Bei der Befreiung der vier israelischen Geiseln im Gazastreifen sind nach Berichten mehr als 270 Menschen umgekommen. Das UN-Menschenrechtsbüro erhebt schwere Vorwürfe gegen Israel.
Das UN-Menschenrechtsbüro hat im Zusammenhang mit der israelischen Geiselbefreiung im Gazastreifen wegen der hohen Opferzahl auf palästinensischer Seite von möglichen Kriegsverbrechen gesprochen.
„Wir sind zutiefst schockiert über die Auswirkungen des Einsatzes der israelischen Streitkräfte zur Befreiung von vier Geiseln in Nuseirat auf die Zivilbevölkerung“, teilte das Büro in Genf mit. Die Experten bezweifelten, dass die Prinzipien des humanitären Völkerrechts eingehalten wurden. „Es war katastrophal, wie diese Aktion ausgeführt worden ist, weil Zivilisten mittendrin waren“, sagte der Sprecher des Büros, Jeremy Laurence.
Mögliche Kriegsverbrechen auch auf palästinensischer Seite
Auch auf palästinensischer Seite könnten Kriegsverbrechen begangen worden sein. Dazu gehöre das Festhalten der Geiseln in einem dicht besiedelten Gebiet, was in einem Konflikt sowohl die Geiseln als auch palästinensische Zivilisten in Lebensgefahr bringe. Die definitive Feststellung von Kriegsverbrechen könnten nur Gerichte leisten, sagte Laurence.
Eine der Geiseln hatte berichtet, sie sei in der fast achtmonatigen Geiselhaft von Wohnung zu Wohnung gebracht worden und zuletzt bei einer Familie untergebracht gewesen. Das verstoße gegen das humanitäre Völkerrecht, betonte Laurence. Trotzdem seien die Prinzipien bei einer Befreiungsaktion zu berücksichtigen.
Bei der Befreiung der vier israelischen Geiseln, die bei dem Terrorüberfall am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppt worden waren, waren nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde am Samstag im Flüchtlingslager Nuseirat mehr als 270 Menschen ums Leben gekommen. Zu Berichten, dass die israelischen Soldaten sich bei der Befreiungsaktion in einem Hilfsgüterlastwagen versteckt haben sollen, konnte der Sprecher nichts sagen, weil das Büro keine eigenen Erkenntnisse dazu hatte.
Die Prinzipien des humanitären Völkerrechts
Es geht um drei Prinzipien, die im humanitären Völkerrecht bei bewaffneten Konflikten vorgeschrieben sind. Das Unterscheidungsprinzip: Konfliktparteien müssen immer zwischen Zivilbevölkerung und zivilen Objekten einerseits und Militär und militärischen Einrichtungen andererseits unterscheiden. Das Notwendigkeitsprinzip: ein möglicher Kollateralschaden - zivile Opfer oder Zerstörung ziviler Einrichtungen - muss im Verhältnis zum militärischen Vorteil stehen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip: Schäden müssen so klein wie möglich gehalten werden.
Guterres beklagt Ausmaß des „Blutbads und Tötens“
UN-Generalsekretär António Guterres hat erneut alle beteiligten Parteien im Gaza-Krieg zu einer Einigung gedrängt. Der Horror müsse aufhören, es sei höchste Zeit für einen Waffenstillstand und die bedingungslose Freilassung der Geiseln, sagte Guterres bei einem von Jordanien und Ägypten organisierten Notfallgipfel für humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des „Blutbads und Tötens“ im Gazastreifen übersteige alles, was er je in seiner Funktion als UN-Generalsekretär gesehen habe. Eine Million Palästinenserinnen und Palästinenser litten unter Hunger und hätten kein sauberes Trinkwasser.
Bei dem Gipfel an der Küste des Toten Meeres südlich der jordanischen Hauptstadt Amman sollen nach jordanischen Angaben Wege gefunden werden, wie die internationale Gemeinschaft stärker auf die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen reagieren kann. Jordanien und Ägypten prangern seit Beginn des Krieges immer wieder die katastrophale humanitäre Lage an. Fast alle der 2,3 Millionen Menschen in Gaza wurden durch Kämpfe vertrieben, es fehlt unter anderem an Lebensmitteln, Unterkünften, Arzneimitteln und sauberem Wasser.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte, Israel sei „direkt verantwortlich für die beispiellose humanitäre Krise“. Diese sei das „absichtliche Ergebnis eines zerstörerischen Krieges aus Rache“, sagte Al-Sisi. Israel müsse aufhören, Hunger als Waffe einzusetzen und die Lieferung von Hilfsgütern in das abgeriegelte Küstengebiet erlauben.
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