Die Flüchtlingszahlen steigen schon seit langem, aber nun immer stärker. Geht Markus Söder wegen des wachsenden Drucks aus den Kommunen nun in die Offensive - oder doch vor allem wegen der Wahl?
Wenn die aktuellen Umfragen zur bayerischen Landtagswahl in drei Wochen stimmen, steuert Ministerpräsident Markus Söder seine CSU gerade in Richtung des schlechtesten Wahlergebnisses seit mehr als 70 Jahren. Noch ein bisschen schlechter als vor fünf Jahren, als Söder mit 37,2 Prozent bei seiner ersten Landtagswahl als Spitzenkandidat schon ein historisches CSU-Tief markierte.
Damals hatte Söder mit Schlagworten wie «Asyltourismus» phasenweise einen Haudrauf-Wahlkampf geführt - in der Hoffnung wohl, die aufkeimenden rechten Tendenzen vor allem in der Wählerschaft in Gegenden wie Niederbayern oder Oberfranken abzupuffern. Der Schuss ging nach hinten los. Die Bevölkerung folgte Söder nicht in der erhofften Zahl, den Begriff «Asyltourismus» nahm Söder sogar öffentlich zurück. In der CSU-Landesleitung kehrte Demut ein.
Man habe gelernt aus den Fehlern von 2018, hieß es in der Partei noch vor ein paar Monaten. Worte wie «Flüchtlingsobergrenze» werde man im Wahlkampf des Jahres 2023 von CSU-Politikern nicht allzu oft hören.
Der Wahlkampf wird grobschlächtiger
Stimmt: Söder hat mit der «Integrationsgrenze» nun ein neues Wort erfunden. Inhaltlich aber beugt er sich offenbar dem Druck, den die schwierige Umfragelage auf den Amtsinhaber ausübt. Der Wahlkampf - zuletzt von Schlagzeilen um den populistischen Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bestimmt - wird grobschlächtiger. Die Opposition wirft Söder einen Griff in die politische Mottenkiste vor.
Klar ist, dass Söders Integrationsgrenze kaum etwas anderes meint als die von seinem Amtsvorgänger, dem späteren Bundesinnenminister Horst Seehofer, propagierte Obergrenze. Und die von Söder vorgeschlagene Chipkarte als Alternative zu direkten Geldleistungen für Asylbewerber erinnert stark an die umstrittene Ausgabe von Warengutscheinen.
Auch wenn Söder Rückendeckung von CDU-Chef Friedrich Merz bekommt: Viele Experten sind skeptisch. Das Grundrecht auf Asyl etwa bei politischer Verfolgung stehe dem entgegen, genauso wie internationale Verträge und Abkommen, etwa die Genfer Flüchtlingskonvention.
Es werden wieder mehr Asylanträge gestellt
Tatsächlich kommen seit einigen Monaten wieder deutlich mehr Asylbewerber nach Deutschland. In den ersten acht Monaten dieses Jahres haben 204.461 Menschen hierzulande erstmals einen Asylantrag gestellt. Im gesamten Jahr 2022 waren es 217 774 Asylerstanträge. Längst nicht alle der Antragsteller durften in Deutschland bleiben.
Die Einführung einer Obergrenze gehörte stets zu den Lieblingsthemen in der CSU. Im Januar hatte Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer 200.000 Asylbewerbern pro Jahr sogar als zu hoch erachtet. «Die Obergrenze von 200.000 haben wir erreicht. Ich bin der Auffassung, dass das auf Dauer wesentlich zu viel ist», hatte Kreuzer nach in einer Fraktionsklausur erklärt.
Söder wollte sich dem damals nicht vollumfänglich anschließen. Jetzt spricht auch er wieder von Grenzen. Da ist er wieder, sagen Kritiker, der Wankelmut des Franken, der seinen Ruf, allzu sehr das Fähnchen nach dem Umfrage-Wind zu hängen, immer wieder bestätigt hat. «Der Bayerntrend hat diese Woche gezeigt, dass die Sorgen der Menschen bei der Migration überragend hoch sind», sagte Söder am Sonntag im BR-Fernsehen - wie zur Begründung seiner Aussagen.
Und natürlich kommen auch nach einer CSU-Vorstandssitzung am Montag viele kritischen Fragen: Warum der Vorstoß jetzt, so kurz vor der Wahl? «Lampedusa kennt keine bayerische Landtagswahl und interessiert sich auch nicht dafür», entgegnet der Parteichef. Und argumentiert, dass die Zahlen erst zuletzt «so richtig nach oben gegangen» seien.
Kommunen klagen schon lange über Flüchtlingsaufnahme
Tatsächlich ächzen, klagen und fordern die Kommunen schon lange. Die kommunale Flüchtlingsaufnahme in Bayern und deutschlandweit sei am Limit, warnte der Bayerische Landkreistag - schon im Februar. Doch erst jetzt, kurz vor der Wahl, geht Söder derart in die Offensive.
Hört man sich im CSU-Vorstand um, mutmaßen viele einen Zusammenhang mit der Causa Aiwanger und den Umfragewerten, vor allem dem neuen «Bayerntrend». Doch auch der Druck der Basis sei zuletzt schlicht zu groß geworden, da habe sich Söder positionieren müssen. Auch wenn - das räumen Vorstandsmitglieder ein - es nun den Anschein erweckt, der Vorstoß sei zuvorderst dem Wahlkampf geschuldet. In der Sitzung bekommt Söder nach übereinstimmenden Aussagen volle Rückendeckung.
Ob er nun dazu getrieben wurde oder nicht, Söder trägt seine Forderungen auch am Montag noch einmal voller Überzeugung vor. Bis zuletzt war es ja das Motto «Weiter so», mit dem die CSU vor allem Wahlkampf machte: «Unser Land in guter Hand». Nun, drei Wochen vor der Wahl, hat sie plötzlich doch ein Wahlkampfthema - wenn auch ein altbekanntes.
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