Gegensätze ziehen sich an der Côte d’Azur eben doch an

10.05.2019 | Stand 21.09.2023, 2:52 Uhr

Wie ein Adlerhorst klebt Saorge an den Bergen der Seealpen. Für Ruhesuchende ist Saorge ein idealer Rückzugsort.

Ein Besuch an der Côte d’Azur muss nicht immer nur Trubel und Promi-Alarm bedeuten. Es gibt auch ruhige Orte – ganz ohne Glamourfaktor.

Stéphane Ananian arbeitet im Paradies. Als Gärtner hat der Franzose mit Allerwelts-Geranien und -Begonien aber wenig am Hut. Seinen grünen Daumen setzt er vielmehr für exotische Pflanzen ein; in "seinem" Reich, dem Jardin Botanique du Val Rahmeh in Menton, wachsen prächtige Zitronen, Pampelmusen und Bananen.

In Menton, das an der Côte d’Azur nur eineinhalb Kilometer von der italienischen Grenze entfernt liegt, gedeihen die außergewöhnlichsten Zitronen. Denn die Zitrusfrüchte, wie wir sie aus dem Supermarkt kennen, haben nur wenig mit den südfranzösischen "Monster-Zitronen" zu tun. Sie sind mit ihrer wesentlich dickeren Schale nicht nur deutlich größer, sie enthalten auch bis zu fünfmal mehr Zucker und Aroma als herkömmliche Früchte. Stéphane Ananian schneidet ein Stück der Super-Zitrone ab und beißt herzhaft hinein – auch in die Schale. "Alles bio, man kann die Zitrone im Ganzen essen", erklärt der Gärtner.

Ein Wunder ist es freilich nicht, dass ausgerechnet in Menton, einem bezaubernden Städtchen, das eher italienisch als französisch anmutet, die besten und größten Zitronen wachsen. Sie finden hier ideale Bedingungen vor: Die Durchschnittstemperatur beträgt 17 (!) Grad. "Im Winter sinkt die Temperatur auf maximal fünf bis sechs Grad", erklärt Stéphane Ananian das vorherrschende Mikroklima, das vom Golf von Genua beeinflusst werde. Es friert so gut wie nie, den letzten Frost soll es 1986 gegeben haben. "In der Regel frühstücken wir an Neujahr im Freien", erzählt der Gärtner. Klimatisch kann damit nicht einmal Nizza mithalten: Hier liegen die Durchschnittswerte zwei bis drei Grad unter denen von Menton.

Wie Menton konnte auch das malerische Saorge seine Ursprünglichkeit bewahren – keine Spur von der Hektik und der Promi-Dichte, die an der Côte d’Azur in der Hochsaison herrscht. Nur knapp 50 Kilometer von Nizza entfernt klebt Saorge wie ein Adlerhorst an den Bergen der Seealpen. "Man ist hier wie in einer anderen Welt", sagt Kirstin Vorbeck, Reiseleiterin bei den für ihre Aktivangebote bekannten "Wikinger Reisen". Autos fahren so gut wie keine in Saorge, es wäre in den engen Gassen auch nahezu unmöglich.
Ruhe strahlt das in Saorge ansässige und 1633 gegründete Franziskanerkloster aus, ein Ort des spirituellen Rückzugs in wildschöner Landschaft. Ihn schätzen vor allem Schriftsteller und Literaten. Denn für schöpferisches Arbeiten bietet das Kloster fünf Plätze an – bei freier Kost und Logis. Wer einen Monat lang im Kloster von Saorge verbringen und sich im Garten, in dem Myrtesträucher wachsen und wilde Orchideen aus der Wiese sprießen, inspirieren lassen will, kann sich bewerben. Der Aufenthalt werde von der französischen Behörde für Nationaldenkmäler finanziert, sagt die Kulturverantwortliche Estelle Arnould.
Im Hinterland der Côte d’Azur hat Christine Cazon ihr Leben komplett umgekrempelt. Mit Anfang 40 brauchte die heute 57-jährige Krimiautorin eine Auszeit; eine Lebenskrise war der Grund. Sie sei auf einem Bauernhof irgendwo "hinter" Cannes gestrandet, erzählt die gebürtige Heidelbergerin und erinnert sich: "Alles, was vorher wichtig war, hatte hier keinen Wert." In einfachsten Verhältnissen habe sie sich ihren Lebenstraum, einmal ein Jahr im Ausland zu verbringen, erfüllt.
Aus einem Jahr wurden 16 Jahre. Christine Cazon, die auch wegen einer schmerzlichen Trennung an die Côte d’Azur kam, ist inzwischen mit einem Franzosen verheiratet und lebt in Cannes. Die mondäne Stadt ist Schauplatz der Kriminalfälle, die Kommissar Duval in Christine Cazons Büchern lösen muss. "Mein Umfeld ist bescheiden. Mein Blick ist auf die kleinen Leute gerichtet", beschreibt die Autorin ihr Leben und ihre Arbeit in Südfrankreich. So unglamourös kann Cannes eben auch sein.
INFORMATIONEN
Die Côte d’Azur ist ein Teilstück der französischen Mittelmeerküste. Das Hinterland ist mit den Seealpen sehr gebirgig und somit idealer Ausgangspunkt für Wanderungen.

ANREISENLufthansa fliegt von München nach Nizza.

ÜBERNACHTEN
Das 3-Sterne-Hotel De Suède liegt zentral in Nizza wenige Gehminuten von der Promenade des Anglais und dem Meer entfernt. www.hoteldesuedenice.com/de/

UNTERNEHMEN
Die 15-minütige Fahrt mit der Fähre (Erwachsene zahlen 15 Euro, Kinder 9,50 Euro) von Cannes zur Île Sainte-Marguerite lohnt sich. Auf der Insel können die Besucher den ganzen Tag verbringen; es gibt Picknick- sowie Badeplätze und einen Rundwanderweg. Fahrräder, Mofas und Autos sind nicht erlaubt.

https://de.france.fr/de
www.wikinger-reisen.de

PNP-Redakteurin Isabel Metzger besuchte die Côte d’Azur auf Einladung von "Wikinger Reisen" und Atout France.