein hohes Wohlstandsniveau hierzulande.
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Durch die derzeitige Deglobalisierung und aufgrund von Standortproblemen wie hohen Steuern, hoher Bürokratiebelastung, hohen Energiekosten, nicht zuletzt aber auch hoher Lohnkosten komme dieses Modell zunehmend unter Druck, so Brossardt und Hüther. Brossardt wies im Zusammenhang mit den derzeitigen Tarifauseinandersetzungen in der Metall- und Elektroindustrie, die insbesondere in Bereichen wie dem Maschinenbau und vor allem der Automobil-Industrie weiß-blaue Wohlstandstreiber sind, darauf hin, dass hier zuletzt in Bayern 7500 Arbeitsplätze abgebaut worden seien, die Streichung weiterer 18 000 Stellen sei „absehbar“, so Brossardt. „Und die Planungen für das nächste Jahr sind nochmal deutlich heftiger.“
„Hinken beim Fortschritt hinterher“
Unter dem Strich hätten deutsche Unternehmen derzeit mit einem erheblichen Kostennachteil zu kämpfen, so Brossardt. Zugleich bestehe für sie eine überdurchschnittliche Transformationsnotwendigkeit. „Bei allen aktuellen Megatrends, Dekarbonisierung, Digitalisierung, Demografie und Deglobalisierung sind wir stärker betroffen als unsere wichtigen Wettbewerber und hinken beim Fortschritt hinterher“, sagte Brossardt.
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Prof. Hüther sprach von einem „perfekten Sturm“ für das deutsche Geschäftsmodell. Es sei „nicht akzeptabel“, dass der Standort Deutschland im Vergleich zu anderen, ähnlichen Volkswirtschaften so viel schlechter dastehe. Laut einer Studie seines Instituts leide Deutschland insbesondere unter hohen Arbeits- und Lohnstückkosten sowie hoher Körperschaftssteuer, hohen Energiepreisen und bürokratischen Lasten. „Das kann nicht unser Anspruch sein“, sagte er Wirtschaftsforscher.
Streiks in der aktuellen Situation „unangemessen“
Das klare Ziel von Politik und Tarifvertragsparteien müsse der Stopp der Deindustrialisierung sein, forderte er – und zeigte sich insbesondere angesichts der Tarifauseinandersetzungen enttäuscht. „Ich fordere die IG Metall auf, zur Vernunft zu kommen“, Streiks seien in der aktuellen Situation unangemessen.
Er wies darauf hin, dass die tariflichen Arbeitsbedingungen in anderen Ländern unter dem Niveau der bayerischen M+E-Branche liegen.
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