Konflikte
Nordkorea sieht Fortschritt beim Ausbau atomarer Schlagkraft

20.11.2022 | Stand 20.11.2022, 7:18 Uhr

Raketentests - Eine Nachrichtensendung zeigt im Bahnhof von Seoul das Archivfoto einer nordkoreanischen Rakete bei einer Militärparade. - Foto: Ahn Young-Joon/AP/dpa

Die militärische Verteidigung seines Landes mit dem Aufbau einer Nuklear-Streitmacht hat für den nordkoreanischen Machthaber absoluten Vorrang. Das macht Kim Jong Un auch nach dem jüngsten Raketentest noch einmal deutlich.

Nordkorea sieht in dem nach eigenen Angaben erfolgreichen Test einer neuen Interkontinentalrakete Fortschritte beim Ausbau seiner nuklearen Schlagkraft zur Abschreckung der USA. Die Streitkräfte hätten mit der Rakete «neuen Typs» ein weiteres Mittel zur Hand, um «jede atomare Bedrohung abzuschrecken», zitierten staatliche Medien des weithin isolierten Landes am Samstag Machthaber Kim Jong Un. 

Die USA demonstrierten als Reaktion auf den Raketenstart den zweiten Tag in Folge militärische Stärke und schickten für eine Luftübung mit Südkorea Langstreckenbomber zur koreanischen Halbinsel.

Kim Jong Un hatte den Test beaufsichtigt und sich zum Raketenstart überraschend mit seiner jugendlichen Tochter und Frau Ri Sol Ju gezeigt. Staatsmedien veröffentlichten erstmals Fotos der Tochter. Dass Kim mit ihr auftrat, bewerteten Beobachter als gezielte Geste, um Selbstbewusstsein zu demonstrieren.

Kim droht USA und Verbündeten

Den USA warf Kim erneut vor, auf Konfrontationskurs zu sein und Nordkorea atomar zu bedrohen - ein Vorwurf, den Washington zurückweist. Kim drohte, «auf Atomwaffen mit Atomwaffen und auf totale Konfrontation mit uneingeschränkter Konfrontation» zu antworten. Jede militärische Gegenaktion der USA und ihrer Verbündeten einschließlich Südkoreas werde zur Selbstzerstörung führen.

Nach Angaben Südkoreas feuerte Nordkorea am Freitag zum zweiten Mal in diesem Monat eine Rakete ab, die theoretisch auch US-Territorium erreichen könnte. Nordkorea identifizierte die Rakete als «Hwasongpho-17» und brüstete sich damit, mit ihr jetzt über die «weltweit stärkste strategische Waffe» zu verfügen. Sie sei nach einem Flug in einer Höhe von bis zu 6040,9 Kilometern und einer Distanz von knapp 1000 Kilometern in einem vorher angepeilten Gebiet im Japanischen Meer (koreanisch: Ostmeer) ins Wasser gestürzt.

EU besorgt: Gefahr für alle Länder

Die EU, die USA und ihre Verbündeten Südkorea und Japan verurteilten den Raketentest. UN-Resolutionen verbieten Pjöngjang die Erprobung von Interkontinentalraketen (ICBM) und anderer ballistischer Raketen, die je nach Bauart mit einem Nuklearsprengkopf bestückt werden können. Nordkorea hat seit Beginn des Jahres das Tempo und den Umfang seiner Tests ballistischer Raketen deutlich erhöht.

In einer am Samstag veröffentlichten EU-Erklärung hieß es, die fortgesetzten Bemühungen Pjöngjangs, immer bedrohlichere Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, gefährdeten alle Länder. Der neue Raketentest sei rechtswidrig und rücksichtslos.

Washington: Besorgniserregende Entwicklung

Die US-Regierung stufte den Test hingegen als zutiefst beunruhigend, aber nicht als Gefahr für die Vereinigten Staaten ein. Mit jedem Raketenstart lerne Nordkorea dazu - und das sei besorgniserregend, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Freitag (Ortszeit) in Washington. Nordkoreas Raketenprogramm wachse weiter, was nicht nur die koreanische Halbinsel, sondern die gesamte Region destabilisiere.

Kampfjets der USA und Südkoreas eskortierten bei einer erneuten Luftübung am Samstag nach Angaben des südkoreanischen Militärs amerikanische B-1B-Langstreckenbomber. Fotos des Militärs zeigten zwei dieser Überschallbomber, die in ihrer jetzigen Ausstattung nur für konventionelle Waffen ausgelegt sind, im Flug.

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